Die Beinarbeit und Fitness von Steffi Graf ist sensationell. Das ist nie wieder erreicht worden. Auf youtube gibts so ein Video von vor 10 Jahren oder so auf dem sie mit Andrea Petkovic trainiert und das war schon krass zu sehen, dass ihre Beinarbeit lange nach ihrem Rücktritt immer noch deutlich besser war, als bei einer Top 20 Spielerin.
Aber Steffi hat in den 80ern noch einen enormen stilistischen Vorteil gegenüber ihren Gegnerinnen gehabt. Selbst die Spitzenspielerinnen haben ein reines Finesse-Tennis gespielt und gegen ihre Power nichts zu bestellen gehabt. Graf ist zu einer Zeit nach oben gekommen als sich das Tennis in relativ kurzer Zeit sehr verändert hat und hat einige Jahre davon profitieren können, dass die Finesse-Spielerinnen nichts mehr zusetzen konnten und die neue Power-Generation sich erstmal entwickeln musste (ähnlich war es bei bei den Männern mit dem Aufstieg von Ivan Lendl zur No1).
So Spielerinnen, wie Mandlikova oder Sukova waren tolle Spielerinnen gewesen, mit feinem Händchen, aber null Waffen, um Graf wirklich weh zu tun. Mit Seles, Capriati und Davenport kamen dann nach und nach immer mehr Spielerinnen, die ebenfalls Power-Tennis gespielt haben und am Ende ihrer Karriere hat Steffi ja auch noch gegen die Williams-Schwestern gespielt.
Der Slice ist imho sehr unterschätzt worden. Die meisten Spieler spielen heute beidhändig und fühlen sich bei einhändigen Rückhandschlagen generell etwas unwohl. Sie spielen den Slice nur, wenn sie unter Druck sind und die Zeit/Winkel es unmöglich machen, um einen beidhändigen Schlag zu spielen. Sie lehnen den Slice bereits innerlich ab und betrachten ihn als eine Art Notschlag bzw. defensiven Schlag.
Ein guter Slice kann jedoch auch eine Waffe sein, denn er ist unheimlich unangenehm. Auf einen Slice mit "Biss" kann man nicht so einfach Druck machen, wie auf einen glatten, harten Ball und der Slice von Graf ist sehr flach abgesprungen, was insbesondere für beidhändige Spieler sehr schwer zu handlen ist. Seles und Graf haben sich auf allen Belägen epische Schlachten geliefert, aber in Wimbledon war Seles immer völlig chancenlos. Das hatte imho viel damit zu tun, dass der ohnehin sehr flache Steffi-Slice auf dem damaligen schnellen "Rumpelrasen" überhaupt nicht mehr hochgekommen ist und Seles, als Spielerin die Vor- und Rückhand beidhändig gespielt hat, nicht mehr richtig unter den Ball kam.
Gegen die Slice Rückhand arbeitet man idealerweise mit einer Topspin-Rückhand cross, und wie wir alle aus dem Youtube-Kanal von Patrice Mouratoglou wissen, ist einer der wenigen Nachteile der beidhändigen Rückhand, dass es beidhändig nicht so einfach ist, Topspin in flach abspringende Bälle zu bekommen. Das ist auch der Grund, warum man Steffi Graf nicht einfach dadurch besiegen konnte, dass man einfach nur auf die Rückhand spielt. Denn dann kamen sehr viele eklige, flache Bälle zurück, in die man keinen Spin bekommen hat und etwas druckloser und langsamer zurückgespielt hat, und siehe da, Steffi umläuft als nächstes die Rückhand und haut einem die Vorhand um die Ohren.