1. Die Vereine haben sich der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen und daher werden ordentliche Gerichte die Klagen gar nicht annehmen. Die Entscheidung müsste schon extrem willkürlich sein. Leitsatz eines deutschen Richters: "Warum ich?"
Ich hatte schon vermutet, dass Du hier einsteigst und mich berichtigst. Ich war sogar kurz davor, das rauszunehmen. Die Korrektur ist auch vernünftig, weil Du über die entsprechende Expertise verfügst. Die Antwort "warum ich" hätte ich dahingehend beantwortet, dass eine Sportgerichtsbarkeit, die
willkürlich handelt, sich mit rechtsstaatlichen Prinzipien doch ein Stück weit beißt.
Verbands oder Parteigerichte können doch nur solange "autonom" (das mag an dieser Stelle juristisch nicht der einwandfreie Terminus zur Beschreibung sein) agieren, wie ihnen die "ordentliche Gerichtsbarkeit" (vertrauensvorschusshalber
) zugesteht, sich entsprechend der rechstaatlichen Kriterien zu verhalten.
Dass der "Willkürvorwurf" durch den Verband entschieden bestritten würde, ist natürlich auch klar. Angesichts der Urteile, die sich teilweise zwangsläufig nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Begründung widersprechen müssten, sehe ich die Rechtfertigungsprobleme durchaus.
Aber um das klar zu machen: es geht mir hier nicht ums Prinzip, dass man diese Gerichtsbarkeit abzuschaffen, oder generell zu unterstellen hätte.
Eigentlich interessiert mich die Frage, wie frei solche Gerichte de facto agieren können. An Dich als Jurist: Ab wann müsste denn ein Verbandsgericht fürchten, dass sich ordentliche Gerichte für sie interessieren?
2. Was glaubst du denn, wo die Kamerateams nach Fehlentscheidungen stehen? Nicht jeder Kameramann darf sich im VIP-Raum besaufen.
Den SR durch einen Verein (und nicht die "unbeteiligten" Medien) aktiv zu einer Aussage zu nötigen, wäre aber schon eine neue Qualität. Selbst Uli Hoeneß hat
das so mW noch nicht gemacht.
3. Schmelzer ist kein Präzedenzfall, die gab es bereits zuvor. Und darin sind offensichtliche Wahrnehmungsfehler entsprechend entschieden worden. Bei den anderen Entscheidungen kam man meistens über "der Versuch ist strafbar" weiter.
Es ist ein
neuerlicher Präzedenzfall. Angefangen beim Phantom-Tor von Helmer. Das Wiederholungsspiel war doch ein Witz der Konsequenzialisten beim Verband. Ich warte noch auf die ca. 300 Wiederholungsspiele für jede weitere Torlinienfehlentscheidung.
Wenn der "offensichtliche Wahrnehmungsfehler" so ausgelegt wird, ist er geeignet, die nachträgliche Korrektur der "Tatsachenentscheidung" zur Regel zu machen. Jedes fehlentschiedene Abseits ist ein "offensichtlicher Wahrnehmungsfehler". Zwischen Schmelzers Knie und seinem Arm lagen Zentimeter. Ist das jetzt der Punkt, bei dem der "offensichtliche Wahrnehmungsfehler" beginnt?
Die Verabsolutierung der Tatsachenentscheidung zum Prinzip duldet eigentlich keinen Wahrnehmungsfehler, wenn die Regel nicht sinnentleert werden soll. Was der SR sieht, führt zu einer Entscheidung, dieses ist die Tatsachenentscheidung. Der im Nachhinein erst per Video nachzuweisende (vermeintlich objektive) Wahrnehmungsfehler ist die Negation des Prinzips der
unmittelbaren Tatsachenentscheidung.
4. Die Tatsachenentscheidung bleibt von Bedeutung, denn ansonsten müsste das Spiel ja wiederholt werden. Korrigiert wird die Entscheidung also nicht, lediglich die Folge wird "abgemildert"
Die Bedeutung der Tatsachenentscheidung wird - wie auch an diesem Beispiel deutlich wird - willkürlich festgelegt. In 90 Prozent der Fälle mit guten (videobasierten) Gründen wird sie nicht korrigiert, dann wird ihre Folge abgemildert und mal gibt es ein Wiederholungsspiel. Für ein Prinzip mit dessen argumentativer Verabsolutierung seit Jahrzehnten die Einführung technischer Hilfsmittel abgelehnt wird, ist mir zu viel zu inkonsistent. Ich bin an dieser Stelle dann dafür, dass man versucht, sich ehrlich zu machen: entweder Videobeweis im Spiel oder die absolute Akzeptanz der SR-Entscheidung und keine nachträgliche Verhandlung.
Bsp: Der SR trägt bei roten Karten auf dem Spielberichtsbogen den Grund für den Platzverweis ein. Dieser ist mit klaren Strafen verbunden: rohes Spiel: 3 Sperre, Tätlichkeit: 4 Sperre, etc. pp. Ein klare transparente Regelung für Wiederholungstäter obendrauf (etwa: ab der zweiten Karte für jeden weiteren PV ein Spiel extra) und gut ist. Über Tore und Abseits braucht man dann auch nicht mehr zu reden.
Ich bin völlig entspannt. Unentspanntes würdest Du zu hören bekommen, wenn ich mich in mehr als 3 Sätzen zur Blödheit meiner Bremer äußern müsste.
:wall: