LAOLA1: Lernt man in dieser Zeit, geduldig zu sein?
Tschofenig: Ja, schon. Was ich relativ gut gemacht habe, ist, mir ein Ziel zu setzen. Ich habe mich verletzt und relativ schnell gewusst, dass ich zu dem und dem Zeitpunkt wieder zurück auf die Schanze gehen will, was geholfen hat. Es ist nicht ganz so leicht, ich wurde aus meinem normalen Tagesschema rausgerissen, schaute den Kollegen auf der Schanze zu, wie sie trainieren und springen. Ich selbst sitze daheim und merke, es geht nicht bzw. ich kann nichts machen - das hat mich gestresst. Ich habe mich allerdings sehr schnell damit abgefunden, wusste, es ist jetzt so und ich kann nichts ändern. Ich kann stattdessen das Beste daraus machen und so stark wie möglich aus der Verletzung wieder zurückkommen. Der Blick nach vorne hat mir geholfen.
LAOLA1: Viele fragen sich, was dein Schlüssel zum Erfolg nun genau ist. War es insgeheim die Verletzung, weil du dir selbst den Druck nehmen konntest?
Tschofenig: Sagen wir es so, es hat definitiv nicht geschadet. Ich hatte durch die Verletzung eine andere Herangehensweise, mein Team und ich hatten extrem wenig Zeit. Ich bin erst Ende August zum ersten Mal wieder gesprungen und habe im Oktober nochmal eine dreiwöchige Sprungpause eingelegt. Deswegen wussten wir, dass wir heuer wenig Zeit haben, um etwas zu verbessern und hatten eine andere Strategie. Wir haben beim Material nur Kleinigkeiten getestet, die gut funktioniert haben. Wir haben geschaut, dass wir die Dinge, die sprungtechnisch vorhanden sind, effizient gestalten und ein Thema nach dem anderen angehen. Wir sind zuerst den Absprung angegangen, dann die Flugphase und kurz vor dem Weltcupstart haben wir die einzelnen Puzzleteile zusammengesteckt. Ich wusste, es passt noch nicht jedes Teil perfekt zusammen, aber es funktioniert schon und wenn es soweit ist, dann kann es richtig cool werden. Das hat mir viel Druck genommen und vielleicht war es auch diese Herangehensweise, die mich heuer so stark gemacht.
LAOLA1: Dein Sprungstil unterscheidet sich doch deutlich von jenem von Jan Hörl und
Stefan Kraft. Während deine beiden Teamkollegen eher flach und mit hoher Geschwindigkeit über den Hang segeln, hast du eine höhere Flugkurve und büßt vielleicht etwas Geschwindigkeit ein, bist aber genauso erfolgreich. Wie entwickelt sich so ein Sprungstil?
Tschofenig: Es hat etwas damit zu tun, wie man als Kind angefangen hat. Den Sprungstil in unserem Alter gravierend umzustellen, ist extrem schwierig. Ich könnte nie so springen wie Jan oder 'Krafti', und die beiden vermutlich nicht so wie ich. Ich kann es heuer das erste Mal richtig gut umsetzen, dass ich die Flughöhe mitnehme, aber gleichzeitig nicht mehr so viel Speed verliere. Das war sonst immer ein Problem, vor allem auf größeren Schanzen.
LAOLA1: Hast du früher einmal einen anderen Sprungstil ausprobiert?
Tschofenig: Ja, aber immer wenn ich es versucht habe, habe ich gemerkt, dass es nicht zu mir passt. Ich nehme keine Höhe mehr mit und fliege auch nicht so gut wie die anderen, die es schon gewohnt sind, so flach zu sein.
LAOLA1: Hast du mit deinem Sprungstil den Vorteil, dass dieser weniger anfällig für den Wind ist?
Tschofenig: Ja, das ist schon ein großer Vorteil. Mehr Höhe schadet nie, deswegen ist es der etwas sicherere und stabilere Sprung, würde ich behaupten. Wenn etwas mehr Rückenwind ist, tue ich mir leichter damit umzugehen.
LAOLA1: Cheftrainer Andreas Widhölzl meinte während der Vierschanzentournee, dass du die stabilste Grundtechnik hättest und jeder Sprung von dir gleich aussehe. Fühlt sich jeder Sprung auch gleich an?
Tschofenig: Nein, absolut nicht. Die Sprünge schauen oft gleich aus, deshalb ist die Konstanz auch da. Für die Analyse ist das aber gar kein Vorteil. Wenn man einen großen Fehler sieht, tut man sich leichter zu verstehen, warum der eine Sprung funktioniert und der andere nicht. Wenn der Sprung wirklich ganz anders aussieht, funktioniert er auch nicht so gut.