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Gast_481
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Die Haarpracht von Carlos Alberto Valderramma, der Scorpion-Kick von René Higuita oder der tragische Tod von Andrés Escobar...für Fussball-Nostalgiker, die immer eine Anekdote aus dem Hut zaubern können, haben die Kolumbianer in einem relativ kurzen Zeitraum für ordentlich Material gesorgt.
1962 war die erste WM-Teilnahme. 2 Niederlagen (1-2 gegen Uruguay, gleich 0-5 gegen Jugoslawien) und das torreichste Unentschieden der WM-Geschichte (4-4 gegen die UdSSR) standen am Ende auf dem Konto. Schon da hat sich angedeutet, dass "Los Cafeteros" mehr für Kuriositäten, als für sportliche Erfolge stehen. Erst 1990 erreichte man die WM-Endrunde erneut. Sieg gegen die Vereinigten Arabischen Emirate, Niederlage gegen Jugoslawien und ein Unentschieden gegen den späteren Titelträger Deutschland bedeuteten den Einzug ins Achtelfinale als bester Gruppendritter. Dort scheiterte man in der Verlängerung an Kamerun. Die Folgejahre waren in sportlicher Hinsicht aber durchaus erfolgreich. Man qualifizierte sich souverän für die WM 1994 in den USA, bezwang unter anderem die Argentinier auswärts mit 5-0...und versagte dann völlig an der Endrunde...konnte nur das letzte Spiel gegen die Schweiz gewinnen, war zu diesem Zeitpunkt aber bereits ausgeschieden. Im Anschluss an das Turnier folge der Mord an Verteidiger Andrés Escobar, welcher mit einem Eigentor gegen die USA Mitschuld hatte am Ausscheiden des Teams. 1998 folgte eine erneute Qualifikation und ein erneutes Scheitern in der Vorrunde. Danach wurde es ruhig um die Kolumbianer. Im Film "The Two Escobars" wird auf einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg des Drogenbarons Pablo Escobar und den Ergebnissen des kolumbianischen Fussballs (Vereine und Nationalmannschaft) hergestellt. Ob das DER Grund ist, kann man nicht sagen. Tatsache ist, dass die Kolumbianer zu Beginn der 90er eine aufstrebende Fussballnation waren (neben den 3 WM-Teilnahmen immerhin 3x 3. und 1x 4. bei der Copa America im Zeitraum zwischen 1987 und 1995). Tatsache ist auch, dass die Abwärstspirale des Teams nach dem Tod des Drogenbarons im Jahre 1993 begann, was man am deutlichen Leistungsunterschied zwischen der Qualifikation für 1994 und der Endrunde in den USA zeigte. Als die Generation um Asprilla, Valderramma, Rincon, Mendoza etc. über ihren Zenit war, konnte sich das Team nicht mehr für die WM-Endrunde qualifizieren.
Bis zu diesem Jahr. Wirklich prognostizieren konnte man die Qualifikation nicht. In der Qualifikation für die WM in Südafrika landete man bei den Südamerikanern nur auf dem siebten Platz. Zwar mit nur einem Punkt Abstand auf den 5. Platz, welcher immerhin die Relegation gesichert hätte, aber als Favorit für das neue Qualifikationsturnier konnte man nach diesem Ergebnis nicht gelten. Die Copa America 2011 deutete ebenso bestenfalls Potenzial an. Siege über Costa Rica und Bolivien, sowie ein Unentschieden gegen Argentinien führten das Team ins Viertelfinale, wo gegen Peru Schluss war. Das Team schien schon bisschen was zu können, aber ob es reichen würde sich im Haifischbecken der Südamerikaqualifikation durchzusetzen, konnte so nicht prophezeit werden. Angeführt von Radamel Falcao und Téofilo Gutiérrez, welche zusammen 15 der 27 kolumbianischen Tore erzielten, wurde aber eine mehr als souveräne Qualifikation gespielt, welche man auf einem starken 2. Rang, nur 2 Punkte hinter Argentinien beendet konnte. Unter anderem wurde Uruguay zu Hause gleich mit 4-0 geschlagen, Bolivien gleich mit 5-0, gegen die starken Chilenen 3-3 gespielt und sogar den Argentiniern auswärts ein Punkt abgeluchst.
Das Land konnte in den letzten Jahren immer mehr Spieler von internationalem Format hervorbringen, so dass sich das mit der Zeit auch in der Nationalmannschaft bemerkbar gemacht hat. Zapata spielt beim AC Mailand, Yepes war vor seinem Wechsel zu Bergamo ebenfalls beim AC Mailand, Zuniga ist beim SSC Neapel unter Vertrag. Guarin, James Rodriguez, Jackson Martinez, Juan Quintero...alle kamen sie über den FC Porto nach Europa und spielen entweder immer noch beim portugiesischen Topclub oder bei noch grösseren europäischen Vereinen. Dies trifft auch auf das Prunkstück des Kaders zu. Radamel Falcao, welcher in 51 Spielen 41 Mal für den FC Porto traf, den Verein fast im Alleingang zum Europa League Sieg 2011 schoss und dann im darauffolgenden Jahr mit seinen Toren den selben Titel für Atletico Madrid sicherte. Mittlerweile steht die kolumbianische Tormaschine beim AS Monaco unter Vertrag...und ist verletzt. Der Kreuzbandriss des Stürmers ist ein grosses Problem für die Kolumbianer. Falcao wird vermutlich nicht fit zur WM. Es ist fraglich wie das Team ohne ihren besten Mann auftritt. Mit ihrer Mischung aus Physis und Technik ist Kolumbien theoretisch das kompletteste Team der Gruppe C. Ohne Falcao fehlt ihnen aber der Mann, welcher den Unterschied macht, welcher dem Gegner Ehrfurcht einjagt und mindestens 2 Gegenspieler an sich bindet. Die Elfenbeinküste mit ihrem Individualpotenzial sowie die taktisch starken Japaner und Griechen könnten Wege finden, um den Kolumbianern so die Zähne zu ziehen.
Das Team spielt ein klassisches 4-4-2 mit Doppel-Sechs, welche meist aus Sanchez von Elche und Aguilar von Toulouse, oder Guarin gebildet wird. Über die Flügel kommen James Rodriguez und Cuadrado von Florenz. Im Sturm werden voraussichtlich Martinez von Porto und Gutierrez von River Plate stehen. Alternativ Muriel von Udinese oder Bacca vom FC Sevilla. Die Offensive hat auch ohne Falcao durchaus Potenzial, aber nicht die selbe Durchschlagskraft. Im Tor steht entweder Nizzas Ospina, oder als Überbleibsel der Generation Valderramma der Ex-Kölner Mondragon, mittlerweile 42 Jahre alt und wieder in der heimischen Liga tätig. Die Abwehr stand in der Qualifikation sehr solide. 13 Gegentore waren der Topwert der Südamerikaqualifikation. Nicht mal Argentinien kassierte so wenige Gegentreffer. Allerdings sind in der Abwehr einige Spieler schon in einem höheren Alter und teilweise wieder in Südamerika tätig (Yepes, Mosquera, Perea), oder noch relativ jung und haben den Sprung nach Europa noch nicht geschafft (Balanta, Medina). Taktisch wird man daher noch einmal gefordert sein an der WM.
Fazit: Das Team ist recht ausgeglichen besetzt, verfügt über viel Erfahrung und ist sehr stabil. Die Gruppenspiele werden vermutlich auch ohne Falcao gepackt. Danach kommt es darauf an, wen man aus der Gruppe D erwischt. Italien, Uruguay und England sind die möglichen Gegner. Gerade gegen Uruguay und Italien wäre ein Falcao enorm wichtig. Falls er fit wird ist best case das Halbfinale und worst case das Achtelfinale. Ohne ihn wird es bestenfalls das Viertelfinale, schlimmstenfalls ein Gruppenaus. Achtelfinale ist aber in jedem Fall realistisch.
http://mephmanjo-mylifewithfootball.blogspot.ch/2014/03/wm-vorschau-kolumbien.html