Wer bin ich?


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Bekannt ist Lilith vor allem als erste Frau in der jüdischen Geschichte. Dies scheint auf einen frühen rabbinischen Versuch zurückzugehen, die sumerisch-babylonische Göttin Belet-ili oder Belili in die jüdische Mythologie zu integrieren.


Für die KanaaiterInnen war Lilith die Ba’lat, die „heilige Gebieterin“. Auf einer Tafel aus Ur, die etwa aus dem Jahr 2000 v.d.Z. stammt, wird sie mit dem Namen Lillake angesprochen.„Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, …. und schuf einen Mann und ein Weib“, heißt es bekanntlich in der Genesis (1. Mose 1,27). Diese Bibelstelle beinhaltet einiges Denkwürdiges. Zum einen wird hier klar, dass Gott – wenn er/sie Mann und Frau zum eigenen Bilde geschaffen hat – damit auch eine weibliche Seite haben muss .


Zum anderen relativiert sich hier die Geschichte mit der Rippe, die erst in Mose, Kapitel 2,21 vorkommt. Was war in der Zwischenzeit?
Doch vorerst einmal zur ersten Frau, jene, von der Moses im ersten Kapitel spricht. Im sumerisch-babylonischen Raum wurde eine Göttin, eine große Himmelskönigin verehrt. Es lag also nahe, diese bereits bekannte Göttin mit ihrem mythologischen Hintergrund in die erste Frau im damals neuen jüdischen Glauben umzuwandeln.


Der Versuch der sexuellen und generellen Unterwerfung​


Und so machten also die HebräerInnen Lilith kurzerhand zur ersten Frau und zur Gefährtin Adams – was prinzipiell ihrem angestammten Status als Schöpfungsgöttin entsprach. Gott erschuf Adam und Lilith also aus demselben Lehm. Jedoch sollte sich diese nun dem Mann unterordnen. Ihre sexuelle Unterwerfung, d. h. beim Geschlechtsverkehr unter dem Mann zu liegen, sollte Sinnbild ihrer generellen Unterwerfung sein.


Doch Lilith – mit ihren matriarchalen Wurzeln zutiefst verbunden – durchschaute das Spiel. Und spielte nicht mit. Sie bestand darauf, da sie gleichberechtigt geschaffen seien, die Gleichberechtigung auch für den Sex gelte. Als Adam sich weigerte, verließ sie ihn und floh ans Rote Meer. So wie es einer freien Frau zusteht. Dabei soll sie sich Flügeln wachsen haben lassen und Gott einen Teil seiner Macht gestohlen haben.


Denn Lilith stellt ja nicht nur die Überlegenheit des Mannes in Frage, sondern auch jene des himmlischen Gottvaters. Wobei sich hier die Frage stellt, wer zuerst die Macht hatte – die alte Muttergöttin oder der jüngere hebräische Gott?
Lilith ist damit die große Göttin der Selbstermächtigung von Frauen. Keine Frau ist auf die Macht von außen angewiesen und sollte sich dieser unterordnen. Die Macht über das eigene Leben, unser Tun, Handeln und Sein liegt ganz bei den Frauen selbst!


Rotes Meer als Symbol für rote Frauenkraft​


Das „Rote Meer“ kann auch als Symbol für die starke rote Kraft der Frau gesehen werden und wird auch manchmal als Allegorie für Menstruation angesehen. Lilith wurde, da sie sich weigerte auf die vom männlichen Gott vorgesehenen Art mit Adam sexuell zu verkehren, auch nicht schwanger und „gebar“ das Rote Meer mit ihrer Menstruation.


Diese Nicht-Mutterschaft ermöglichte ihr auch ein Leben in Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Etwas, das so manchen Männern noch Jahrtausende später bei den Nachfahrinnen von Lilith in höchstem Maße unangenehm, wenn nicht unheimlich ist. Natürlich trifft Lilith mit alldem den phallischen Stolz des Patriarchats im Kern, das die Selbstbestimmung der Frau nicht ertragen kann.


Die jüdische Religion verleugnet ja auch bewusst die lebensspendende Eigenschaft der Mutter, denn im Gegensatz zu biologischen Tatsachen werden in der Legende Adam und Lilith auf die Schaffenskraft eines männlichen Gottes zurückgeführt. (Jener Gott im übrigen, der dann zur Schaffung seines leiblichen Sohnes dann doch eine Frau gebraucht hat – dies aber nur so als kleine Anmerkung am Rande).

Dämonenfrau mit tausend Dämonenkinder​

Schließlich gesellte Jahwe zu Adam die weniger selbstbewusste Eva. Und damit veränderte sich die Bedeutung von Lilith radikal. Die jüdische Mythologie machte aus ihr einen weiblichen Dämon.

Nicht nur sie, mit ihr auch gleich alle Frauen wurden zu Dämoninnen schlechthin abgestempelt. Zur Abschreckung für alle Zeiten erfand „mann“ nun ihre Verbindung mit – je nach Erzählweise – einem oder vielen oder tausend Dämonen, von denen Lilith tausend Dämonenkinder bekam.

Natürlich war der gütige und von Liebe erfüllte Bibelgott sofort zur Stelle, um täglich hundert dieser, ihrer Kinder zu töten. Was für ein Zeichen von Nächstenliebe! Welche Mutter ist erfreut über den Mord an ihren Kindern? Natürlich wird sie sich wehren. Mit ihrer Trauer und Verzweiflung, mit ihrem Zorn, sich solche Behandlung nicht bieten zu lassen, war ihr Image als Dämonin perfekt.

Ab da wurde kolportiert, dass sie nun ihrerseits Kinder mordend durch die Länder zog. Sie sei eine Nachtdämonin, die schwangere Frauen gefährdet und insbesondere Säuglinge tötet. Mit ihrem Nachtaspekt entspricht Lilith wieder ihrer früheren Bedeutung als Ursprungs- und Schöpfungsgöttin, die aus der großen Dunkelheit, den Tiefen des Universums kommt.

Sie wird auch „Die Schwarze Göttin“ genannt und mit der griechischen Astarte gleichgesetzt und gilt als die Mutter der Magie und des Schwarzmondes.

Ich finde eine sehr spannende mythische Figur. Sie wird immer wieder als Hintergrund verwendet. Dabei bleibt ihre Zuordnung erstaunlich wage.
 
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