Benjamin
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Eine kleine Geschichte der Skiflug-Weltmeisterschaften in Vikersund
Skiflug-WM 1977
Auch wenn es heute etwas erstaunlich klingt: Vikersund gehörte längere Zeit eher zu den kleineren Skiflugschanzen. Das macht ein Blick auf die Ergebnislisten der ersten Skiflug-WM in Vikersund aus, die im Jahr 1977 ausgetragen wurde. Vikersund war damals der vierte Ort, an dem eine Skiflug-WM stattfand.
Der Wettkampfmodus in der damaligen Zeit unterschied sich deutlich vom heutigen; damals wurden an drei aufeinander folgenden Tagen jeweils drei Sprünge durchgeführt, von denen allerdings nur der beste Sprung des Tages in die Gesamtwertung einfloss. Am ersten Tag zeigte Toni Innauer mit 145 m die beste Leistung. Am zweiten Tag war Harald Duschek mit 147 m der Beste. Am dritten Tag gelangen schließlich Walter Steiner 151 m, und so konnte er sich in der Gesamtwertung vor Toni Innauer und Henry Glaß durchsetzen und seine zweite Einzelgoldmedaille im Skifliegen holen - etwas, was bis heute nur noch Sven Hannawald und Roar Ljøkelsøy geschafft haben.
Zur Einordnung: Der Weltrekord lag auch damals schon bei 176 m, geflogen im Jahr zuvor von Toni Innauer in Oberstdorf.
Skiflug-WM 1990
Im Jahre 1990 fand zum zweiten Mal eine Skiflug-WM in Norwegen statt. Es war die letzte Skiflug-WM, bei der der Sieger noch im Parallel-Stil sprang. Mittlerweile hatte man den Modus geändert: Nur noch zwei Wettkampftage sollte es geben - aber von denen fiel dann einer auch noch wetterbedingt aus. Somit wurden an einem Tag drei Sprünge durchgeführt, von denen dann die besten beiden zählten.
Den Sieg holte sich in diesem Jahr Dieter Thoma. Silber ging an Matti Nykänen, für den das die letzte internationale Medaille war. Bronze erkämpfte sich Jens Weißflog, der ohne Streichresultat wohl vor den anderen beiden gelandet wäre (aber möglicherweise hinter Andreas Felder, der nur vierter wurde). Mit dabei war übrigens auch ein gewisser Noriaki Kasai, für den es der erste Auftritt bei einer Skiflug-WM war. Zwei Jahre später sollte er bereits Skiflug-Weltmeister werden.
Ein größerer Teil des Wettkampfs ist auf mehrere Videos verteilt auf Youtube zu sehen.
Zitat daraus (etwa ab 1:40):
"Diese [die Anlaufgeschwindigkeit] darf nicht mehr schneller als 110 km/h sein, und man glaubt, auf diese Art und Weise selbst auf den ganz großen Schanzen wie Planica und Oberstdorf auch der Weitenjagd ein Ende gesetzt zu haben. Es kann wohl mit einer Anlaufgeschwindigkeit von unter 110 km/h normalerweise selbst bei günstiger Thermik kaum mehr als 185, 188 Meter gehen. Man sprach ja oftmals schon von den 200 Metern, aber da wäre wohl das Risiko dann für die Springer zu groß geworden, und es geht ja hier nicht um die Sensation, sondern es geht um den Sport."
Die weiteren Teile:
Teil 2 (mit Kasai ab 6:32):
Teil 3:
Teil 4:
Teil 5:
Teil 6:
Teil 7:
Skiflug-WM 2000
10 Jahre später hatte sich die Berichterstattung in den Medien komplett geändert. Waren um 1990 herum nur ausgewählte Wettkämpfe wie beispielsweise die Vierschanzentournee, Weltmeisterschaften (einschließlich der Skiflug-WM) und Olympische Spiele im deutschen Fersehen übertragen worden, so wurde inzwischen selbstverständlich jeder Weltcup übertragen. RTL hatte sich die Rechte gesichert und übertrug erstmals eine Skiflug-WM und drängte darauf, dass sie um jeden Preis durchgeführt wurde - zum Schaden des Sports...
Nachdem die 200-Meter-Marke auf den anderen vier Flugschanzen bereits in den 90er-Jahren geknackt worden war, fiel sie in Vikerund erst im Jahr 2000. Den weitesten Sprung des Wochenendes zeigte Sven Hannawald mit 214 m - und das sorgte fĂĽr Sorgenfalten bei der Jury:
Denn ein paar starke Springer standen noch oben, und damals gab es noch keine Gateregel, die es erlaubt hätte, den Anlauf während eines Durchgangs zu verkürzen und Bonuspunkte zu verteilen. So musste der Durchgang abgebrochen und neu gestartet werden. Weil später - wie schon am Vortag, als der Wettkampf bereits aus diesem Grund abgebrochen werden musste, der Wind einsetzte, konnte auch der neu gestartete Durchgang nicht mehr beendet werden. Gerade einmal vier Springer waren zu diesem Zeitpunkt noch oben.
So wurden dann am Montag drei Durchgänge (inzwischen ohne Streichresultat) durchgeführt - zu einem Termin, an dem kaum jemand zuschauen konnte. Es gewann Sven Hannawald vor Andreas Widhölzl und Janne Ahonen.
In letzter Zeit wird viel über das Material diskutiert; doch auch bei der Skiflug-WM 2000 war man bereits sehr innovativ gewesen. Die Deutschen waren es, die einen Ski ausgetüftelt hatten, bei dem die Taillierung nur auf den Bereich der Bindung beschränkt war und der somit fast überall gleich breit war, womit ein spürbarer Flächenzuwachs verbunden war. Sven Hannawald hat diese Goldmedaille auch deshalb geholt, weil er mit diesem neuen Ski am längsten trainieren konnte und daher auch am besten damit zurecht kam.
Erstmals zählte die Skiflug-WM nicht mehr zum Weltcup.
Skiflug-WM 2012
Schließlich war es aber so weit: Norwegen wollte sich auch an der Weitenjagd beteiligen. Die Schanze von Vikersund war zur größten Anlage der Welt umgebaut worden; im Jahr zuvor hatte Johann Remen Evensen hier mit 246,5 m einen neuen Weltrekord aufgestellt.
Doch auch in diesem Jahr hatte Vikersund mit dem Wind zu kämpfen. Am ersten Wettkampftag musste das Springen abgebrochen werden. Daraufhin wollte man am zweiten Tag drei Durchgänge durchführen, von denen dann aber doch nur zwei Durchgänge stattfanden.
Nach dem ersten Durchgang deutete sich ein enger Dreikampf zwischen dem Führenden Rune Velta, Martin Koch und Robert Kranjec an. Velta war damals im Prinzip ein noch recht unbekannter Überraschungsmann, während Koch und Kranjec seit Jahren als die Flieger schlechthin galten, ohne dass sie das jedoch bislang in einen großen Titel hätten ummünzen können. Koch war bereits 2008 Gregor Schlierenzauer in einem engen Kampf um den Titel unterlegen gewesen. Und dann begann das Drama. Robert Kranjec legte vor:
Martin Koch wollte kontern...
... und er stürzte! Ob es zum Sieg gereicht hätte, hängt davon ab, wie er denn gelandet wäre, wenn er den Sprung gestanden hätte. Mit denselben Noten wie Kranjec hätte ihm ein halber Punkt gefehlt. Mit den Noten von Fannemel aus dem ersten Durchgang (der da ähnlich weit gesprungen war), hätte es gereicht. Aber so war es eben Robert Kranjec, der seine Karriere krönen konnte, und nicht Martin Koch.
Im Teamwettkampf gewannen wie seinerzeit ĂĽblich die Ă–sterreicher - Deutschland holte sich Silber in der Besetzung Wank, Freitag, Mechler, Freund. Wer weiĂź, vielleicht sehen wir einen der vier ja auch in diesem Jahr wieder.
Skiflug-WM 1977
Auch wenn es heute etwas erstaunlich klingt: Vikersund gehörte längere Zeit eher zu den kleineren Skiflugschanzen. Das macht ein Blick auf die Ergebnislisten der ersten Skiflug-WM in Vikersund aus, die im Jahr 1977 ausgetragen wurde. Vikersund war damals der vierte Ort, an dem eine Skiflug-WM stattfand.
Der Wettkampfmodus in der damaligen Zeit unterschied sich deutlich vom heutigen; damals wurden an drei aufeinander folgenden Tagen jeweils drei Sprünge durchgeführt, von denen allerdings nur der beste Sprung des Tages in die Gesamtwertung einfloss. Am ersten Tag zeigte Toni Innauer mit 145 m die beste Leistung. Am zweiten Tag war Harald Duschek mit 147 m der Beste. Am dritten Tag gelangen schließlich Walter Steiner 151 m, und so konnte er sich in der Gesamtwertung vor Toni Innauer und Henry Glaß durchsetzen und seine zweite Einzelgoldmedaille im Skifliegen holen - etwas, was bis heute nur noch Sven Hannawald und Roar Ljøkelsøy geschafft haben.
Zur Einordnung: Der Weltrekord lag auch damals schon bei 176 m, geflogen im Jahr zuvor von Toni Innauer in Oberstdorf.
Skiflug-WM 1990
Im Jahre 1990 fand zum zweiten Mal eine Skiflug-WM in Norwegen statt. Es war die letzte Skiflug-WM, bei der der Sieger noch im Parallel-Stil sprang. Mittlerweile hatte man den Modus geändert: Nur noch zwei Wettkampftage sollte es geben - aber von denen fiel dann einer auch noch wetterbedingt aus. Somit wurden an einem Tag drei Sprünge durchgeführt, von denen dann die besten beiden zählten.
Den Sieg holte sich in diesem Jahr Dieter Thoma. Silber ging an Matti Nykänen, für den das die letzte internationale Medaille war. Bronze erkämpfte sich Jens Weißflog, der ohne Streichresultat wohl vor den anderen beiden gelandet wäre (aber möglicherweise hinter Andreas Felder, der nur vierter wurde). Mit dabei war übrigens auch ein gewisser Noriaki Kasai, für den es der erste Auftritt bei einer Skiflug-WM war. Zwei Jahre später sollte er bereits Skiflug-Weltmeister werden.
Ein größerer Teil des Wettkampfs ist auf mehrere Videos verteilt auf Youtube zu sehen.
Zitat daraus (etwa ab 1:40):
"Diese [die Anlaufgeschwindigkeit] darf nicht mehr schneller als 110 km/h sein, und man glaubt, auf diese Art und Weise selbst auf den ganz großen Schanzen wie Planica und Oberstdorf auch der Weitenjagd ein Ende gesetzt zu haben. Es kann wohl mit einer Anlaufgeschwindigkeit von unter 110 km/h normalerweise selbst bei günstiger Thermik kaum mehr als 185, 188 Meter gehen. Man sprach ja oftmals schon von den 200 Metern, aber da wäre wohl das Risiko dann für die Springer zu groß geworden, und es geht ja hier nicht um die Sensation, sondern es geht um den Sport."
Die weiteren Teile:
Teil 2 (mit Kasai ab 6:32):
Teil 3:
Teil 4:
Teil 5:
Teil 6:
Teil 7:
Skiflug-WM 2000
10 Jahre später hatte sich die Berichterstattung in den Medien komplett geändert. Waren um 1990 herum nur ausgewählte Wettkämpfe wie beispielsweise die Vierschanzentournee, Weltmeisterschaften (einschließlich der Skiflug-WM) und Olympische Spiele im deutschen Fersehen übertragen worden, so wurde inzwischen selbstverständlich jeder Weltcup übertragen. RTL hatte sich die Rechte gesichert und übertrug erstmals eine Skiflug-WM und drängte darauf, dass sie um jeden Preis durchgeführt wurde - zum Schaden des Sports...
Nachdem die 200-Meter-Marke auf den anderen vier Flugschanzen bereits in den 90er-Jahren geknackt worden war, fiel sie in Vikerund erst im Jahr 2000. Den weitesten Sprung des Wochenendes zeigte Sven Hannawald mit 214 m - und das sorgte fĂĽr Sorgenfalten bei der Jury:
Denn ein paar starke Springer standen noch oben, und damals gab es noch keine Gateregel, die es erlaubt hätte, den Anlauf während eines Durchgangs zu verkürzen und Bonuspunkte zu verteilen. So musste der Durchgang abgebrochen und neu gestartet werden. Weil später - wie schon am Vortag, als der Wettkampf bereits aus diesem Grund abgebrochen werden musste, der Wind einsetzte, konnte auch der neu gestartete Durchgang nicht mehr beendet werden. Gerade einmal vier Springer waren zu diesem Zeitpunkt noch oben.
So wurden dann am Montag drei Durchgänge (inzwischen ohne Streichresultat) durchgeführt - zu einem Termin, an dem kaum jemand zuschauen konnte. Es gewann Sven Hannawald vor Andreas Widhölzl und Janne Ahonen.
In letzter Zeit wird viel über das Material diskutiert; doch auch bei der Skiflug-WM 2000 war man bereits sehr innovativ gewesen. Die Deutschen waren es, die einen Ski ausgetüftelt hatten, bei dem die Taillierung nur auf den Bereich der Bindung beschränkt war und der somit fast überall gleich breit war, womit ein spürbarer Flächenzuwachs verbunden war. Sven Hannawald hat diese Goldmedaille auch deshalb geholt, weil er mit diesem neuen Ski am längsten trainieren konnte und daher auch am besten damit zurecht kam.
Erstmals zählte die Skiflug-WM nicht mehr zum Weltcup.
Skiflug-WM 2012
Schließlich war es aber so weit: Norwegen wollte sich auch an der Weitenjagd beteiligen. Die Schanze von Vikersund war zur größten Anlage der Welt umgebaut worden; im Jahr zuvor hatte Johann Remen Evensen hier mit 246,5 m einen neuen Weltrekord aufgestellt.
Doch auch in diesem Jahr hatte Vikersund mit dem Wind zu kämpfen. Am ersten Wettkampftag musste das Springen abgebrochen werden. Daraufhin wollte man am zweiten Tag drei Durchgänge durchführen, von denen dann aber doch nur zwei Durchgänge stattfanden.
Nach dem ersten Durchgang deutete sich ein enger Dreikampf zwischen dem Führenden Rune Velta, Martin Koch und Robert Kranjec an. Velta war damals im Prinzip ein noch recht unbekannter Überraschungsmann, während Koch und Kranjec seit Jahren als die Flieger schlechthin galten, ohne dass sie das jedoch bislang in einen großen Titel hätten ummünzen können. Koch war bereits 2008 Gregor Schlierenzauer in einem engen Kampf um den Titel unterlegen gewesen. Und dann begann das Drama. Robert Kranjec legte vor:
Martin Koch wollte kontern...
... und er stürzte! Ob es zum Sieg gereicht hätte, hängt davon ab, wie er denn gelandet wäre, wenn er den Sprung gestanden hätte. Mit denselben Noten wie Kranjec hätte ihm ein halber Punkt gefehlt. Mit den Noten von Fannemel aus dem ersten Durchgang (der da ähnlich weit gesprungen war), hätte es gereicht. Aber so war es eben Robert Kranjec, der seine Karriere krönen konnte, und nicht Martin Koch.
Im Teamwettkampf gewannen wie seinerzeit ĂĽblich die Ă–sterreicher - Deutschland holte sich Silber in der Besetzung Wank, Freitag, Mechler, Freund. Wer weiĂź, vielleicht sehen wir einen der vier ja auch in diesem Jahr wieder.