Trapattoni fordert: "Schluss mit Alibis"
"Vor dem Bundesligaspiel bei Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr) hat VfB-Trainer Giovanni Trapattoni erneut den Verzicht auf Zvonimir Soldo verteidigt - und sein Team in die Pflicht genommen: "Die Spieler brauchen eine andere Mentalität."
Gesprächsthemen gibt es auf dem Wasen genug: die Verletztenmisere, das Topspiel in Bremen oder der neue Stürmer Danijel Ljuboja. Doch das interessiert derzeit kaum jemanden. Es gibt nach wie vor nur ein beherrschendes Thema: Zvonimir Soldo und seine Degradierung. Die Teamkollegen des Kapitäns schweigen zwar weiter (Andreas Hinkel: "Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen), aber Trapattoni bezog erneut klar Stellung - und versuchte, öffentlich Überzeugungsarbeit zu leisten.
Deshalb trug der Maestro noch einmal mit großer Hingabe all seine Gründe vor, warum er auf Soldo verzichtet. Er begann harmlos - mit der schon bekannten, liebenswerten Darstellung, das Team müsse auch ohne Papa auskommen. Aber diesmal endete Trapattoni mit offener Kritik an seinen Spielern: "Sie haben die Tendenz, sich unterzuordnen." Wenn dann eine Führungsfigur wegbricht, können die Profis mit dieser Situation nicht umgehen. "Sie haben immer ein Alibi, aber sie dürfen nicht immer Alibis suchen. Die Mentalität muss wechseln", fordert der Coach, "oder sollen wir zu Hause bleiben, wenn Soldo verletzt ist?"
Die dominante Figur Soldo ist in einem Jahr weg, und auch fast alle anderen Führungsspieler sind im Herbst ihrer Karriere. Nachfolger drängen sich nicht auf. Das Problem hat schon Trapattonis Vorgänger Matthias Sammer erkannt. Er versuchte es zu lösen, indem er fast das komplette Team in den Spielerrat berief. Verantwortung auf Befehl von oben. Das Experiment scheiterte.
Trapattoni versucht es jetzt mit der Rosskur: Er wirft seine Spieler ins Wasser, damit sie sich freischwimmen. Diese Variante verspricht mehr Erfolg als Sammers Methode, aber sie ist auch riskanter. Denn derzeit haben die Spieler gar keinen Halt - keinen Chef auf dem Platz, keine eingespielte Mannschaft, kein gewohntes Spielsystem. "Das ist wie ein kleines Erdbeben", sagt Trapattoni. Die Folge: "Wir machen manchmal noch zu naive Fehler, die zu Gegentoren führen. Vor allem in den ersten Minuten fehlt die Konzentration." Und gegen den Bremer Topsturm mit Ivan Klasnic und Miroslav Klose kann so etwas am Samstag noch viel unheilvoller enden als zuletzt. Wenn die Ergebnisse in der Bundesliga weiterhin nicht stimmen, kann Trapattoni schnell selbst in die Kritik geraten. "Ich bin seit 30 Jahren Trainer und weiß, wie Gruppen funktionieren", versichert der Trainer. Dank seiner Erfahrung weiß er aber auch, dass er seine Linie nicht ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen kann. "Sie können sicher sein, dass ich merke, wann ich eingreifen muss. Es geht nicht darum, etwas zu versuchen und es dann nicht zu korrigieren."
Doch irgendwann hat auch Trapattoni genug vom Thema Soldo. "Unser Problem heißt jetzt Bremen. Die Spieler dort haben nämlich eine richtige Siegermentalität." Das habe Werder auch beim 3:0 gegen den FC Basel und der Qualifikation für die Champions League bewiesen. Und irgendwie klingt da fast schon etwas Neid durch."
Stuttgarter Nachrichten 26. August 2005
