Was wir noch gar nicht erwähnt haben, ist die psychologische Komponente: Vettel war damals ein junger Fahrer, der noch keinen einzigen Sieg auf dem Konto hatte. Er hatte soeben als jüngster Fahrer überhaupt eine Pole geholt und wusste, dass er im Rennen einen weiteren Rekord aufstellen würde, wenn er das gewinnt. Und er wusste, dass Monza wohl die einzige Chance auf einen Sieg in jener Saison bleiben würde. Das dann gerade auf regennasser Strecke auch wirklich umzusetzen, ist eine starke Leistung.
Keiner sagt, dass das keine Leistung ist, siehe unten. Nach der psychologischen Logik müssen wir aber auch Olivier Panis für seinen Monacosieg hervorheben. Im völlig unterlegenen Boliden hat er vor seinem ersten Sieg die Nerven behalten, und das in Monaco!
Natürlich macht das keiner, aus verständlichen Gründen.
Klar kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass nahezu jeder Sieg auch mit einem grundsätzlich siegfähigen Auto erzielt worden sein muss. Ausnahmen sind eigentlich nur solche Rennen, in denen die vermeintlich sicheren Sieger durch technische Defekte, eigene oder fremde Fahrfehler, strategische Fehlentscheidungen oder Pech mit dem Safety-Car zurückgeworfen werden. Aber dann muss man diesen Maßstab eben auch an Hamilton anlegen und darf sich nicht beschweren, wenn dessen Siege größtenteils auch auf das Auto und nicht auf den Fahrer zurückgeführt werden.
Hmm, aber du übergeneralierst meine Intention hier etwas. Ich sage nicht, dass HAM jemals folgende Funktion erfüllt hat:
Leistung = f(Fahrer)
Das ist, was unsere VET-Proponenten seit über 10 Jahren erfolglos zu argumentieren versuchen. „Seb war ja der Einzige in der Neuzeit, der jemals ein Rennen gewonnen hat, obwohl er einen unterlegenen Boliden hatte!“
Wie wir aber zeigen können und du auch bestätigt hast, gilt eher für dieses Rennen:
VET-Leistung Monza 2008 = f(Bolide, Fahrer, Umstände)
Mithin kann ganz logisch betrachtet niemand die 2. Funktion so argumentieren, dass daraus die 1. Funktion wird. Mit anderen Worten, die Leistung von VET damals war sehr gut, aber sie ist auch nicht anders als die übliche Leistung:
Leistung = f(Bolide, Fahrer, Umstände)
Die Frage, die du jetzt aufmachst, ist, ob HAM nun einer anderen als der 3. Funktion entspricht. Ich würde sagen nein. Ich finde aber auch keine andere Karriereleistung, die jemals anders aussah.