Im LAOLA1-Interview erläutert der Ex-Coach von Boris Becker, warum "Nole" derzeit das Maß aller Dinge ist und warum auch ein Österreicher großen Anteil an den Erfolgen hat.
LAOLA1: Hast du am Sonntag das Finale von Miami zwischen Novak Djokovic und Rafael Nadal gesehen?
Bresnik: Ja, das war wirklich beeindruckend. Es hatte für mich eine ähnliche Intensität wie früher Agassi gegen Sampras. Ähnliche Spielertypen, Linkshänder gegen Rechtshänder - du hast dreieinhalb Stunden nicht gewusst, wer am Ende gewinnen wird.
LAOLA1: 24 Siege, im Jahr 2011 noch ungeschlagen - was sagst du zum unglaublichen Erfolgslauf von Djokovic?
Günter Bresnik: Die langjährige Last, dass er einer von den Spielern hinter Federer und Nadal ist, hat er mit den letzten Siegen über die beiden endgültig abgelegt. Das hat schon mit seinem Erfolg bei den US Open über Federer begonnen. Er ist momentan der griffigste Spieler. Das Gesamtpaket passt einfach. Körperlich, taktisch - dazu kommt das Selbstvertrauen der letzten Siege. Er ist zwar nicht eine Liga für sich, wie es seinerzeit Federer war, er ist aber auf jeden Fall der derzeit beste Tennis-Spieler auf Hartplatz. Djokovic spielt ästhetisch nicht das schönste Tennis. Wenn jemand mit so viel Disziplin arbeitet und so schnell spielt, tun sich auch die ganz Großen schwer. Er ist momentan die Nummer eins. Das müssen beide Herren neidlos anerkennen.
LAOLA1: Du sagst, dass Djokovic ästhetisch nicht das schönste Tennis spielt. Ist seine körperliche Verfassung einfach so viel besser, dass diese den Unterschied ausmacht?
Bresnik: Die körperliche Verfassung kombiniert mit der Selbstverständlichkeit, die man mit so einer Sieges-Serie haben kann. Das hat man im Finale von Miami auch im Tiebreak gesehen. Da verliert er einen Punkt und fährt dann voll über Nadal drüber. Er spielt schneller, geht näher an die Linie und nimmt den Ball früher. Er findet immer wieder die Schwächen der anderen Spieler. Im Finale hat er Nadal auf der Rückhand schlecht ausschauen lassen. Ästhetisch gibt es für mich aber nur einen: Roger Federer. Und der wird für mich wohl auch die nächsten 20 Jahre das Nonplusultra bleiben. Ihm fehlt derzeit aber wahrscheinlich auch die körperliche Fitness. Und zwar jene Fitness, die man nur am Platz bekommt. Das verstehen die Leute nicht. Die glauben immer, dass man sich in der Kraftkammer auftrainieren kann. Die "Match-Toughness", diese spezifische Sportarten-Kondition, kriegst du aber nur über Matches. Federer und Nadal machen immer wieder Pausen. Djokovic spielt durch. Natürlich muss das auch der Körper vertragen. Da sollte man auch erwähnen, dass Djokovic mit dem Tiroler Gebhart Gritsch seit zwei Jahren einen österreichischen Konditionstrainer hat.
LAOLA1: Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Bresnik: 2009 war ich beim Training mit Federer und Koubek auf Sizilien. Damals hat Djokovic im Finale von Monte Carlo gegen Nadal verloren. Sein Manager, mit dem ich ganz gut befreundet bin, hat mich angerufen und mich gefragt, ob ich nicht jemanden kennen würde. Seitdem ist Djokovic körperlich wirklich Extraklasse. Früher ist er immer wieder eingegangen. Das gibt es heute nicht mehr. Seine Schnelligkeit ist noch besser geworden und ausdauermäßig ist er einfach ein Wahnsinn.
LAOLA1: Der Ehrgeiz von Djokovic muss dementsprechend unglaublich groß sein.
Bresnik: Es gibt immer wieder Spieler, die man talentmäßig dort nicht einstufen würde. Bei uns wird man klassisch als Talent bezeichnet, wenn man ein gutes Ballgefühl hat, ästhetisch und optisch schöne Schläge spielt. Dann gibt es aber auch Leute, die über Jahre hinweg diesen gnadenlosen Biss haben. Djokovic ist mit 16, 17 erschienen und hat in diesem Alter seine ersten Futures gewonnen. Er war aber immer nur die zweite Garnitur und wurde auch im Vergleich mit Murray als weniger talentiert bezeichnet. Er hat konsequent weiter gearbeitet und nichts dem Zufall überlassen. Mit seinem Coach Marian Vajda bildet er ein eingespieltes Team. Mein Lieblingsspruch ist, dass ein guter Trainer einem Spieler gibt, was dieser braucht, und nicht was er will. Djokovic ist einer, der das annimmt und auch möchte. Das ist natürlich die Ideal-Kombination. Djokovic hat auch an seinem Material sehr viel herumgetüftelt. Das hat am Anfang gar nicht funktioniert. Head - eine österreichische Firma - hat ihm dann das Gerät gebaut, wie er es braucht. Das Material ist im Tennis zwar nicht so wichtig wie in der Formel 1, aber auch diesen Punkt hat er bis zur letzten Konsequenz ausgenutzt.
LAOLA1: Traust du Federer zu, dass er heuer oder im nächsten Jahr die beiden gefährden kann? Außerdem fehlt ihm ja noch eine Woche als Nummer 1 zum Rekord von Pete Sampras.
Bresnik: Das hat er schon vorher vergeigt. Jetzt ist er weit weg von der Nummer eins. So wie Djokovic das Jahr begonnen hat, wird es für Federer in diesem Jahr richtig schwer werden. Von der Liste kann man ihn aber nie nehmen. Das Beeindruckende bei Federer ist dieser lange Zeitraum, in dem er an der Spitze war. Da muss man einmal abwarten, ob das auch ein Djokovic kann. Das muss er auch im Schädel verkraften. Durch die vielen zusätzlichen Verpflichtungen kannst du nicht mehr so leicht regenieren, wie es in der zweiten Reihe der Fall war.
LAOLA1: Die körperliche Fitness und das Selbstvertrauen sollten Djokovic auch in der Sandplatz-Saison zu Gute kommen. Kann er Nadal gefährden?
Bresnik: Es hat auch in den letzten Jahren keinen Belag gegeben, auf dem er schlecht gespielt hätte. Er ist bei jedem Grand-Slam-Turnier im Viertel- oder Halbfinale. Nadal hat auf Sand extrem viel zu verteidigen. Wenn er da nur einmal früher verliert, dann kann es schnell gehen. Man darf auch nicht erwarten, dass er wieder Paris und Wimbledon gewinnt. Djokovic hat gute Chancen, bis Wimbledon die Nummer eins zu werden. Das Schöne ist, dass er es mit Erfolgen schafft. Thomas Muster ist seinerzeit die Nummer eins geworden, weil die anderen nichts gewonnen haben und er nach vorne gerutscht ist. Bei Djokovic wundern sich die Leute schon, warum er noch nicht Nummer eins ist.