Danke für das Lob, wwi24 und bigdog.
Die letzten/besten drei Filme nun ein wenig ausführlicher.
Die Top Drei
03. 25th Hour (2002) http://www.imdb.com/title/tt0307901/ Imdb Rating: 7,9 / Rotten Tomatoes: 78%
Ein Haufen Leute, die ich sehr schätze, haben an diesem besonderen Film mitgearbeitet. Von Regisseur Spike Lee, über Drehbuchautor David Benioff (momentan für „Game of Thrones“ verantwortlich) bis hin zu großartigen Schauspielern wie Edward Norton, Barry Pepper, Philip Seymour-Hoffman und Brian Cox.
In 25th Hour schafft es Isiah Whitlock Jr. auch zum aller ersten Mal das Wort „Shit“, welches jeder normale Mensch innerhalb von 0,4 Sekunden ausspricht, auf über 3 Sekunden zu dehnen - Shiiiiiiiiiiiiiiiiit! Jahre später sollte er in „The Wire“ als Clay Davis durch dieses Wort bzw. durch diese ungewöhnliche Aussprache zu einem der besten Running Gags der Serie werden. [Großartig, jetzt habe ich mir 15 Minuten lang Shiiiiit Videos auf youtube angesehen. 25th Hour Shiiiit:
http://www.youtube.com/watch?v=IRq930cO4JY&feature=related The Wire Shiiiiit:
http://www.youtube.com/watch?v=9OEDU7yrTTQ&feature ]
25th Hour ist ein besonderer Film und das liegt zum großen Teil auch am Timing des Films. Es war der erste Film, der nicht nur nach dem 11. September in New York gedreht wurde, sondern der sich auch mit dem Thema beschäftigte.
Es gibt Filme, die könnten quasi in jeder Stadt ablaufen, da spielt es keine Rolle, wo der Film gedreht wurde oder ob man überhaupt erwähnt, wo die Geschichte abläuft. Hier nicht. In 25th Hour ist die Stadt allgegenwärtig. Nicht nur das, der Film fängt die Stimmung Manhattans in den Monaten nach den Anschlägen ein und überträgt sie auf den Zuschauer.
Nicht vielen Filmen gelingt das. Ein Michael Mann hat das Flair des nächtlichen LAs in Collateral ähnlich geschickt eingefangen. Auch Woody Allens Filme in den letzten Jahren sind häufig vom Drehort abhängig. Aber mir fällt kein aktuelles Beispiel ein, in dem die Stadt eine so große Auswirkung auf den Film hat wie hier. Dafür muss man, so denke ich zumindest, bis ins Jahr 1945 zurück gehen, zu Rossellinis „Roma, citta aperta“.
Eine weitere große Stärke des Films sind nicht nur die Dialoge, sondern auch die großartigen Monologe. Jeder, der den Film gesehen hat, kann sich sicherlich noch an Edward Nortons legendären „**** you“-Monolog vor dem Spiegel erinnern, in dem er alles und jeden beschimpft, jede Volks- bzw. Religionsgruppe, Taxifahrer, Jesus, Terroristen, sogar seine Freunde, seine Familie und schließlich sich selbst:
„No, **** you, Montgomery Brogan. You had it all, and you threw it away, you dumb ****!“
Der Inhalt dieses Spike Lee Joints (wie es immer so schön heißt) ist eigentlich einfach erklärt. Montgomery Brogan (Norton) hat noch einen Tag in Freiheit, bevor er für mehrere Jahre ins Gefängnis muss. Das wäre die Haupt-Storyline eigentlich schon, aber es gibt so viele Handlungsstränge, die noch nebenbei laufen. Wir erfahren durch Rückblicke wie Monty zum Drogendealer wurde, wie er seine Freundin Naturelle kennenlernte, und zudem noch einiges über das Leben seiner engsten Freunde.
Überhaupt sind für mich Philip Seymour Hoffman als schüchterner, teilweise überforderter Lehrer, der in seine Schülerin (Anna Paquin) verliebt ist und der selbst von seinen engsten Freunden herumgeschubst wird, und Barry Pepper als Aktienhändler im Stile von Gordon Gekko die heimlichen Stars des Films. Natürlich abgesehen von der Stadt New York.
Jakob: What do we say to him?
Frank: We say nothin'. The guy's going to hell for seven years, what you gonna do, wish him luck?
02. The Fountain (2006) http://www.imdb.com/title/tt0414993/ Imdb Rating: 7,4 / Rotten Tomatoes: 51%
Keine Liste über die besten Filme der letzten Jahre ohne Darren Aronofsky. Es gibt unterschiedliche Meinungen, was sein bisher bester Film ist, für mich ist die Antwort eindeutig - The Fountain.
Ein Film, der fast nicht gemacht wurde, weil es Finanzierungsprobleme gab, weil Schauspieler zugesagt haben und sich dann im letzten Moment entschieden haben doch lieber schlechtere Filme zu drehen (Wirklich, Brad Pitt? Troy? Troy mit Petersen statt The Fountain mit Aronofsky?). Am Ende übernahmen Hugh Jackman und Rachel Weisz die Hauptrollen und arbeiteten für einen Sondertarif nur um den Film machen zu dürfen.
The Fountain wird häufig mit Kubricks „2001“ verglichen. Ich sehe gewisse Gemeinsamkeiten, kann mich aber dieser Meinung ganz nicht anschließen. Es stimmt, dass die meisten Leute, die Filme nur ansehen, weil sie gerade zwei Stunden nichts besseres zu tun haben, beide Filme nicht besonders mögen werden. Das ist okay. Nicht jeder kann ein Filmfanatiker sein. Auch sind beide Filme nicht gerade leicht zu verdauen, da sie philosophisch und kompliziert sind. Aber davon abgesehen haben sie nicht wirklich viele Gemeinsamkeiten. The Fountain ist ein viel persönlicher Film als "2001", der auf mich ein wenig steril wirkt, was nicht negativ gemeint ist.
Die Zeit wird zeigen, ob The Fountain in ein paar Jahrzehnten genauso geschätzt wird und unvergessen bleibt wie Kubricks Meisterwerk.
Der Inhalt des Films ist nicht leicht zu erklären. Es ist noch schwerer, wenn man nicht spoilern will. Der Film erzählt drei zusammen gewobene Geschichte zeitgleich. Einmal die eines Wissenschaftlers (Jackman), der hofft nah an der Entdeckung eines Heilmittels gegen die Krankheit seiner Frau (Weisz) zu sein. Und dann noch zwei Geschichten, die jeweils fünfhundert Jahre in der Vergangenheit bzw. in der Zukunft spielen. In allen drei geht es um „love, death, spirituality, and the fragility of our existence in this world.“ [imdb.com]
Was hat mir an diesem Film gefallen? Bessere Frage wäre, was mir an diesem Film nicht gefallen hat. Alles ist großartig.
Das Drehbuch ist extrem kreativ. The Fountain ist ein Film über den man im Nachhinein noch lange Nachdenken kann, will und wird. Genaueres kann ich nicht schreiben, ohne den halben Film zu verraten.
Der Film sieht absolut großartig aus. Es ist unglaublich, dass das Budget nur 35 Millionen Dollar war. Der Film sieht besser aus als die meisten Filme, die das fünffache gekostet haben.
Die schauspielerische Leistungen sind fantastisch. Auch die Nebenrollen sind mit Ellen Burstyn, Mark Margolis, Stephen McHattie u.a. stark besetzt.
Und was habe ich noch nicht erwähnt, weil ich es mir bis zum Schluss aufheben wollte? Richtig, den Score von Clint Mansell. Für mich die beste Filmmusik aller Zeiten! Ohne Konkurrenz. [
Hörtipp: Clint Mansell - Death is the Road to Awe] Man muss mir nichts glauben, was ich in dieser Top 36 Liste geschrieben habe, bis auf das. Ich würde fast so weit gehen und sagen, dass es schade ist, dass Mansell dieses großartige Werk an einen Film verschwendet hat, aber es ist schließlich The Fountain und besser kann man Musik eigentlich nicht "verschwenden".
„Death is a disease, it's like any other. And there's a cure. A cure - and I will find it.“
01. Children of Men (2006) http://www.imdb.com/title/tt0206634/ Imdb Rating: 8,0 / Rotten Tomatoes: 93% (!)
Children of Men vereinigt die Stärken zweier Filme aus meiner Liste. Er ist ein weiterer Weltuntergangsfilm (It‘s all about Love) und zudem auch noch ein philosophischer Film (The Fountain). Er spielt im Jahr 2027. Seit achtzehn Jahren wurden keine Babys mehr geboren. Die Welt ist in totales Chaos gestürzt. Es besteht keine Hoffnung mehr. Bis unser Antiheld Theo, gespielt von Clive Owen, seine Ex, Julianne Moore, trifft und ... mehr verrate ich mal nicht.
Der Film lebt davon, dass er am Anfang ein Szenario vorgibt und somit der Welt des Films Regeln aufstellt, die er glücklicherweise nie bricht. Dadurch ist der Film in seinem eigenen Universum sehr realistisch. Alles, was in ihm passiert, ist gut denkbar und sogar höchstwahrscheinlich.
Als Zuschauer denkt zwar nicht immer automatisch daran, was für Folgen das Ausbleiben von neuen Kindern hat. Der Film erinnert aber immer und immer wieder daran und zeigt dabei, dass alle menschlichen Werte eigentlich gleichgültig und unbedeutend sind, es sei denn jemand gibt ihnen einen Wert. Wie zb. Theos Freund, der die Kunstschätze der Welt bei sich zu Hause versteckt, um sie vor der Zerstörung zu bewahren, auch wenn ihm bewusst ist, dass schon bald niemand mehr da sein wird, um sie zu bestaunen.
Auch könnte man sich für einen Moment fragen, ob das Leben auf der Welt nicht normal weitergehen könnte, schließlich betrifft es ja keinen Menschen direkt. Gut, man kann keine Nachkommen zeugen, aber unter diesem Schicksal leideten schon immer manche Menschen. Theoretisch könnten alle ihr Leben normal weiter führen. Aber sind wir ehrlich, niemand würde es tun. Menschen fürchten den Tod, dadurch das man selber nicht weiß, wann man stirbt, kann man normal und unbeschwert durch das Leben gehen. Sobald man eine Deadline, im wahrsten Sinne, bekommt, ist das ganze deutlich schwerer. Und genau das passiert der Menschheit in Children of Men. Man setzt ihr eine klare Deadline. Keine Nachkommen bedeutet, alles, was die Lebenden nicht mehr erreichen, wird die Menschheit nie erleben. Es gibt auch keinen Grund mehr irgendetwas aufzuschreiben, irgendetwas aufzubewahren oder auch nur irgendetwas Kreatives zu erschaffen. Es wird sich eh keiner mehr daran erinnern. Nur logisch, dass die Welt dadurch in totale Anarchie verfällt.
Abseits des Skripts ist die Regie die große Stärke des Films. Für mich gibt es in diesem Jahrzehnt keinen Film mit besserer Kinematografie. Und das kommt von Jemanden, der Handkameras eigentlich nicht besonders mag. Aber hier ist es anders. Hier ist man durch diese Technik und die extrem langen, ungeschnittenen Szenen mitten im Film.
Zum Beispiel in dieser großartigen Szene, in der Theo in einem Krisengebiet ist und von allen Seiten beschossen wird. Die Kamera ist immer direkt hinter ihm und hat minutenlang sogar Blut auf der Linse. Einfach spektakulär!
Und dann gibt es da auch noch die mit Abstand beste Gänsehautszene dieses Jahrhunderts. Spoiler:
Nachdem Theo mit der jungen Frau und ihrem Baby - zur Erinnerung: das erste Baby seit über 18 Jahren - durch das Kampfgebiet rennt und alles tut, damit niemand das Kind auch nur sieht, fängt die Kleine auf einmal an zu kreischen. Mir fällt spontan keine Szene ein, die mir so die Sprache verschlägt, wie die darauffolgende. Für einen Moment denkt man: „******e! Jetzt haben es alle gehört. Jetzt passiert gleich etwas schreckliches.“ Und dann nach ein, zwei Sekunden, nachdem allen klar wird, was sie gerade gehört haben, setzt totale Stille und Frieden ein. Die Menschmasse ebnet Theo, der Frau und ihrem Baby ehrfürchtig den Weg nach draußen. Kaum einer wagt es auch nur zu atmen, selbst der Zuschauer nicht, so weltbewegend ist das Ereignis für jeden Beteiligten. Die Soldaten legen die Waffen zur Seite und hören auf sich zu beschiessen, denn zumindest für den Moment gibt es dafür keinen Grund mehr. Die Hoffnung ist zurück.
Es spricht schon Bände, wenn bei mir ein Film mit so starker christlicher Symbolik auf Platz 1 landet und wenn ich so viel über einen Film schreibe und nicht ein einziges Mal erwähne, dass eine Legende wie Michael Caine übrigens auch mitspielt.
„As the sound of the playgrounds faded, the despair set in. Very odd, what happens in a world without children's voices.“
Edit: Ich schicke dir das dann heute oder morgen in der Kurzversion, Alice.