Stil? Vitali war absolut unorthodox und ein Problem für jeden Gegner.
Schlaghärte? Nachdem er 2008 wiedergekommen ist hatte er seinen Stil umgestellt - im Prinzip war er ein ebenso harter Schläger wie sein Bruder. Aber hätte der jüngere Bruder die Workrate von Vitali an den Tag gelegt, wäre er hintenraus eingebrochen und abgeschossen worden analog zum Brewster-Fight.
Technik? Wie gesagt, Vitali war kein Lehrbuch-Boxer, aber er beherrschte alle Facetten des Boxens. Wann habe ich bei Wladimir mal einen Uppercut gesehen?
Athletik? Haye ist vom CW absolut ins HW reingewachsen, aber bei ihm war der Grat zwischen Boxer und überflüssigen Show-Muskeln schon schmal.
Haye hätte gegen Vitali Klitschko in Top-Form keine 8 Runden gestanden.
IMO ist Vitali Klitschko klar über seinem Bruder einzuordnen.
Von Haye brauchen wir als HW gar nicht zu reden. Ein großes Talent, der aber vor allem $$$ sieht. Und da ist die Mysthik gewinnbringender als die meisten Fights.
Da wird aber einiges verklärt.
Vitali konnte den Körper bei den Schlägen nicht voll mitnehmen, da er sonst sehr ausrechenbar geworden wäre, weil es technisch nicht reichte. Deshalb musste er weniger Masse in die Schläge legen und sie eher aus den Armen bringen. So konnte er auch eine höhere Workrate an den Tag legen und so versuchte er diese technischen Defizite zu kompensieren. Zudem war er sehr offen, während er versuchte Druck aufzubauen. Die Koordination zwischen Schlag und Beinarbeit war im Vergleich zu seinem Bruder unterentwickelt. Gegen limitierte und ängstliche Gegner reichte es, deren kurze und vorhersehbare Angriffsmomente durch den Schritt oder das nach hinten lehnen zu vermeiden. Er war noch viel mehr als sein Bruder darauf angewiesen, dass der Gegner limitiert ist und sich nichts traut. Boxte jemand mit einer gewissen Klasse mit ihm mit, so wurden seine Defizite schnell offenbart und er bekam Probleme.
Vitali wurde immer wieder durch den Lewis Kampf auf einen Thron gehoben, dem er in Wahrheit nie gerecht werden konnte. In Wahrheit tat Lewis genau das richtige um Vitali zu besiegen, und hatte den Kampf ab der 3. Runde unter seiner Kontrolle. Vitalis Defizite wurden offen zur Schau gestellt, da er mit konsequentem, präzisem Druck nicht gut umgehen konnte.
Er wurde zudem durch Frustration gegen Chris Byrd, der soweit ich mich erinnere nur 1 Woche Vorbereitungszeit hatte, zur Aufgabe getrieben und hatte nie die Absicht diese Niederlage wiedergutzumachen. Er begründete dies mit der Führung die er hatte, was in angesichts aller Umstände nicht zufriedenstellend war. Gerade als es im Schwergewicht einige gute Gegner für ihn gegeben hätte, verletzte er sich aus mysteriösen Gründen und trat zurück. Dann kam er aber doch irgendwie zurück als all diese Gegner abgehalftert oder zurückgetreten waren, und boxte nicht einen Gegner von hohem Format, sondern betrieb Nulpenklatschen.
Lange Rede kurzer Sinn; Seine Reputation beruht auf eine beherzte Kampfhälfte gegen Lewis, und einigen KO's gegen größtenteils unwürdige und/oder maßgeschneiderte Gegner.
Die einzigen zwei Leute von großer Klasse die er geboxt hat, waren Lewis und Byrd, und beide Kämpfe hat er verloren.
Das soll alles dennoch nicht heißen, dass er eine Wurst war. Er hatte schon so einige Qualitäten, hatte ein großes Herz, war nicht so leicht zu boxen, sein Auge, seine Beinarbeit waren nicht so schlecht und er schlug sehr viel aus verschiedenen Winkeln. Aber er hatte eben auch große Defizite die er nicht kaschieren konnte, die ihm auf aller höchstem Niveau einen Strich durch die Rechnung machten, und auch sonst gemacht hätten. Bei Wladimir sieht es da schon ein wenig anders aus. Er ist boxerisch ein ganz anderes Kaliber als Vitali.
Dies alles bedeutet dennoch nicht, dass Haye den Vitali bis vor seiner Verletzungspause besiegt hätte. Das denke ich nämlich eher nicht. Vitali war limitiert, aber Haye ist es in bestimmten Bereichen ebenfalls. In erster Linie ist er kein echter Schwergewichtler, er muss höchste Vorsicht walten lassen um jeden Schlag im Ansatz gut zu sehen. Das ist zwar auch für sonst jeden zu empfehlen, manche Boxer werden allerdings übervorsichtig, da sie spüren dass sie der Power des Gegenübers nicht standhalten können. Konditionell ist er ebenfalls recht schwach, und muss sich seine Körner gut einteilen. Stilistisch wäre er ein schwieriger Gegner für Vitali gewesen, und hätte ihn in der Frühphase oft hart bestrafen können. Wenn es für den Ko nicht gereicht hätte, sähe es nach 6 Runden aber schlecht für ihn aus. Man darf auch nicht die Schläge die Wladimir weggesteckt hat, als Maßstab nehmen. Denn dieser sah die Schläge gut kommen und konnte noch ein wenig reagieren. Anders sieht es aus wenn die Schläge im Winkel nicht zu erkennen sind, weil man falsch steht. Dann geht auch schonmal jemand KO, der eigentlich viel verträgt.