Die Fifa gängelt Deutschland
WM: Kritik am Fußballverband. Das TV muß Fußball mit "ss" schreiben. Fan-Shops müssen geschlossen bleiben, ein Museum muß die Öffnungszeiten ändern. Das geht selbst der Politik zu weit.
Von Jens Meyer-Odewald
Hamburg - Gut drei Monate vor dem Anpfiff der Weltmeisterschaft mehrt sich die Kritik am Fußball-Weltverband Fifa. Der Vorwurf: In der Praxis artet der Schutz der Hauptsponsoren vor werbenden Trittbrettfahrern in eine starre Verbotspolitik aus, die Spielorte wie Hamburg teuer zu stehen kommt. Sie haben Einschränkungen aller Art zu akzeptieren. Wer etwa mit dem Fußball werben oder einen der 90 vom Deutschen Patent- und Markenamt geschützten Begriffe wie "WM 2006", "Germany 2006", "Worldcup" nutzen will, muß den Abwehrriegel der Verbandsjuristen knacken oder teure Lizenzen zeichnen.
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Hamburger Politiker stimmen jetzt in die Kritik an der Fifa ein. "Die kümmern sich nicht nur um die Brötchen, sondern auch um die Krümel", sagt Jürgen Schmidt (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft. "Teilweise erinnert das an eine Behörde in einem Provinzkaff." Und Lars Dietrich, sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, meint: "Der besondere Schutz der Fifa für seine Werbepartner macht es Hamburg schwer, eigene Sponsoren zu finden. Im Einzelfall geht mir das einfach zu weit."
Dazu kommen Ausnahmeregelungen: Mitglieder der Fifa müssen während der WM weder Steuern noch Gebühren und Abgaben in Deutschland zahlen, für Ausländer, die für die WM oder die Fifa arbeiten, wird das deutsche Arbeitsrecht teilweise ausgehebelt. Tatsache ist, daß die Restriktionen skurrile Blüten treiben.
- Im offiziellen WM-Prospekt der Stadt Frankfurt mußte die Skyline retuschiert werden. Grund: Die Postbank ist nationaler Förderer. Auf dem Panoramabild waren Namen anderer Geldinstitute zu erkennen.
- Das HSV-Museum in der AOL-Arena darf nach langen Verhandlungen zwar während der WM öffnen, aber nicht in den zwei Tagen vor und am Tag der fünf WM-Spiele in Hamburg. Ausstellungsstücke mit (Trikot-)Werbung von Wettbewerbern der Fifa-Sponsoren werden moniert.
- Fan-Shops in und um die zwölf WM-Arenen müssen geschlossen bleiben: zu viele "falsche" Trikotsponsoren.
- In Nürnberg wurden Geldautomaten der HypoVereinsbank mit Klebeband überdeckt, in Frankfurt in Stadionnähe die Logos von Kreditkartenfirmen zugeklebt, um den Fifa-Partner Master Card zu schützen. Journalisten mußten in Leipzig während des Confed-Cups im Pressebereich ungewünschte Herstellerangaben auf Monitoren, Mikrofonen, Laptops und Taschen übertapen. Toshiba wurde Exklusivität zugesichert.
- In Leipzig untersagte die Fifa Ausstellern aus Nürnberg, Lebkuchen anzubieten. Für feste Nahrung ist ausschließlich McDonald's zuständig.
- Die Fernsehanstalten müssen "Fußball" offiziell mit "ss" schreiben. Ähnlich penibel ist die Berichterstattung der Tageszeitungen auf ihren Internet-Seiten geklärt: Fünf Fotos je Halbzeit plus zwei für die Verlängerung sind erlaubt.
# Ein erhebliches Problem bereitet die Stellung Hyundais, offizieller Autoausrüster der WM. Die koreanische Firma stellt zwar Busse her, importiert diese jedoch nicht nach Europa. Zum Einsatz kommen nun Mercedes-Busse mit Hyundai-Aufklebern. Die wirkliche Herkunftsangabe soll verdeckt, der Stern aus dem Lenkrad montiert werden.
# Der Ölmulti Shell und der Reise-Riese TUI dürfen nicht bei Fan-Festen in den Städten als lokale Sponsoren auftreten. Die Fifa lehnte das in diesen Tagen ab. Geschäftsbereiche der beiden Unternehmen würden sich mit den Fifa-Partnern EnBW (Energieversorger) und Emirates (Fluglinie) überschneiden. Das erschwert den Kommunen die Refinanzierung ihrer Veranstaltungen erheblich. Gleiches gilt für den offiziellen Hamburger Fan-Guide (Auflage: 400 000). Die Fifa erlaubt nur Anzeigen ihrer Partner. Die wiederum haben ihre Budgets inzwischen verplant. Auf den Kosten droht nun die Hamburg Marketing GmbH sitzenzubleiben.
# Der Imbiß Picknick am Hellgrundweg 2 neben der AOL-Arena soll auf Empfehlung der Stadt die Werbung seines langjährigen Bierlieferanten abhängen, um Unannehmlichkeiten mit der Fifa zu vermeiden. Nur Budweiser und Bitburger sind gestattet.
# Die private Color-Line-Arena darf ihren Betrieb zum Verdruß der Fifa aufrechterhalten, nur an den fünf Spieltagen sind Veranstaltungen untersagt. Der Kompromiß wurde nach zähen Diskussionen gefunden, in die sich Vertreter der Stadt einschalten mußten. "Die Fifa hätte die Color-Line-Arena am liebsten weggesprengt", berichtete ein Teilnehmer der Gespräche.
# Die berühmte Waldbühne in der Nachbarschaft des Berliner Olympiastadions wurde aufgefordert, in den Tagen vor und nach den Berliner WM-Spielen ihre Vorstellungen abzusagen. Die Verhandlungen laufen.
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Das Prinzip all dieser Maßnahmen ist klar: Wer hohe Millionensummen für exklusive Werberechte zahlt, muß vor Wilderern geschützt werden. Schon 2002 schritt der Weltverband vor und während der WM in Japan und Südkorea rigoros gegen das sogenannte Ambush-Marketing ein. In 88 Ländern ließ er 3 124 976 Artikel konfiszieren.
Zwar gelingt es den Fifa-Hütern, 90 Prozent der strittigen Fälle in beiderseitigem Einvernehmen zu klären, doch munitionieren sich inzwischen hartnäckige Widersacher. Wie Ferrero, das nicht einsehen will, warum seinen Schokowaffeln Hanuta und Duplo nicht wie seit 1982 üblich Sammelbilder mit der Aufschrift "WM 2006" beigelegt werden dürfen. Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe will am 27. April in letzter Instanz den Widerspruch des Weltverbandes gegen ein Urteil des Bundespatentgerichts verhandeln. Das hatte 2005 der Schokofirma teilweise recht gegeben.
Ein sensibles Feld sind die Exklusivrechte der 15 internationalen Fifa-Partner und der sechs nationalen Förderer. Ihnen gewährt die Fifa Markenschutz, vor allem in der Bannmeile rund um die zwölf WM-Stadien. Das bringt die Städte bei der Veranstaltungsfinanzierung in Schwierigkeiten und führt teilweise zu skurrilen Verrenkungen.
Dabei wird der Grundsatz des Sponsorenschutzes von Konkurrenzfirmen wie Werbeagenturen akzeptiert. "Jeder will jetzt auf der WM-Welle mitsurfen", sagte Andre Kemper von der Agentur Kempertrautmann zum Abendblatt. "Da muß es härteste Regeln geben, sonst gibt es schnell Tausende von Ausnahmen." Kemper nutzte eine Nische und kreierte für seinen Kunden Media-Markt Werbebotschaften mit nicht geschützten Begriffen. So entstanden die Slogans "Wir holen den Titel" und "Beste Elf aller Zeiten". Fortsetzung folgt.
Sich nicht von der Fifa abschrecken zu lassen, das rät der Hamburger Anwalt Dr. Gerald Neben von der Kanzlei Lovells. Der Fußballweltverband, so Neben, bewege sich "in Deutschland rechtlich auf dünnem Eis". Winfried Hermann, sportpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, kündigt an: "Nach der WM ist eine Debatte über den Anspruch der Fifa und deren Sponsoren fällig, die zu weitgehend in bestehende Rechte eingreifen."
erschienen am 25. Februar 2006