Nur mal zur Erinnerung: Das war das Posting, über das sich hier aufgeregt wird.
Ohne jeden Zweifel: Er war ein großer Musiker, der auch in meinen Ohren erfolgreich ein paar Nummern für die Ewigkeit platziert hat.
Aber trotz Allem: Ich kann da nicht ganz so jammern über seinen Tod. Mir tun nur seine Kinder Leid.
Er hat es letztendlich selbst so gewählt. ... egal ob man das nun krankhafte Depression nennt oder sonstwie. Da hält sich mein Mitleid in Grenzen. Es macht einen traurig, aber es geht mir persönlich nicht besonders zu Herzen.
Es müssen jeden Tag vollkommen unschuldige Menschen sterben, die es nicht selber wollten und teilweise noch sehr jung sind. Man kann sie nicht alle aufzählen, nicht alle beweinen. Doch sie tun mir Leid. Mehr, als Jemand der sein Leben freiwillig wegwirft. Egal aus welchem Grund.
Ja, ich habe eine eigene Haltung zu Selbstmördern ... und diese Meinung hat sich über einen Zeitraum von mittlerweile fast 50 Jahren gebildet.
Wer unbedingt eine Begründung lesen will, bitteschön:
Bereits als 12-jähriger wurde ich mit dem Thema "Suizid" konfrontiert, als sich ein Nachbarsjunge, mit dem ich zusammen aufgewachsen bin, aus einer reinen Trotzreaktion heraus aufgehangen hat. Er sollte bei der Geburtstagsfeier seines Bruders warten bis die Oma da ist und es dann für alle gemeinsam Kaffee und Kuchen geben sollte. Er wollte vorher Kuchen und seine Mutter hatte es verboten. Er ist wütend aus dem Haus gerannt und während wir anderen Kinder auf der Straße spielten, hat er sich im Schuppen hinter dem Haus aufgehängt. Das Gesicht des toten Ronald D., an einer Hundeleine hängend, werde ich mein Leben lang nie vergessen.
Nur 2 Jahre später passierte das Gleiche mit einem Anderen, der sich im Alter von 16 Jahren im Keller aufgehängt hat, weil er bereits ein halbes Jahr vor Schuljahresende Angst hatte, seine Abschlussprüfungen zu verhauen.
Was das mit den jeweiligen Familien, den Eltern und besonders den Geschwistern, gemacht hat muss ich wohl nicht weiter erklären. Auch wir, eine Clique von ca. 15 Kindern, die zusammen aufgewachsen sind, hatten als damaliger Freundeskreis allerhand zu tun, das Erlebte zu verarbeiten.
Andererseits habe ich in meinem Leben Mitmenschen verloren, die viel zu früh sterben mussten und gerne weiter gelebt hätten.
Ich war 8 Jahre alt, da starb eine Freundin meiner Schwester. Sie war mit einer Blinddarmentzündung zu spät zum Arzt gekommen und es war damals keine Rettung mehr möglich. Diese Familie wohnte keine 100m von meinem Elternhaus entfernt. Ich werde in meinem Leben niemals vergessen, wie Situation war, als die Oberschwester des hiesigen Krankenhauses der Mutter die Todesnachricht überbrachte. Die Schwester kam über einen Feldweg vom Krankenhaus in Richtung unserer Vorstadtsiedlung gelaufen. Der Vater schwankte weinend ca. 10 meter hinter ihr her. Ich wusste sofort, was passiert sein musste und bin aufgeregt nachhause gerannt. Und so war es auch. Die Gewissheit kam nur wenige Minuten später. Dieser schrille spitze Schrei der Mutter klingelt heute noch in meinen Ohren. Brigitte "Gitti" wurde nur 15 Jahre alt.
Ein anderes Mädchen aus der weiteren Nachbarschaft, die ich von der Schule her kannte, starb mit 16. Den Schulabschlussball im Juni 1978 hatte sie noch völlig unbekümmert erlebt. Dem Beginn ihrer Berufsausbildung im September schon nicht mehr. Sie starb an Leukämie. Von der Feststellung der Erkrankung bis zu ihrem Tod vergingen nur wenige Wochen.
Auch Unfälle oder Unvorhersehbares rissen Menschen aus meinem Umfeld. Im Dezember 1992 starb mein Oberkellner Uwe H. bei einem Unfall auf der Autobahn. Er wollte nach einem kleinen Unfall ein Warndreieck aufstellen und wurde dabei von einem nachfolgenden PKW erfasst, über die Leitplanke geschleudert und auf der Gegenfahrbahn von einer ganzen Kolonne LKW`s überrollt. Sein Körper, bzw Teile davon verteilte sich über 3 Spuren auf 150m Länge. Er war gerade 25 Jahre alt.
Vor 21 Jahren, 1996, starb meine Freundin Sylvia mit gerade 26 Jahren an einem Gehirntumor. Wir standen gerade Beide nach gescheiterten Beziehungen vor einem gemeinsamen Neuanfang. Sie hatte ebenfalls einen Gastronomieberuf und arbeitete im Maritim-Hotel Halle / Saale. Sie war nicht nur äußerlich als blonder Engel eine Traumfrau, sondern hatte auch einen liebenswerten Charakter. Der Tumor in ihrem Kopf machte alle unsere Träume zunichte. Nach einer erfolglosen OP verbrachte sie die letzten Wochen ihres Lebens in Thüringen bei ihrer Mutter. Ich habe dabei gelitten wie ein Hund, konnte ihr aber nicht helfen. Ihr Tod hat mich regelrecht zu Boden gedrückt.
Noch im gleichen Jahr, am 2. Weihnachtsfeiertag, kam ein Freund, Thomas „Tobi“ in der Diskothek „Fun & Lollypop“ Halle-Bruckdorf bei einer Schlägerei ums Leben. Man hatte ihm mit einem abgeschlagenen Bierglas die Kehle aufgeschlitzt. Der Täter, ein russischer Tourist, wurde nach ein paar Tagen aus dem Polizeigewahrsam entlassen und reiste heimwärts, ohne das es jemals eine Gerichtsverhandlung gegeben hatte. Tobi starb blutüberströmt in den Armen des DJ`s Olaf K., der ebenfalls ein Freund von mir war und mindestens 3x in der Woche noch morgens um 5:00 Uhr nach seinen Veranstaltungen auf einen „Absacker“ in meiner Billard-Kneipe vorbei kam. Olaf starb im Februar 1999 zusammen mit 2 anderen Insassen seines Baby-Benz auf der Autobahn, als er ungebremst unter den Auflieger eines LKW krachte, der wegen einer Reifenpanne plötzlich queer vor ihm stand. Tobi war 29. Olaf starb mit 28, wenige Tage vor seinem 29. Geburtstag.
Viel zu früh starben auch 3 meiner Cousins im Alter von 38, 54 und 57 Jahren. Jetzt bin ich in einem Alter, wo Menschen um mich herum an Krankheiten sterben, die sie teilweise seit Jahren tapfer ertragen haben. Allein im räumlichen Umkreis von ca. 100m um mein Haus sind es 6 Personen (incl. meinem Vater) in den letzten Jahren, deren Leben zu Ende ging. Der Tod meines krebskranken Nachbarn Lothar A. hat mich besonders bewegt. Noch 2 Tage vor seinem Ende habe ich ihm besucht und er sagte zu mir beim Abschied: „Machs gut Hansi, (So nannte er mich schon seit Kindertagen), wir werden uns nicht wieder sehen.“ Auf dem Weg nachhause liefen mir die Tränen runter. Er kam einen Tag später nach Wittenberg ins Krankenhaus, wo er einen weiteren Tag später starb. Wir kannten uns 50 Jahre lang.
Vor wenigen Wochen starb ein 2 Jahre jüngerer Freund, Gundolf B., den ich aus Kinderzeiten kannte. Der Typ war ein 1,98m großer Hüne und auch sein plötzlicher Herz-Tod mit 54 Jahren ließ mich nicht unberührt. Das unfassbare dabei: Keine 4 Wochen später starb auch seine Frau. Woran, weiss ich nicht.
Mit dieser Aufzählung möchte ich verdeutlichen, dass ich in meinem Leben genügend „Berührungspunkte“ mit dem Tod hatte. Jeder Vorfall davon war schwierig und immer wieder anders. Alle genannten Personen hätten normalerweise bestimmt sehr gerne weiter gelebt oder ihr Leben zumindest noch ein bisschen verlängert, wenn es möglich gewesen wäre.
Von mir aus nennt mich „Geisterfahrer“, weil ich aus meinem eigenen Leben und Erleben für mich selbst andere Schlüsse ziehe, als Andere. Ich habe kein besonderes Mitleid mit Personen, die ihr Leben freiwillig hergeben. Für mich ist das Leben das Kostbarste, was es überhaupt gibt. Es aus welchen Gründen auch immer freiwillig aufzugeben, wäre nie eine akzeptable Option für mich.
Wenn jemand bekanntermaßen Depressionen hat, was ich durchaus als Krankheit verstehe, sollte er sich helfen lassen, statt aufzugeben. Das vor Allem, wenn es Verantwortung für Familie und Kinder gibt. Wählt dann jemand trotzdem den Weg ohne Wiederkehr, ist das sein Ding und ich respektiere dessen Entscheidung, allerdings ohne dabei in Tränen auszubrechen.
Vielleicht noch ein paar Worte zu mir selber: Ich war in den Jahren zwischen 1986 und 2006 fast durchgängig besoffen. Erst Frust- und Gewohnheitstrinker, dann Spiegeltrinker. In den 90ern machte ich auch noch ausgiebig Bekanntschaft mit Pillen, Speed und Kokain, was aber nur ein paar Jahre andauerte. Nach insgesamt 20 "dekadenten" Jahren kam ich mit 45 zu dem Schluss, dass es genug ist und habe mich in ein normales Leben zurück gekämpft. Das ohne irgendwelche Hilfe von außen. Mittlerweile trinke ich seit über einem Jahr überhaupt keinen Alkohol mehr. Mein einziges Laster ist das Rauchen ... und Depressionen bekomme ich nur, wenn mir irgendwer erklären will, was Depressionen sind.