Eine Gegnerin macht Angst und der Vater nervt
„Da stand also das letzte Turnier der Saison vor der Tür und meine Vorbereitung war, um es mit Gerhard Schröders Worten auszudrücken, suboptimal.“ Andrea Petkovic zieht nach ihrem ersten Jahr als Tennisprofi eine zwiespältige Bilanz.
Da stand also das letzte Turnier der Saison, die deutschen Meisterschaften, vor der Tür und meine Vorbereitung war, um es mit Gerhard Schröders Worten auszudrücken, suboptimal. Nach einem Turnier in Tschechien, bei dem ich wiederum an Angelique Kerber gescheitert war, hing mir der Tennissport zum Hals heraus und ich war froh, daß ich in den Urlaub fahren konnte.
Dementsprechend war die allgemeine Erwartungshaltung nicht gerade hoch, auch wenn eine Woche Training vor den Meisterschaften mich persönlich auf einen mindestens guten Verlauf hoffen ließ. Daß es schließlich zu einem Drama werden würde, konnte ich da noch noch nicht ahnen. Als gesetzte Spielerin stand ich direkt im Achtelfinale, das ich gegen die Qualifikantin Sabrina Allaut ohne Probleme 6:2 und 6:3 gewann.
Ich stand also ohne großartige Anstrengung im Viertelfinale, traf allerdings hier relativ früh auf einen harten, aber dennoch schlagbaren Brocken. Die Fed-Cup-Spielerin und 157. der WTA-Rangliste Kathrin Wörle stand mir gegenüber, die ich im Sommer noch geschlagen hatte. Offensichtlich hatten Kathrin und der immens schnelle Teppichbelag eine sehr gute Beziehung, während ich mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Erinnerungen an Siege und Zweifel
Aufgrund meine Größe und des sehr niedrigen Ballabsprungs konnte ich zu keinem Zeitpunkt meinen Rhythmus finden. Trotzdem rechnete ich mir gute Chancen aus, denn der Sieg im Sommer war noch präsent. Die ersten beiden Sätze könnte man, wenn man es gut meinte, mit der Überschrift „Not gegen Elend“ betiteln, da das Niveau des Spiels eindeutig zu wünschen übrig ließ. 0:6, 6:2 lautete das Zwischenergebnis, als wir endlich aufhörten, Zuschauer und Schiedrichter mit unseren unkontrollierten Schlägen abzuschießen und statt dessen einen interessanten dritten Satz zeigen konnten.
Zwar kamen wir nie an unser mögliches Niveau heran, aber an Spannung mangelte es nicht. Nachdem ich das langersehnte Break zum 5:4 schaffte und bei eigenem Aufschlag 40:15 führte und somit Matchbälle hatte, bekam ich den von Tennisspielern tiefgefürchteten, allseits gehassten „Eisenarm“ und setzte zwei Vorhände mitten ins Netz.
Höhen und Tiefen der ersten Saison
Der Rest ist Geschichte: Zwar brachte ich noch einmal meinen Aufschlag zum 6:6 durch, aber im Tie Break ging ich sang- und klanglos unter. Auch die im Anschluß folgende Dopingkontrolle konnte meine Laune nicht wirklich heben, ganz im Gegenteil, wohl aber das gemischte Doppel mit meinem Mixedpartner Lars Übel. Zwar verloren wir ebenfalls 6:7 im entscheidenden Satz, was dem Spaß, den wir hatten, jedoch keinen Abbruch tun konnte.
Auf der Rückfahrt von Berlin nach Darmstadt hatte ich genügend Zeit, um meine erste Saison als Tennisprofi Revue passieren zu lassen. Ich wurde mir der Höhen und Tiefen bewußt, der Erfolge und Mißerfolge, der Freuden und Leiden. Ich erinnerte mich an meine ersten Siege auf höherdotierten Turnieren ebenso wie an die Zweifel, die sich immer wieder einschlichen. Ich dachte an meinen schönsten Erfolg in Hasselt in Belgien und an die nie endenwollenden Trainingstage. Und ich stellte fest, daß ich eine handfeste Angstgegnerin habe, Angelique Kerber, gegen die ich im Laufe meines Lebens nun schon acht mal verloren habe und das nicht, weil ich viel schlechter bin, sondern weil Menschen ein Objekt der Angst brauchen und mein Objekt meine eigentlich auch noch gute Freundin Angelique ist.
Kein Geld verdient
Ich sah die finanziellen Engpässe, die nach der Steuer-, Trainer- und Reisenabrechnung auf mich zukommen werden, sowie meinen Vater, der mich ständig und wohl auch dauerhaft dazu drängen wird, „endlich etwas Vernünftiges zu machen und zu studieren“. Geld verdient habe ich nun wirklich nicht, im Gegenteil.
Ich dachte auch an das kommende Jahr, das viel schwieriger werden wird, in dem ich vermutlich kaum noch zu Hause sein werde und ich überlegte mir, ob ich das Ganze überhaupt noch will. Schließlich stellte ich fest, daß alles nur noch komplizierter werden wird, daß mein Vater mich nerven wird und das Reisen wahrscheinlich auch.
Aber am Ende dachte ich an meine Erfolge, und obwohl sie im Moment weniger zahlreich sind als die Mißerfolge, wiegen sie doch erheblich mehr. Was wird dann also sein, wenn sie zahlreicher werden? Um das zu erfahren, ertrage ich auch meinen nervigen Vater.