SPIEGEL: Herr Kaben, viele Menschen diskutieren über das Interview, das Sie nach dem Champions-League-Finale mit Toni Kroos geführt haben. Was ging Ihnen durch den Kopf, als er wütend und schimpfend aus dem Bild ging?
Kaben: Mein erster Gedanke war: Ach du liebe Güte, was ist denn jetzt los? Habe ich eine blöde Bemerkung gemacht, die rechtfertigt, dass jemand so heftig reagiert? Aber ich musste dann erst einmal weitermachen, da ich noch zwei andere Spieler zu interviewen hatte, David Alaba und Reals Torhüter Thibaut Courtois. Das habe ich fast automatisch runtergespult. Als ich dann in unser Büro im Stadion ging, habe ich gedacht: Na, jetzt bin ich mal gespannt, was die Kollegen sagen. Die können es ja viel besser beurteilen, weil sie es am TV gesehen haben.
SPIEGEL: Und, was haben die Kollegen gesagt?
Kaben: Ich habe die Tür aufgemacht und gefragt: »War es meine Schuld, kommt, sagt schon?!« Ich war dann einigermaßen beruhigt, als sie antworteten: »Nein, man kann die letzte Frage vielleicht anders formulieren. Aber so reagieren muss man deshalb nicht.«
SPIEGEL: Sie wirkten ob der Reaktion von Kroos wirklich perplex.
Kaben: Ich hätte damit einfach nicht gerechnet. Zumal diese Interviewsituation beim Champions-League-Finale eine ganz spezielle war. Wir durften als Reporter auf den Platz gehen, was sonst immer streng verboten ist. Wir sind also auf den Rasen, mit einer einzigen Kamera für drei Sender, und konnten die Spieler ansprechen. Dafür gab es ein Zeitfenster von etwa sieben Minuten zwischen Schlusspfiff und Beginn der Siegerehrung. Und das waren genau die Minuten, in denen von Kroos und seinen Kollegen alles abfiel. In denen sie jubelten, ihren Familien zuwinkten. Ich habe Kroos dann angetippt. Er sagte: »Gib mir noch einen Moment.« Alles klar, dachte ich. Er weiß Bescheid, kann gleich losgehen. Ich hatte ein gutes Gefühl. Aber dann kam seine Reaktion, die ich von einem Sieger einfach nicht erwartet hätte.
SPIEGEL: Kroos ärgerte sich vor allem über Ihre dritte Frage: »War es überraschend für Sie, dass Real ganz schön in Bedrängnis geraten ist?« Würden Sie im Nachhinein sagen, die Frage war gut, oder war sie ungeschickt?
Kaben: Die Frage kann ich besser formulieren. Ganz klar. Aber jeder hatte ja das Spiel gesehen. Liverpool kam auf ein Torschussverhältnis von 23:3. Kroos hätte die Frage auch als Vorlage dafür nutzen können, darauf hinzuweisen, dass Real sich schon durch den ganzen Wettbewerb immer in schwierigen Situationen gerettet hatte. Dass das nun einmal die Stärke von Real ist. Ich habe die Frage auch gar nicht als Kritik empfunden, oder als negativ konnotiert. Das als Anlass zu nehmen, sie als »******frage« zu bezeichnen und zu gehen…, ich weiß nicht.
SPIEGEL: Der Vorwurf von Kroos lautete auch, dass Sie ja 90 Minuten Zeit gehabt hätten, um sich gute Fragen auszudenken. Stimmt das?
Kaben: Nein. Ich sitze während des Spiels hinter dem Tor und bereite mich natürlich auf alle Eventualitäten vor. Aber wenn es dann losgeht, weiß ich gar nicht, mit wem ich gleich sprechen werde. Ob die Fragen auf Englisch, Deutsch oder Spanisch gestellt werden. Ob mir ein Gewinner oder ein Verlierer vor die Nase läuft. Außerdem kann sich ein Spiel kurz vor Ende drehen. Was auch kaum jemand weiß: Ich als Reporter habe die ganze Zeit mit der Organisation zu tun, dass Kroos überhaupt zum Gespräch kommt, dass die Kamera frei ist, dass der Ü-Wagen informiert ist. Das ist mein Job. Die Fragen an die Spieler überlege ich mir erst in den letzten Minuten vor dem Interview.
»Dann stellst du mir zwei so ******fragen«: Das TV-Gespräch zwischen Toni Kroos und Nils Kaben geriet zum Fiasko. Hier spricht der ZDF-Reporter über die ersten Minuten nach dem Champions-League-Finale und die Reaktionen seiner Kollegen.
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