Gegner wie Tucker, McCall, Bruno, Morrison, Vitali, Mercer, Tua, Holyfield waren mehr als gute Boxer. Allein sein letzter Kampf gegen Prime Vitali Klitschko -bei der er völlig Übergewichtig, ohne Kondition, Arrogant und mit 37 Jahren in den Ring stieg, spricht für ihn. Nach dem Kampf reparierte man laut Manny Steward Klitschko mit über 40 stichen! panik:
Ja, Ja - die übliche Legendenbildung. Lewis war unzweifelhaft arrogant - wie so oft in seiner Karriere. Völlig übergewichtig war er nicht. Die Kondition war vielleicht auch nicht die Beste seiner Karriere - aber das war auch nachrangig. Lewis hat diesen Kampf an Ende auch mit Glück gewonnen. Ob man zum Zeitpunkt Vitali nun vorne hatte oder nicht oder ob man Prognosen für den weiteren Kampfverlauf ohne Cut mit dem Brustton der Überzeugung als Gewissheit verkauft oder nicht: Der Kampf sah taktisch dämlich agierende Boxer, die sich weitestgehend deckungslos eine Materialschlacht geliefert haben und schon nach vier Runden fast alle Körner aufgebraucht hatten. Das mag dem zu beiden Akteuren passenden Machismus geschuldet sein - Intelligent ist definitiv anders. Am Ende gewann der weniger Cut-anfällige Boxer verdient, ohne das Recht zu besitzen, sich groß etwas darauf einzubilden.
Kann mir aber einfach nicht vorstellen, dass Wladimir gegen diese harten Jungs aus den 80 und 90er mit diesem Kinn und SOS Modus so lange erfolgreich hätte sein können.
Auch so eine Legende. U.a. weil Wladimir gegen Sanders gekrabbelt ist und gegen Brewster durch den Ring torkelte, bleibt er auf alle Zeiten der Mann mit dem suspekten Kinn - obwohl es dafür objektiv keinerlei Anzeichen gibt. Wenn man sieht, wie viele Treffer am Kinn Wladimir ina llen seinen Kämpfen genommen hat, ohne sich liegend die Hallendecke zu betrachten, dann ist auch diese Behauptung eine lahme Ente. Und auch in der Lewis-Ära sind Boxer WM geworden, die keineswegs ein besseres Kinn hatten - Morrison hat sogar mit seinem mauen Kinn einen WM-Kampf gegen einen der härtesten Puncher der Boxgeschichte gewonnen - das alles spricht für eine differenzierte und weniger plakative Betrachtung.
wie denn das? ich bin ja einer der die Ks normalerweise eher verteidigt, aber wie will wladimir denn schon allein LLs sieg gegen vitali toppen? oder den gegen holyfield? daran ändern doch auch noch zwei jahre und mögliche siege gegen einen wilder, fury oder selbst joshua nichts.
Wladimir kann auf dem Papier was die Erfolge/Titel/Regentschaftsdauer etc. angeht an Lewis vorbeiziehen. Sportlich kann er das nicht. Lewis ist nicht in allen Dingen besser, aber unzweifelhaft in den meisten Bereichen. Was das Gesamtpaket angeht, kommt Wladimir nicht einmal an Vitali vorbei. Klar, Wladimir ist Weltklasse eben auch aus dem einen Grund, den viele Betrachter so hassen, nämlich die Fähigkeit mit wenigen - teilweise fragwürdigen - Mitteln ein sehr konkurrenzfähiges, weil ungemein effizientes Paket zu schnüren und dabei eine zugebenermaßen eher schwache Gewichtsklasse restlos zu dominieren. Das ist es aber nicht alleine. Sein Paket ist mittlerweile so gut, dass er sich im Kampf auch umstellen kann, wenn es die Situation erfordert - da hat er einiges von Steward dazu gelernt. Gerade der letzte Kampf ist da noch einmal ein Fingerzeig.
Ändert aber nichts daran, dass es in der Vergangenheit WMs gab, die das alles auch konnten und die einfach die besseren Komplettpakete geschnürt haben. Unschlagbar
war von denen auch keiner, Schwächen hatten sie alle. Lewis größte Schwäche war seine grenzenlose Arroganz. Etwas, was wohl mal mehr, mal minder ausgeprägt, alle großen Champions zeigten und was auch immer bei Wladimir durchscheint und Kritik herausfordert.
Von der Ära her ist die "Lewis"-Ära natürlich höher zu bewerten, da es Wladimir in seiner Prime-Zeit an einer konkurrenzfähigen Antipode fehlt. Die hatte Lewis reichlich, wenn er auch keinen der Leute in deren Prime geboxt hat. Bezeichnend für die Schwäche des heutigen Schwergewichts ist, dass es einer großen Zahl heutiger Ranglistenboxer noch nicht einmal gelingt, körperlich fit in den Ring zu steigen - etwas was früher sogar so unter Umständen belächelten Nummern wie Henry Akinwande, Bruce Seldon, Mike Weaver etc. gelungen ist.
Auf der anderen Seite führen die überweigend überflüssigen Dirty Tactics von Wladimir - noch zusätzlich zum gewohnten Maß - zu einer weiteren Überhöhung früherer Kämpfe und Boxer aus der Lewis-Zeit und erst Recht deutlich davor. Geklammert, gerungen, geschoben und gedrückt wurde früher auch - manche früheren Kämpfe waren auch nur deckungslosen Umarmungsorgien bei denen der Ringrichter phasenweise mehr ins Schwitzen geriet als die arg statischen Akteure im Ring. Wladimir wird der Murks der Kämpfe gegen Ibragimov oder Povetkin noch lange hinterherlaufen. Die Augenzeugen solch uninsprierenden Antiboxens vergessen gerne, das Lewis auch solche Nummern im Kampfrekord hatte - man denke da nur an den Murks gegen Tua oder die eher fragwürdgen Punkteentscheidung gegen Ray Mercer und Evender Holyfield (2).
Die Häme hat sich Wladimir redlich verdient, das sollte aber nicht den Blick dafür versperren, dass dies auch für so manchen früheren Titelträger gilt.