Oh, das beliebte PER-Bashing. Mal eine andere, gewohnt technisch orientierte Perspektive: McLaren und Ferrari sind soweit vorn, weil sie die stabilste Plattform dieses Jahr haben. Das würde auch VER garantiert so unterschreiben. Schauen wir uns mal die Entwicklung der Boliden über die Saison hinweg an:
McLaren: Es ist ein bisschen ein Märchen, dass sie nicht gut angefangen hätten, aber von der Bolidenperformance her war McL eigentlch schon seit Beginn der Saison vorn dabei, mit einigen Ausreißern nach unten. Ursächlich für ihren Sprung ab Miami ist eher mehr, dass der neue Windkanal in Sachen Korrelation sehr behutsam genutzt wurde und man daher vorsichtig mit der Entwicklung des Auftakt-Pakets war. Erst ab Miami brachte man das, was man eigentlich schon von Anfang an bringen wollte. Über den Saisonverlauf hat sich dann wenig an der Gesamtperformance geändert. Der McL ist überall schnell, hat wenig bis gar kein Bouncing und ist leicht abzustimmen. Rein technisch ist er das, was dem dominanten RB18 am Nähesten kommt. Zuletzt hatte man mit der einen oder anderen Problematik zu kämpfen, wohl weil die FIA allgemein etwas näher hinschaute oder weil man dann doch etwas zu aggressiv wurde (Heckflügel).
Ferrari: Die SF begann eigentlich auch gut und war ebenso verlässlich wie McL. Aber, in Barcelona brachte man einen aggressiven Unterboden, der zwar Performance bot, aber zu massivem Bouncing führte und Ferrari daher zeitweise verlangsamte. Erst mit Updates um Ungarn herum bekam man das wieder in den Griff und war in der Folge sehr, sehr vorsichtig bei weiteren Updates, dafür aber im späteren Saisonverlauf auch sehr gut. Der Ferrari ist fast überall gut, geht sehr gut mit den Reifen um und brilliert daher insbesondere dort, wo die Pneus ganz besonders wichtig sind. Als Schwäche des Ferraris würde ich eher den Motor sehen, der einfach nicht die Rekuperation von Mercedes und Honda liefert. In Summe ist man außer mit dem besagten Formtief aber sehr, sehr stabil.
Red Bull: Der RB20 ist ein ganz anderer Bolide als der RB19. Ich hatte darüber ja auch mal einen längeren Post verfasst. Im Versuch, eine noch stabilere Plattform zu finden, ging man noch härter und noch mehr Richtung Drag (die Cannons lassen grüßen). Das ist solange super, solange man auf eine Runde am schnellsten ist und vorne weg fahren konnte, wie es VER am Anfang der Saison konnte. Natürlich hat dann ein PER Probleme (kein guter Qualifyer und sowie nicht gerade jemand, der mit schwierigen Boliden kann). Spätestens als McL aber aufdrehte, stand ein gleich schneller, sehr einfach zu fahrender Bolide (McL) gegen einen ziemlich schwierig zu fahrenden (RB). Kein Wunder, dass man dann das eine oder andere Duell verlor. Hinzu kommt, dass die Drag-Queen RB20 an sich nicht nur schwierig zu fahren ist, sondern auch noch schlechter mit den Reifen umgeht als Ferrari (und McL). Übrigens, auch der RB19 war schon schwierig zu fahren. Aber er war halt 0,5-1 Sekunde(n) schneller als der Rest. Irgendwo zwischen RB19 und RB20 hat man sich dann doch etwas verzockt. Es war einfach nicht so viel mehr Performance zu holen, dass das Mehr an Drag gerechtfertigt werden konnte; deswegen auch das Rückrudern beim Bodywork und der sehr, sehr kreative Heckflügel.
Mercedes: Von der Drag-Queen zur Diva. Das Problem ist seit jeher gut bekannt, der Merc ist siegfähig an einem Tag, um am nächsten Tag völlig zurückzufallen. Wenn wer eine Antwort hat, warum man z.B. in Silverstone, Spa oder Vegas fast schon dominiert, aber in z.B. Suzuka und Austin böse fumbled, der kann bei Mercedes sicher reich werden. Zuweilen wird spekuliert, es hat mit dem Windkanal zu tun und wie er eingesetzt wird. Wie dem auch sei, in der Folge ist der Mercedes einfach unberechenbar, frisst seine Reifen oder lässt sie völlig kalt, bounced mal hier, bounced mal nicht oder schafft es wie auf Schienen zu fahren, um dann später gleichzeitig zu untersteuern und dann zu übersteuern. Ach ja, Merc hat die extrem unglückliche Tendenz, meistens am Freitag ganz gut zu sein und dann keine Fortschritte mehr zu machen, was in Parc Fermé-Zeiten extrem nervig ist.
Insgesamt ist die Diskussion um den drittbesten Boliden technisch einfach zu beantworten: Von dieser Perspektive her ist RB klar dritte Kraft. Das ist kein Fakt, aber ziemlich offensichtlich.

Sie sind jedoch nur deswegen nicht vierte Kraft, weil die Diva von Merc einfach noch seltsamer ist. Das nenne ich nicht gerade ein gutes Zeichen.