Vitali Klitschko bei der Ukrainischen Präsidentschaftswahl - 29 Mrz. 2015


desl

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Dass es die letzten Wochen in Kiew ziemlich rund ging, dürfte keinem entgangen sein.

Besonders die letzten Tage hatten einige Brisanz.

- Wolodimir Rybak, ein Vertrauter Janukowitsch' ist als Parlamentspräsident zurückgetreten. Nachfolger wurde Olexander Turschinov, ein Vertrauter Timoschenkos. Bis zur Ernennung einer Übergangsregierung soll Turschinov die Kabinettsarbeit leiten.
- Janukowitsch unterzeichnet Vertrag zur Rückkehr zur Verfassung von 2004, wodurch der Präsident an Macht verliert.
- Janukowitsch stimmte vorgezogenen Wahlen für Dezember 2014 zu.
- Die Polizei hat sich auf die Seite der Oppositionellen geschlagen.
- Das Parlament hat heute die Absetzung Janukowitsch' beschlossen. Neuwahlen sind für den 25. Mai geplant.
- Timoschenko wurde nach Parlamentsbeschluss aus der Haft entlassen
- Janukowitsch lehnt seinen Rücktritt ab und ist nach Charkov geflüchtet. Der Amtssitz des Präsidenten und seine Residenz Merschigorje wurden von Oppositionellen eingenommen.


Es könnte also schon bald zu Präsidentschaftswahlen in der Ukraine kommen.
Kandidaten?

- Victor Janukowitsch ... der besonders im östlichen und südlichen Bereich der Ukraine weiter ein hohes Ansehen genießt.
- Vitali Klitschko ... der die UDAR leitet und versuchte sich auf dem Maidan symbolträchtig in die Menge zu stellen ... aber dort - wie viele andere Politiker - eher ausgepfiffen wurde.
- Julia Timoschenko ... die aus der Haft entlassen wurde und zur nächsten Wahl antreten will.
- Petro Poroschenko ... ukrainischer Ogliarch, Besitzer des Großkonzerns Roshen und des liberalen TV-Privatsenders "TV5". Ehemals Fraktionsmitglied von "Unsere Ukraine". War Kabinettsmitglied sowohl bei Regierung von Timoschenko, als auch von Asarow (Partei der Regionen)
- Arsenij Jazenjuk ... Fraktionsführer der Batkiwschtschyna, der zweitgrößten Fraktion im ukrainischen Parlament und einer "der drei Oppositionsführer". Kandidierte 2010 bei der Präsidentschaftswahl und kam dabei auf knapp 7% der Stimmen.
- Oleg Tjagnibok ... Leiter der rechtsradikalen Partei Svoboda. Neben Klitschko und Jazenjuk einer der Oppositionsführer bei den Verhandlungen mit Janukowitsch. Aufgrund der der zahlreichen rechtradikalen Kräfte auf dem Maidan eine Person, die es nicht zu unterschätzen gilt ... auch wenn er bislang bei Umfragen oder vergangenen Präsidentschaftswahlen nicht allzu stark abschnitt.


Aussichten?

Bei Janukowitsch muss man abwarten, ob er überhaupt in der Ukraine verbleibt, oder ob er sein Geld in die Hand nimmt und in den Osten flieht (z.B. nach Russland).

Klitschkos Chancen sind eher gering ... sie wären besser gewesen, wenn das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht gescheitert wäre und die Proteste auf dem Maidan nicht entstanden wären. Klitschko hat versucht sich in den letzten drei Monaten zu profilieren ... aber er kommt bei dem Volk mäßig an ... was auch daran liegt, dass er besser russisch als ukrainisch spricht. Allerdings schnitt seine UDAR bei den vergangenen Parlamentswahlen im Osten recht stark ab ... hier könnte Klitschko punkten, wenn die Partei der Regionen keinen aussichtsreichen Kandidaten vorbringt.

Timoschenko ist eine Ikone. Sie ist nach ihrer Freilassung nach Kiew geflogen und spricht nun auf dem Maidan. Sie ist eine Symbolfigur und dementsprechend kleben die Leute auf dem Maidan ihr an den Lippen ... auch weil sie eine gute Rednerin ist. Zudem ist sie deutlich entschlossener als zum Beispiel Klitschko und Jazenjuk.
Natürlich ist sie nicht unumstritten ... gerade im Osten des Landes. Auch ist sie schon einmal gescheitert, als sie als Ministerpräsidentin unter dem pro-westlichen Präsidenten Juschtschenko stolperte.

Jazenjuk wird es sicherlich nicht werden. Er ist zwar schon lange ein Spitzenpolitiker in der Ukraine ... aber hat dort einfach nicht die Popularitätswerte wie Timoschenko etc.

Poroschenko traue ich einiges zu. Er unterstützt die Euromaidan-Bewegung, kann aber sowohl mit den eher "pro-westlichen", als auch den "pro-russischen" Lagern. Er war schon Mitglied in Fraktionen von der Partei der Regionen, als auch der Unsere Ukraine. Er war in Regierungen vom Timoschenko-Lager, als auch vom Janukowitsch/Asasrow-Lager. Und dank Berlosconi ist ja auch bekannt, dass ein eigener TV-Sender für Politiker durchaus praktisch sein kann.

Tjagnibok sehe ich eher als Außenseiter. Obgleich die Rechtsradikalen auf dem Maidan sehr präsent sind, wird es für sie nicht reichen, wenn in der Ukraine wieder etwas Ruhe eingekehrt ist. BJuT, UDAR und Svoboda haben zwar gegen Janukowitsch an einem Strang gezogen ... aber sie vertreten nicht die gleichen Ansichten und ihre Kandidaten würden sich im Wahlkampf unterschiedlich positionieren. Und dann haben die Nationalisten in der Ukraine, denke ich, doch nicht genug Zuspruch, um an die Macht zu kommen.
 
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Big d

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Ich fände Außenminister wäre ein guter Job für Vitali. Durch seine Verbindungen nach Europa und Sprachkenntnisse wäre er dafür prädestiniert.

An eine Präsidentschaft glaube ich eher nicht, ist halt die Frage ob er sich mit nem Ministerposten zufrieden geben würde, oder ob er dann ganz aufhört.
 
G

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Gott bewahre. Klitschko als als Außenminister. panik: Ich empfand es schon immer erstaunlich, wie viel Hype um den "Russen" in Deutschland gemacht wurde/wird. Timoschenko aus der Haft entlassen und via Privatjet nach Kiew. :crazy: Die Arme....hat nicht weniger Dreck am Stecken als beispielsweise ein Janukowitsch, wird aber von der EU vergöttert, weil EU freundlich. Hoffentlich "dreht" Putin nicht komplett am Rad, ansonsten steht die EU mit ein paar Milliarden bei Fuß. Schon geil, wie Merkel, Steinmeier & Co. eine demokratisch gewählte Regierung unterstützen, weil die Politik nicht ihren Vorstellungen entspricht. Klitschko als Marionette für die deutschen Bürger an vorderster Front hat auch etwas ganz spezielles. Am Ende landet der wirtschaftlich starke Teil der Ukraine bei Putin und der Rest bei den Idioten der EU. Geld haben wir ja ausreichend....

Marina Weisband mit einem netten Interview..."Klitschkos Rolle wird in Deutschland sehr überschätzt. Die Oppositionsparteien sind Teil des Euromaidans, aber nicht die Speerspitze. Klitschko wird als Figur kaum ernst genommen. Ich selbst habe niemanden getroffen, der von ihm begeistert war."

:laugh2::laugh2::laugh2: Quark, die deutsche Regierung hat ihn doch empfangen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/marina-weisband-ueber-maidan-und-protest-in-kiew-a-954479.html

P.S. Warum steht das Ding nicht im Non-Sports Bereich???
 

Tobi.G

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Die sieht gar nicht mal so schlecht aus für eine Politikerin, die Marina Weisband.
 

Big d

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Die Situation ist natürlich völlig unübersichtlich. Die linken Medien feiern natürlich solche revolutionen, weil es romantisch ist, wenn der "kleine Mann" von unten revolution macht.

Es ist ja auch gut, wenn der Bürger sich nicht alles gefallen lässt, aber ob es wirklich besser wird, weiß man nie. In arabien (lybien, ägyten...) hatte man ja auch hohe Hoffnungen. Erstmal herrscht dort Chaos und das werden auch weniger seriöse Kräfte auszunutzen versuchen.

Jetzt zu sagen "die opposition ist ja auch korrupt also ist die ganze Bewegung Blödsinn" halte ich aber auch für falsch. Timoschenko mag nicht die richtige sein, klitschko eventuell auch nicht, aber es gibt ein ernsthaftes interesse im Volk sich aus dem Klammergriff des russischen Diktators zu lösen. Nur weil die Umsetzung eventuell nicht stimmt bedeutet das nicht, dass die ganze Sache falsch ist.
 

Tobi.G

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Die Situation ist natürlich völlig unübersichtlich. Die linken Medien feiern natürlich solche revolutionen, weil es romantisch ist, wenn der "kleine Mann" von unten revolution macht.

Es ist ja auch gut, wenn der Bürger sich nicht alles gefallen lässt, aber ob es wirklich besser wird, weiß man nie. In arabien (lybien, ägyten...) hatte man ja auch hohe Hoffnungen. Erstmal herrscht dort Chaos und das werden auch weniger seriöse Kräfte auszunutzen versuchen.

Jetzt zu sagen "die opposition ist ja auch korrupt also ist die ganze Bewegung Blödsinn" halte ich aber auch für falsch. Timoschenko mag nicht die richtige sein, klitschko eventuell auch nicht, aber es gibt ein ernsthaftes interesse im Volk sich aus dem Klammergriff des russischen Diktators zu lösen. Nur weil die Umsetzung eventuell nicht stimmt bedeutet das nicht, dass die ganze Sache falsch ist.

Sehe ich auch so!
 
G

Gelöschtes Mitglied 141

Guest
jetzt zu sagen "die opposition ist ja auch korrupt also ist die ganze Bewegung Blödsinn" halte ich aber auch für falsch

Wer oder was ist denn die Opposition? Wer führt sie, was will sie und wie viele Splittergruppen gibt es. Wie seriös die Opposition haben wir alle miterlebt. Erst wird ein Vertrag unterschrieben, einen Tag später ist er nix mehr wert.

Timoschenko mag nicht die richtige sein, klitschko eventuell auch nicht, aber es gibt ein ernsthaftes interesse im Volk sich aus dem Klammergriff des russischen Diktators zu lösen. Nur weil die Umsetzung eventuell nicht stimmt bedeutet das nicht, dass die ganze Sache falsch ist.

Die Ukraine kann sich gern von Russland lösen, wenn sie alle Konsequenzen trägt. In erster Linie werden "wir" am Ende die Zeche zahlen, weil wie EU Milliarden über Milliarden reinbuttern wird. Die Ukraine hat als Gas-Transitland für Russland-Europa zwar noch Bedeutung, aber Gott sei Dank schwindet diese Bedeutung Jahr für Jahr mehr. Im Endeffekt geht es der EU nur darum, die Ukraine für sich zu gewinnen. Nicht umsonst machen die Außenminister einen auf dicke Hose. Putin denkt nicht anders und schließt den Tresor und am Ende dreht er wieder das Gas zu. Irgendwie wirkt die Ukraine wie ein Spielball zwischen Russland und er EU. Wir haben mittlerweile genug Schrott in der EU, da kann ich auf die Ukraine gerne verzichten.
 

Big d

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Ist denn das Bestreben der EU sich auszudehnen so schlimm? Ich denke das Endziel der EU ist schon ganz Europa zum EU Gebiet zu machen. Natürlich gibt es Bedenken, dass wir am Ende wieder zahlen müssen, aber das Ziel geeintes Europa hat ja nicht nur Wirtschaftliche Bedeutung.

Ob jetzt, wo ganz südeuropa am Tropf hängt der richtige Zeitpunkt dafür ist sei mal dahingestellt, aber ich denke langfristig sollte es schon das Ziel der EU sein.
 
G

Gelöschtes Mitglied 141

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Nö. Ich sehe keinen einzigen Grund warum die Ukraine in die EU aufgenommen werden soll. Nur weil sie in Europa liegt, gibt es keinen Anlass dort Milliarden zu versenken.
 
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LeZ

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Die Ukraine kann sich gern von Russland lösen, wenn sie alle Konsequenzen trägt.

Im Ernst ? Ehrlich jetzt ? Du wirst keine Guerillatruppen in Marsch setzen, oder Klitschko ne Runde Asbest ins Glas schütten lassen ? Das hätte ich jetzt nicht erwartet, Respekt. Man muss halt auch mal an das Gute im Menschen glauben.


Ich halte von dem ganzen Vorgang auch nichts, Molotov-Cocktails auf Polizei, brennende Barrikaden, "Sturm" auf Gebäude. Aber wenn der Sohn von Janukowitsch ohne erkennbaren Geschäftsgrund plötzlich einer der reichsten Männer des Landes ist, Leute verschwinden, tot oder ohne Ohren wieder auftauchen, und keiner weiss wer in der Regierung eigentlich das Zepter schwingt, die ehemalige Regierungschefin wegen "Hochverrats" im Knast sitzt weil sie angeblich zuviel für's Gas an Russland zahlt, dann erscheint mir das auch nicht gerade "demokratisch". Der Arbeitskollege einer Freundin von mir und dessen Onkel sind übrigens vorgestern auf dem Maidan erschossen worden.
 

desl

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Marina Weisband mit einem netten Interview..."Klitschkos Rolle wird in Deutschland sehr überschätzt. Die Oppositionsparteien sind Teil des Euromaidans, aber nicht die Speerspitze. Klitschko wird als Figur kaum ernst genommen. Ich selbst habe niemanden getroffen, der von ihm begeistert war."

:laugh2::laugh2::laugh2: Quark, die deutsche Regierung hat ihn doch empfangen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/marina-weisband-ueber-maidan-und-protest-in-kiew-a-954479.html

Obgleich Weisband die Chancen von Klitschko zwar nicht besonders stark einschätzt, scheint er dennoch ihre Präferenz zu sein.


SPIEGEL ONLINE: Timoschenko scheint an die Macht zurückzuwollen.

Weisband: Ja, viele rechnen hier damit, dass sie Präsidentin wird. Das ist nicht die allerschlimmste Variante. Mein Favorit wäre allerdings: Vitali Klitschko als Präsident, auch wenn ich seine Zusammenarbeit mit der nationalistischen Swoboda-Partei ablehne.

SPIEGEL ONLINE: Vor ein paar Tagen sagten Sie noch, kaum jemand nehme Klitschko ernst.

Weisband: Er ist als Politiker nicht beliebt. Das hat sich bestätigt, als er ausgebuht wurde und den Maidan verlassen hat, weil er Janukowitsch die Hand geschüttelt hatte. Er ist auch nicht charismatisch. Trotzdem ist er für mich verlässlich, weil er die Ukraine nach Europa führen könnte, und das Amt des Präsidenten sollte ja eigentlich ein repräsentatives Amt sein.

http://www.spiegel.de/politik/ausla...em-maidan-viele-sind-frustriert-a-955163.html
 

Roberts

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Timoschenko mag nicht die richtige sein, klitschko eventuell auch nicht, aber es gibt ein ernsthaftes interesse im Volk sich aus dem Klammergriff des russischen Diktators zu lösen.

Man sollte nicht den Fehler machen, den geäußerten Willen von Teilen der Bevölkerung in den westlichen Teilen der Ukraine zum Interesse/Wille des gesamten Volkes zu machen. Das Volk ist in diesem Fall eine sehr inhomogene Masse. Im Osten der Ukraine sehen viele keinen russischen Diktator sondern einen Garanten für ein einigermaßen brauchbares Auskommen. Die EU wirkt da eher unfähig.

Gott bewahre. Klitschko als als Außenminister. panik: Ich empfand es schon immer erstaunlich, wie viel Hype um den "Russen" in Deutschland gemacht wurde/wird. Timoschenko aus der Haft entlassen und via Privatjet nach Kiew. :crazy: Die Arme....hat nicht weniger Dreck am Stecken als beispielsweise ein Janukowitsch, wird aber von der EU vergöttert, weil EU freundlich.

Timoschenko wird nirgendwo in der EU vergöttert. Man sieht die Dame eher kritisch bis sehr kritisch. Als Ministerpräsidentin hat sie versagt, Vetternwirtschaft und Korruption blieben unter Ihrer Leitung nicht bestehen. Die EU hat sich für Timoschenko eingesetzt, weil der Prozess gegen sie rechtsstaatlichen Standards nicht entsprach und Ihre Haftbedingungen mit klaren Menschenrechtsverletzungen einher ging.

Vitali Klitschko ist kurzfristig klarer Verlierer der Entwicklung der letzten Woche. Als Politiker hat er kein Format bewiesen. Er beherrscht die Ukrainische Sprache schlecht, er besitzt kein Charisma, kann nicht reden und war in den Verhandlungen mit Janukowitsch glücklos. Bei den großen Gesten hat er komplett versagt. Sein mitverhandelter Kompromiss wurde durch die reale Entwicklung zum Flop. Klitschko steht u.a. der CDU nah und ist über diese in die EU vernetzt, mehr nicht.

Timoschenko wird einen Märtyrer-Bonus ausspielen. Damit ist aber immer noch nicht gesagt, dass sie die Wahlen gewinnt. Im Osten haben es die bisherigen Oppositionskräfte ganz schwer. Diese Oppositionskräfte des Westens der Ukraine sind darüber hinaus ein bunter Haufen mit unterschiedlichen poltischen Interessen und Zielen.

Sicherlich nicht repräsentativ, aber wahrscheinlich wegweisend für die westliche Ukraine: http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-gespraeche-mit-den-siegern-vom-maidan-a-955205.html
 
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desl

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Man sollte nicht den Fehler machen, den geäußerten Willen von teilen de rBevölkerung in den westlichen Teilen der Ukraine als Interesse/Wille des gesamten Volkes zu machen.
Der Maidan ist gewissermaßen die Stimme der Protestbewegung gegen Janukowitsch ... aber er wird nicht über die künftige Regierung bestimmen.
Timoschenko hat in ihrer Rede schön geäußert, dass die Demonstranten auf dem Maidan ausharren sollen, bis sie die Regierung haben, die sie haben wollen. Das ist natürlich ein Spiel mit dem Feuer. Einerseits wirbt sie damit für sich als potentielle Kandidatin ... andererseits wirbt sie damit aber auch für andere Kandidaten, weil sie selbst nicht unumstritten ist.

Auch wenn sich aus dem "rechten Sektor" vom Maidan eine Stimme erhebt und zum Präsidentschaftskandidat wird ... er wird Schwierigkeiten haben landesweit für Zuspruch zu sorgen.

Das Volk ist in diesem Fall eine sehr inhomogene Masse. Im Osten der Ukraine sehen viele keinen russischen Diktator sondern einen Garanten für ein einigermaßen brauchbares Auskommen. Die EU wirkt da eher unfähig.
Fraglich ist, wer denn als "östlicher Kandidat" sich zur Wahl stellen wird.
Janukowitsch wird es wahrscheinlich nicht werden, sein Rückhalt scheint nicht mehr auszureichend. Selbst wenn er demokratisch wiedergewählt werden würde, so würden die Proteste gegen ihn nicht aufhören.
Allerdings sind Wahlen in der Ukraine nicht unbedingt Personenwahlen. Natürlich gibt es mehr (Timoschenko) oder weniger (Klitschko) charismatische Politiker ... aber es ließ sich doch auch bei den vergangenen Wahlen in der Ukraine beobachten, dass die Kandidaten stark sind, deren Parteien in der Phase in der Ukraine einen erhöhten Zuspruch haben.
So ist Juschtschenko genauso abgestürzt wie seine Partei "Unsere Ukraine". So hätte sich vor ein paar Monaten selbst der mäßig populäre Jazenjuk Hoffnungen gegen Janukowitsch für 2015 machen können.

Die "Partei der Regionen" hat sich von Janukowitsch abgewandt und versucht mehr oder weniger von sich selbst noch zu retten, was zu retten ist. Diverse Abgeordnete haben die Fraktion in der Werchowna Rada verlassen und sind nun fraktionslose Abgeordnete. Seit dem 31. Dezember ist die ehemalig regierende Fraktion um mehr als 70 Abgeordnete geschrumpft.
http://en.wikipedia.org/wiki/Verkhovna_Rada#Composition

Nichtsdestotrotz wird die Partei der Regionen im Osten der Ukraine weiter den größten Zuspruch haben ... und das wird auch für den Kandidaten gelten, den sie unterstützen wird.
Das könnte z.B. Mykola Asarow sein oder auch der Unternehmer Serhij Tihipko.

Vitali Klitschko ist kurzfristig klarer Verlierer der Entwicklung der letzten Woche. Als Politiker hat er kein Format bewiesen. Er beherrscht die Ukrainische Sprache schlecht, er besitzt kein Charisma, kann nicht reden und war in den Verhandlungen mit Janukowitsch glücklos. Bei den großen Gesten hat er komplett versagt. Sein mitverhandelter Kompromiss wurde durch die reale Entwicklung zum Flop. Klitschko steht u.a. der CDU nah und ist über diese in die EU vernetzt, mehr nicht.

Dass Klitschko kein "richtiger" Politiker ist kann für ihn gleichsam ein Nachteil, als auch ein Vorteil sein. Das Volk in der Ukraine ist dem politischen Stillstand im Land überdrüssig. Sind Präsident und Ministerpräsident aus verschiedenen Lagern, so arbeiten sie gegeneinander. Auch Timoschenko und Juschtschenko arbeiteten gegeneinander. Sind beide aus dem pro-russischem Lager so gelten sie als dem Kreml hörig.
Die Leute in der Ukraine haben genug von ihren alten Politikern, die sie für korrupt halten ... das gilt nunmal auch für Timoschenko, die ja auch keine weiße Weste anhat.
Dementsprechend steigen die Chancen für Klitschko ... der zwar nicht als richtiger Politiker gilt, aber vielleicht als etwas "neues" als etwas "anderes" ... als jemand, der nicht nur den Kampf gegen die Korruption ankündigt, sondern diesen vielleicht sogar tatsächlich angeht.

Timoschenko wird einen Märtyrer-Bonus ausspielen. Damit ist aber immer noch nicht gesagt, dass sie die Wahlen gewinnt. Im Osten haben es die bisherigen Oppositionskräfte ganz schwer. Diese Oppositionskräfte des Westens der Ukraine sind darüber hinaus ein bunter Haufen mit unterschiedlichen poltischen Interessen und Zielen.
Timoschenko ist im Osten stigmatisiert. Ihr wird dort wenig Vertrauen geschenkt. Im Osten wird auch nicht jeder der Meinung sein, dass ihre Haftentlassung korrekt war ... so wie es die meisten Stimmen auf dem Maidan sehen mögen.
Klitschko darf man im Osten nicht unterschätzen. Bei den Parlamentswahlen schnitt die UDAR auch in weiten Teilen des Ostens verhältnismäßig stark ab ... für eine liberale und eher euro-nahe Partei.
In vielen (süd)östlichen Regionen, sowie in Kiev, konnte UDAR fast so viele Stimmen holen wie die im Westen deutlich stärkere Batkiwschtschyna.

Obgleich Klitschkos Ziel eine Annäherung an die EU sein mag, kann sich doch das Kuriosum ergeben, dass er im Duell gegen Timoschenko gerade im Osten wird punkten können.

Aber wie auch immer ... es gibt halt auch andere starke Kandidaten.
Den Kandidaten der Partei der Regionen ... wer auch immer das sein mag.
Proschenko der Ogliarch, der auch Politik erfahren ist und unabhängiger wirkt.
Jemand aus dem rechten Lager ... ob nun jemand vom rechten Sektor oder Tjagnibok.


Und so darf man auch die Rolle anderer Staaten bei den Präsidentschaftswahlen nicht unterschätzen.
Die Ukraine steht am Rande eines Staatsbankrottes und ist auf Geld von außerhalb angewiesen, bevor man wieder auf eigene Beine kommt.
Russland hat den Geldhahn erstmal zugedreht. Der Sturz von Janukowitsch ist auch für Putin eine Schmach. Der konnte selbst beim Dreifachtriumph der russischen Langläufer nur müde klatschen, während anderswo sein Einfluss bröckelt. Das russische Gegenmodell zur EU, eine wirtschaftspolitische eurasische Union ... die wird ohne die Ukraine deutlich schwerer vorstellbar.
Großbritannien und die USA stellen finanzielle Hilfe in Aussicht. Auch die EU überlegt vorsichtig, was man macht. Eine Ukraine als Teil der EU, die vielleicht einen Aufschwung erlebt wie Nachbarland Polen? Das hätte die EU gerne und das Potential ist durchaus vorhanden.


Letztlich überlegen die Bürger dann zwei Mal, mit welchem System es ihnen am Ende besser geht.
Die Bindung zu Russland, die zwar irgendwo finanziell verlässlich ist (mit Staatskrediten und günstigem Gas)?
Die Annäherung zur EU, die aber auch erst aktiv wurde, als Blut auf dem Maidan geflossen ist?

Timoschenko hat in dieser Hinsicht durchaus Chancen ... schließlich hat sie schon ihre Erfahrungen mit Russland, als auch mit der EU. Aber sie war auch schon 2 Mal mit mäßigem Erfolg Ministerpräsidentin.
Klitschko ist im Osten des Landes und auch in Russland als Sportler populär. Allerdings werden nicht viele ihm Zutrauen, dass er mit Spitzenpolitikern Verhandlungen auf Augenhöhe führen kann.
Poroschenko sucht die Annäherung zur EU zur Reformierung und Modernisierung der Ukraine ... er würde die Ukraine aber nicht von Russland abschotten, wenn diese Kredite oder günstiges Gas anbietet. http://www.spiegel.de/politik/ausla...barungen-der-ukraine-mit-moskau-a-939797.html
 
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LeZ

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Wenn ich die Facebook-Äusserungen meiner Freunde richtig deute, dann ist Timoshenko bei den russischsprachigen Leuten extremst unbeliebt. Und das sind eher nette, normale Leute. Klitschko hat mich enttäuscht, ich habe aber zu wenig Informationen was da wirklich gelaufen ist, um den Stab über ihn zu brechen. Clever war es jedenfalls nicht, die normalen Leute noch weiter in die Front auf dem Maidan zu treiben als steineschmeissende Brandschatzer das Kommando schon übernommen hatten. Das nehme ich ihm extrem übel.

Was das "Klitschko kann kein Ukrainisch" angeht, meine Freunde von da sprechen auch Russisch, und sagen dass sich das nur in der Aussprache und typischen Worten unterscheidet. Quasi wie Hochdeutsch und Bayrisch oder Schwäbisch. Der ganze Osten und Süden spricht auch kein Ukrainisch, da wird es kein Nachteil sein wenn einer die gleiche Sprache spricht. Die Leute über 40 sagen mir sowieso, sie sind nicht Ukrainer sondern sind in der UdSSR geboren und denken auch noch so, auch wenn es die nicht mehr gibt.

Wichtig ist, dass es jetzt nicht nach dem Motto weitergeht "Same sh*t, different a$$hole". Das Wohl und Wehe der Ukrainer wird nicht davon abhängen ob man mehr mit der EU oder mit Russland handelt, man wird beides müssen um wirtschaftlich zu überleben. Wichtig ist das Ende von Repression, Vetternwirtschaft, Korruption, Ausbeutung und Bereicherung.
 

LeZ

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Die wurden oben ja schon zitiert. Ging darum "Klitschko hat keine Chance weil er kein Ukrainisch kann", oder dass Frau Weisband von der Piratenpartei jetzt offiziell das ukranische Volk in seiner Gesamtheit vertritt und den Präsidenten auswählt, weil sie ja aus Kiev kommt. Ich werde meine Bekannten mal fragen was sie zu Klitschko meinen und wie er bei "ihnen" ankommt, allerdings sind die gerade extrem angefressen von den Vorgängen. Klitschko wurde bis jetzt von denen nicht mal erwähnt, Timoshenko kommt nicht so gut weg und wurde mehrfach mit ätzenden Beiträgen bedacht.
 

012345679

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Klitschko hat genug Charisma, um das Zepter zu übernehmen. Ein bisschen kann er noch dazulernen, wenn er sich einen Rhetorikkurs nimmt. Klitschko kann vor allem die "ich habe glänzende Kontakte in die Welt und werde sie für euch nutzen"-Karte ausspielen. Außerdem kann er immer darauf verweisen, dass die Blondine auch gewaltig Dreck am Stecken hat. Das sind ordentliche Voraussetzungen. Er braucht eine (auch emotional!) verständliche Strategie, die er dem Volk präsentiert und ein paar gute Argumente gg. diverse Kritiken (mit Janu Hände geschüttelt, nicht auf dem Maidan als es heiß wurde), aber das wird nicht schwer - und er kann locker 50 Mio. in den Wahlkampf stecken, was andere nicht können. Advantage: Klitschko.
 

LeZ

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Timoschenko kann und wird diese Wahl nicht gewinnen, die wird von einem Teil der Bevölkerung ziemlich ekelig gesehen. Klitschko, keine Ahnung wie tatsächlich die Mehrheit ihn sieht, wie bekannt er ist, was man über ihn denkt. Er hat absolut nichts mit der alten Politkaste zu tun, das ist ein Vorteil für ihn. Es wird darauf ankommen wie man ihn jetzt während der Proteste gesehen hat, und ob er noch was an Ansehen gewinnen kann mit dem was er jetzt sagt - und wie darüber berichtet wird. Die echten Schwergewichte sind nämlich die Milliardäre, davon gibt es ne ganze Hand voll, da ist Klitschko ein kleines Licht gegen. Und ein paar davon haben ihre eigenen Fernsehsender, bzw. kontrollieren sie. Je nachdem wie die ihre Berichte schneiden können die Klitschko als Held hinstellen, oder als Idiot.
 

desl

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und er kann locker 50 Mio. in den Wahlkampf stecken, was andere nicht können. Advantage: Klitschko.

Wo soll er das Geld hernehmen? Klitschkos Vermögen wird auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt ... er wird da keine astronomischen Summen herzaubern können.

Da haben es Timoschenko (dreistellige Millionärin) und Poroschenko (Milliardär) einfacher ordentlich Geld aufzutreiben.


Auf dem Maidan wurden Forderungen laut, dass die 100 reichsten Ukrainer nicht Teil einer neuen Regierung werden sollen und ebensowenig um das Amt des Präsidenten kandidieren sollen.

Das kommt dem Oligarchen Poroschenko natürlich nicht entgegen ... Timoschenko gehört vielleicht auch zu den 100 reichsten des Landes, Klitschko vermutlich nicht. Auch nicht Jazenjuk, der sich ebenfalls Hoffnungen auf das Präsidentenamt machte (und im Januar noch Janukowitsch' Angebot ablehnt, Ministerpräsident zu werden) ... nun aber steht Jazenjuk wieder im Schatten von Timoschenko und schob ihren Rollstuhl eher mäßig glücklich auf die Bühne auf dem Maidan.
 
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