Ich bin gespannt wie Prokop RM und RR regelt, jetzt wo Weinhold wohl zurückkommen wird. Ein Arbeitskollege, der beruflich mit Handball zu tun hat und früher auf solidem Niveau selber gespielt hat (der also mehr davon versteht als ich
), ist ein großer Fan von Strobel. Generell sind viele wohl recht zufrieden mit ihm. Aber ich persönlich sehe es bei ihm einfach nicht. Er macht das solide, das will ich ihm nicht absprechen, aber du brauchst eben nahezu zwingend zwei torgefährliche Spieler im Rückraum neben ihm.
Bei Strobel drängt sich die Parallel zu Markus Baur anno 2007 unmittelbar auf. Beide sind eher klassische spielstarke Mittelmänner, wenngleich Strobel aus meiner Sicht torgefährlicher und abwehrstärker ist. Baur war dafür abgezockter und konnte das Spiel noch besser lenken. Die Nebenleute von Baur waren Hens / Kaufmann / Kraus auf RL und Glandorf / Zeitz auf RR. Insgesamt also deutlich mehr Wurfgewalt. Deine Einschätzung teile ich daher total. Der einzige "echte" Werfer ist doch Steffen Fäth. Alle anderen zieht es mehr in den Durchbruch, was gegen defensive Abwehrreihen ungleich schwerer zu spielen ist.
Und mMn sollte das Team um Wiede als Spielgestalter aufgebaut sein. Der wird im Februar 25 und ich war noch nie so begeistert von einem deutschen Spieler wie von ihm. Der hat pro Spiel einfach ~ 5 Aktionen drin, die ich persönlich (mit eingeschränktem Handball-Wissen, das ist ein dauerhafter Disclaimer bei mir
) so nur von Ausnahmekönnern wie Ivano Balic, Olafur Stefansson oder Palmarsson (der gestern ganz stark war bis zu seiner Verletzung, da hatten wir Glück) kenne. Das hat etwas von einem Handball-Genie. Ja, dem stehen pro Spiel auch ein bis zwei unnötige Fehlpässe entgegen, weil Wiede einfach sehr risikoreich spielt. Aber für mich überwiegen da ganz klar die guten Aktionen. Denn das sind Tore, die wir sonst nicht erzielen würden. Und dass wir kein Problem damit hätten, Tore zu erzielen, kann man wahrlich nicht behaupten.
Wiede selbst ist kein großer Shooter. Davon haben wir eh zu wenig, auch klar. Da fehlt Kühn einfach. Aber Weinhold ist eben sehr gut im 1 gg 1 und daher torgefährlich. RL machen Fäth und Drux unter sich aus.
Wiede hat eine hohe Spielintelligenz, gepaart mit einem ordentlichen, aber nicht gerade überragendem Wurf. Dazu ist er in der Abwehr solide und keine echte Schwachstelle. Es fehlt mir bei ihm im Vergleich zum klassischen Spielmacher ein bisschen mehr Balance im Risikomanagement seiner Entscheidungen. Er ist ein starker Entscheidungsspieler, was aber maßgeblich seinen individuellen Fähigkeiten im 1 gg. 1 und seinem guten Auge geschuldet ist. Die Vergleiche mit Balic verbieten sich wohl von selbst. Stefansson und insbesondere Palmarsson sind / waren mit ganz anderen Wurffähigkeiten ausgestattet. Palmarsson kann man eher mit Karabatic und Hansen in einen Topf werfen.
Es geht mir nicht darum, dass wir 60 Minuten lang mit Fäth/Drux, Wiede und Weinhold spielen. Weinhold und Wiede brauchen selbstverständlich auch ihre Pausen und Strobel hat ja durchaus eine gewisse Berechtigung. Aber ich würde mir eben nicht 40 bis 45 Minuten lang Strobel auf RM wünschen und den Rest der Zeit mit Wiede oder Drux auffüllen, sondern eher so 20. Gerade am Anfang macht Strobel schon Sinn, um Struktur reinzubringen. Aber in der Crunch Time habe ich dann einfach lieber das Genie auf dem Feld, das Dinge macht, mit denen der Gegner nicht rechnet (zum Teil nicht rechnen kann). Und wenn fit wird Weinhold in der Crunch Time RR spielen - zurecht, aus meiner Sicht.
Für den Positionsangriff ist Strobel genau der richtige Mann auf RM. Was mir viel größere Sorgen macht, sind die leichten Tore aus der 1. / 2. Welle. Bis auf "Air" Pekeler blieb da bislang wenig bei mir haften. Insbesondere die Außen kommen kaum vernünftig in den Gegenstoß. Die 2. Welle mit den beiden KM im Innenblock, dazu ggf. noch Kohlbacher auf HL in der Deckung sorgt nicht gerade für gute Abläufe und Torgefahr, da keiner von den drei den erweiterten Gegenstoß über die Mitte steuert. Leider hat sich Fabian Böhm bislang auch nicht gerade angeboten, der noch am ehesten die Mischung aus gutem Abwehrspieler und starkem Umschaltspieler mitbrächte.
Was mir auch Sorgen macht ist RA. Groetzki hat in diesem Turnier schon viel zu viele einfache Würfe vergeben. Das wäre gegen die Kroaten tödlich. Schade, dass Reichmann scheinbar außer Form war und dann den Kurzurlaub eingestreut hat. Zumindest die Option zu haben, ihn bringen zu können, fände ich wertvoll. Ich habe den irgendwie schon immer lieber gesehen als Groetzki. Der ist wahrscheinlich der bessere Vereinsspieler, aber in der Nationalmannschaft habe ich von ihm selten Topleistungen gesehen.
Groetzki hätte ich zu Hause gelesen. Bei ihm habe ich immer das Gefühl, dass er sich mittlerweile in der Komfortzone Nationalmannschaft eingerichtet hat und als Best Buddy von Gensheimer, so denn dieser dabei ist, auch gesetzt ist. Neben seiner Leichtfertigkeit im Angriff, nervt mich vor allen Dingen seine schwache und bisweilen lustlose Abwehrleistung. Wenn man dagegen sieht, wie sich ein Matthias Musche in seinen wenigen Minuten reinhängt, ist das ein Unterschied zwischen Tag und Nacht.
Reichmann hat mich in Melsungen in dieser Saison auch nicht wirklich überzeugt, was zum Teil aber auch an der Melsunger Spielphilosophie liegt, die maßgeblich auf Julius Kühn und die KM aufgebaut ist.
Schlechter als ein Groetzki hätte z.B. ein Tim Hornke auch nicht gespielt. Immerhin Nr. 2 der aktuellen HBL-Torjäger-Liste hinter Matthias Musche. Ich gehe auch davon aus, dass sich mit Hornkes (Rück-)wechsel zum SCM hier die Nationalmannschaftsflügelzange der Zukunft bildet.
Stand Jetzt muss ich Prokop aber loben. Er scheint sich in der Menschenführung weiterentwickelt zu haben. Es wirkt auf mich auch deutlich harmonischer im Umgang. Klar ist aber auch: das Halbfinale sollte es mit Heimvorteil schon sein. Ab dann spielt man in Dänemark und auf höchstem Niveau kann dann selbstverständlich auch eine Niederlage drin sein. Entscheidend für den Erfolg, da sage ich jetzt sicher nichts neues, kann nur die Abwehr sein. Und die spielt ein richtig gutes Turnier.
Christian Prokop hat gemerkt, dass er als Coach der Nationalmannschaft zum einen weniger Zeit hat, Inhalte zu vermitteln und zum anderen kommunikativer werden musste. Dies hat er beides hervorragend gelöst. An seinen grundlegenden Fähigkeiten hatte ich nie Zweifel. Beim letzten Turnier war der Eindruck zu vernehmen, dass er seine Spiel-Idee mit aller Gewalt durchsetzen wollte und die Spieler dabei überfordert hat. Ganz deutlich erkennt man den Wandel in seinen Auszeiten, wo er jetzt auch die Spieler mit einbezieht. Nach dem Island-Spiel konnte man zudem sehen, wie freudestrahlend eine Last von ihm abgefallen ist und er das erste Mal auch nach außen hin den Eindruck vermittelte, dass er Spaß an dem Job als Bundestrainer hat.