Das ist `ne ganz schön komplizierte Diskussion. Grundsätzlich sehe ich nicht, dass die gestrige Quote auf einen baldigen Niedergang des Boxsports im Fernsehen hindeutet. Sie war in Ordnung dafür, dass gutes Wetter war und vielleicht doch der ein oder andere lieber einen Wochenend-Kurztrip gemacht hat, als sich zwölf Runden lang das unattraktive Gewürge von Ruiz und Valuev reinzuziehen.
Man muss bei der ganzen Diskussion ein paar Sachen auseinander halten:
1. Boxen ist kein Volkssport wie Fußball. Es lebt vom Charakter des Spektakels. Das wissen die Fernsehsender und spielen diese Karte bewusst aus. Der zweifelhafte Erfolg von Valuev ist ein Beispiel dafür. Er kann nicht gut boxen, und würde man ihn um zwanzig Zentimeter schrumpfen, wäre er nicht mal unter den Top 100 und keine Sau würde seine Kämpfe anschauen. Aber so wie er ist, kann man ihn dem Publikum als "Sensation" verkaufen. Fernsehen ist Showbusiness. Von daher liegt es alleine schon in der Sache des Mediums, die Show-Aspekte des Boxens über die eigentlichen sportlichen Werte zu stellen.
2. Fernsehsender wissen sehr genau, dass fest etablierte Fernsehgesichter häufig über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die Boxer sind Waren, die dem Publikum angeboten werden. Und wenn eine Ware gut eingeführt ist und zudem Spektakel verspricht, dann sind die Sender glücklich. Klitschko ist ein Beispiel dafür. Wer seine Kämpfe guckt, weiß in der Regel, was ihn erwartet: einen sympathischen, gut aussehenden Siegertypen, der seine Gegner spektakulär ausknockt und auch noch was in der Birne hat (Wow! Der hat ja sogar einen Doktortitel!). Es gibt in jüngster Zeit wohl kaum einen Boxer, dessen Image geschickter aufgebaut wurde, als das von Wladimir. Er ist einzigartig UND spektakulär - und deshalb schwebt er auch in Quotenbereichen, von denen andere nur träumen können!
3. Weil Fernsehsender den Boxsport aufbereiten, wie sie ihn aufbereiten, werden die Boxer auf Slogans reduziert (Abraham - der "Blutboxer", Valuev - der "russische Riese", Maske - der "Gentleman"). Hat ein Boxer seine erfolgreiche Nische gefunden, dann hat man eine Kuh, die man melken kann bis zum Umfallen. Das beste Beispiel ist doch Axel Schulz. Der hat gegen Foreman einen einzigen guten Kampf gemacht, aber alleine das "Schmeling-Nachfolge-Image" hat gereicht, dass er sogar zehn Jahre später noch Hammerquoten einfährt, obwohl seine Leistungen schon früher meistens alles andere als weltmeisterlich waren. Für den Sport war es ein Segen, dass Brian Minto dieser Farce ein unkorregierbares Ende gesetzt hat, in der Sportredaktion von RTL dürften Tränen gerollt sein!
4. Es wird oft gesagt, der Zuschauer bevorzugt deutsche Boxer - im Prinzip glaube ich aber, viele Zuschauer bevorzugen vor allem Boxer, mit denen sie sich identifizieren können! Das kann über die Nationalität gehen (Schulz), oder über die Siegermentalität (Klitschko). Eigentlich ist es völlig egal, Hauptsache das Publikum kriegt das, was es erwartet!
Wenn man alle diese Punkte zusammenzieht, wird schnell klar, wer der Verlierer in dieser ganzen Geschichte ist: Der Fan des BoxSPORTS! Der Showgeschmack des breiten Publikums wandelt sich, und wenn das breite Publikum eine andere Form des Spektakels will und sich vom Boxen abwendet, werden die Sender mitziehen und Boxen zugunsten von Baumscheiben-Wettschleudern aus dem Programm nehmen. Die Leidtragenden sind alle, denen das ganze Showgedöns egal ist und die einfach nur gute Boxkämpfe sehen wollen! Aber ich befürchte, daran ist nichts zu ändern!