Herr Nadal, selbst nach knapp elf Monaten jagen sich auf der Tour noch die Höhepunkte: im Moment das WM-Finale in London, dann das Davis-Cup-Endspiel In Spanien. Fühlen Sie sich überhaupt noch frisch für diese Herausforderungen?
Rafael Nadal: Ich versuche wirklich noch einmal das Beste aus mir herauszuholen. Aber wenn man seit der ersten Jänner-Woche unterwegs ist im Circuit und ständig bis ans Limit gefordert ist, weiß man selbst nicht genau, was noch geht – und was nicht. Ich spiele in London gegen die acht Besten der Saison, das sagt doch schon alles. Hier musst du sofort auf vollen Touren sein, darfst dir nichts erlauben.
Wochenlang ist im Tennis von Streiks, Protestaktionen und einem Aufstand der Spieler gegen die zu voll gepackte Saison die Rede gewesen. Passiert ist aber nichts.
Nadal: Oberflächlich betrachtet, stimmt das sogar. Aber die Spieler haben sich so eng und solidarisch zusammengeschlossen wie nie zuvor. Jetzt muss eine Lösung zusammen mit der ATP und den Turnierdirektoren gefunden werden. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch und rührend: Aber wir sind nun mal eine große Familie. Alle müssen bereit sein, Kompromisse zu machen. Es ist nicht so, dass die Spieler nicht daran denken, dass die Turniere eine gesunde Basis haben müssen, mit guten Spielern am Start, mit einem attraktiven Feld für die Zuschauer.
Aber das Ziel ist schon, dass weniger gespielt wird?
Nadal: Die Masse der Spiele ist natürlich eines der Probleme. Aber auch und besonders die Struktur des Tenniskalenders. Wenn ich das Davis-Cup-Endspiel hinter mir habe, bleiben mir ganze drei Tage Urlaub. Dann muss ich mich schon wieder aufs Jahr 2012 vorbereiten. Drei Tage, das geht eigentlich gar nicht. Wie soll ich mich da erholen?
Und die Konkurrenz an der Spitze und die Intensität der Spiele, das alles nimmt stetig zu.
Nadal: Absolut. Ich kann es nur wiederholen: Es gibt heute bei keinem Turnier irgendein Spiel, das du mit dem Gefühl angehen kannst: Das mache ich schon. Die 60, 70, 80 Spiele, die man heute pro Jahr bestreitet, haben einfach eine ganz andere Qualität. Die fordern dir mental und körperlich immer das Letzte ab.
Wie fühlen Sie sich, ganz allgemein, nach sieben vollen Jahren auf der Tennistour?
Nadal: Diese Tennisjahre sind harte, schwere Jahre. Sie gehen nicht spurlos an einem vorbei. Deswegen sollte sich auch etwas an den Strukturen ändern: Ich möchte ganz gerne auch noch in fünf Jahren bei einer WM sein, frisch, ausgeruht und mit ganzer Kraft. Aber wenn das so weitergeht, habe ich da meine Zweifel. Der Stress nagt unheimlich an den Spielern, kein Zweifel. Zumal Tennis auf höchstem Level einfach ein 24-Stunden-Job ist, du bist ja wirklich rund um die Uhr mit deinem Leben als Profi beschäftigt. Du willst immer ein Stückchen besser werden, und du fragst dich: Was kann ich dafür noch machen?
Man hat den Eindruck, dass Sie sich heutzutage mehr über Ihre Erfolge freuen als früher.
Nadal: Ja, das ist wahr. Als ich anfing, habe ich einfach so unbekümmert drauflos gespielt. Da wusste ich noch gar nicht, welchen Wert diese Siege hatten, was da eigentlich dazugehört. Wenn man nun die Erfahrung dieser Jahre auf dem Buckel hat, die Anstrengungen, die Mühen, die Hochs und Tiefs, dann ist klar, dass die Freude viel tiefer ist. Man genießt jeden Moment des Sieges noch intensiver, noch bewusster. Und, da bin ich mir sicher, das geht auch einem Roger Federer und einem Novak Djokovic so.
Hat Sie der starke Lauf Djokovics in dieser Saison überrascht?
Nadal: Das kam ja nicht aus heiterem Himmel, er hatte auch vor 2011 schon herausragende Momente. Aber diese Konstanz ist absolut bemerkenswert, er hat uns allen in der Spitze da einige Probleme aufgegeben – und eben auch die meisten Titel weggeschnappt. Es wird sicher verdammt schwer, das alles zu verteidigen für ihn. Ich weiß, wovon ich rede.
Wenn Sie die letzten beiden Highlights auch noch überstanden haben, wonach sehnen Sie sich dann am meisten?
Nadal: Nach Ruhe. Und Zeit mit Familie und Freunden. Und ein paar Tagen ganz ohne Tennis. Aber, wie gesagt, es sind wirklich nur drei Tage, die da bleiben. Dann geht alles schon wieder von vorne los.
Was haben Sie sich für 2012 vorgenommen, ein Jahr, das zusätzliches Gewicht hat durch die Olympischen Spiele und den Medaillenkampf in Wimbledon?
Nadal: Die Basis, auf der ich aufbaue, ist nicht so schlecht. Ich hatte gar nicht das Gefühl, dass 2011 schwach war für mich. Das verbreiten nur dauernd alle möglichen Experten. Nicht vergessen: Ich habe immerhin einen Grand-Slam-Titel gewonnen. Aber sicher ist: Es ist Raum für Steigerung geblieben. Ich wünsche mir schon, dass ich konstanter auf Spitzenniveau spiele.
Nach langer Pause kehren Sie dann auch nach Deutschland zurück, zu den Gerry Weber Open nach Halle.
Nadal: Es ist eigentlich unglaublich, dass ich so lange nicht mehr in Deutschland an den Start gegangen bin – seit Hamburg 2008. Viele deutsche Fans schrieben mir: Wann können wir dich mal wieder bei uns sehen? Das Turnier wird sehr wichtig sein, im Vorlauf zu Wimbledon und Olympia.
In der Pressekonferenz nach seinem Auftaktspiel bei der WM äußerte sich Nadal auch zu den Vorwürfen des früheren französischen Spitzenspielers Yannick Noah, der spanische Sportler unter eine Art Doping-Generalverdacht gestellt hatte. „Diese Aussagen sind eine komplette Dummheit. Was er geschrieben hat, war wie von einem Kind. Das kann man nicht ernst nehmen. Das Ganze ist schlimm für Frankreich, wenn jemand wie er so etwas behauptet, dann ist das schrecklich für das Image seines Heimatlandes.“
quelle: tennisnet.com