Schwierig. Ich würde eher sagen, es gehört sich so, wie Mercury es konnte, das sollte eher der Standard für Berufsmusiker sein (also in der Hinsicht, dass er Show gemacht hat und trotzdem live gesungen hat).
Wobei es da eben schon ein Unterschied ist, ob man hinterm Mikro steht und sich ab und zu mal etwas bewegt (nehmen wir mal Anthony Kiedis als weiteres Beispiel: Der ist schon ein ziemlicher Derwisch auf der Bühne, aber dauerhaft in Bewegung ist er trotzdem nicht), oder eben eine anstrengende Choreo tanzt. Beides zusammen geht keinesfalls lange - da reicht der Atem einfach nicht noch nebenbei für ordentlichen Gesang.
Entscheidender ist da aber oft, dass die Choreo-Künstler weniger wegen ihres musikalischen Könnens, sondern wegen ihres Aussehens in diese Position kamen. Hätte Madonna sich nicht immer gut inszeniert und hätte sie nicht dank der Hilfe besserer Musikschreiber oft den Nerv der Zeit getroffen, wäre sie heute noch unbekannt, denn musikalisch herausstechend ist an ihr gar nichts. Ein eher dünnes 08/15-Stimmchen, Instrumente hat sie auch erst vor kurzem gelernt (und spielt alles andere als schwere Sachen), und ihre Songs hat sie allenfalls mitgeschrieben, und dann eher die Texte.
Zwei Fragen: was definierst du als Rockkünstler und was ist "alles" live?
Wenn eine Band ihre Instrumente voll live spielt, aber ein Element des Liedes dann vom Band kommt, weil es für die Band nicht zeitgleich mit ihrem Auftritt zu bewältigen wäre ist das ja etwas anderes, als wenn man die Instrumente oder gar den Gesang komplett einspielt.
Je nach Auftritt (TV Show vs. Auftritt bei einem Konzert) kann man dann überlegen, wie akzeptabel das ist oder ob man einfach einen Musiker hätte auf die Bühne holen sollen, der dieses Element dann spielt (wobei manche Elemente ja elektronisch sind und gar nicht gespielt werden können).
Zu der Frage Rockkünstler: ich kann meine Hand natürlich nicht für alle ins Feuer legen, aber ich bezweifle, dass es allzu viele Bands gibt, die ich gern höre, die viel mit Playback arbeiten. Ist sicherlich zugespitzt, aber die Klasse der Musik hat mit dem Anspruch der Band ja oft etwas zu tun und daher ist es für mich eher schwer vorstellbar, dass da viel mit Playback gearbeitet wird.
Und wenn ich mir dann anschaue, wie Springsteen live auftritt (wurde ja in diesem Thread vor kurzem verlinkt, gutes Beispiel ist da "American Land" im Hyde Park) und wer da alles auf der Bühne herumtanzt - es ist Springsteens Anspruch, seine Lieder voll auf die Bühne zu bekommen. Und ich finde das "hört man heraus", nicht bei jedem Element des Liedes oder des Konzerts, aber im Gesamteindruck.
Ich grenze Rock meistens zu Pop insofern ab, dass Rock eher Gruppen sind, die tatsächlich ihre Musik selbst spielen, singen und schreiben. Diejenigen, die sich über die Musik und Performance oft selbst hochgearbeitet haben.
Bei Pop hat man dagegen viel häufiger die Künstler, die sich ihre Songs schreiben lassen, gecastet werden und teils gar nur die Vorzeigepüppchen sind, während im Extremfall nicht mal die Stimme von ihnen selbst kommt.
Schwerer wird es natürlich bei Musik, die viel mit Samples arbeitet - da gibt es viele "Live"-Auftritte, bei denen aber einiges an Musik nunmal zwangsläufig vom Synthesizer bzw. dem Mischpult kommen muss, weil man sie anders nicht abspielen kann. Da sind wir dann wieder beim Beispiel Depeche Mode, die auf Tourneen tatsächlich viel live machen, aber eben auch auf sowas zurückgreifen müssen. Wenn man sich dann ansieht, was Dave Gahan dann für eine Show hinlegt und wie seine Stimme nach 90 Minuten zu krepieren beginnt (der Klassiker ist
"Never Let Me Down Again" gegen Ende eines Konzerts), ist das schon ein riesiger Unterschied zu den durchgestylten Auftritten im TV, bei denen absolut gar nichts live war. Bei den Konzerten besteht da aber wenig Zweifel.
Springsteen hat es da vergleichsweise leicht, denn der ist nunmal der typische Rock-Sänger/Gitarrist hinterm Standmikro. Bewegung gibt es bei ihm auf der Bühne relativ wenig. Warum auch? Braucht er ja nicht, denn da geht es mehr um die Musik an sich, mit der er seit 40 Jahren erfolgreich ist, und er macht dabei immer noch Show genug. Diesbezüglich ist übrigens das Schlimmste, das ich je gesehen habe
"The Cure in Orange" (natürlich nur als DVD, denn ich war 1986 nicht auf dem Konzert in Frankreich). Das ganze Konzert steht die Band statisch, fast schon verloren auf der Bühne, wie bei einem Standbild, durch das ein paar Rauchschwaden ziehen. Und da war tatsächlich wohl das Meiste live...