Dass die Reifendiskussion derzeit überschäumt kann ich durchaus verstehen ... sie wird einem ja auch permanent unter die Nase gerieben.
Mit Vettel, Marko und Mateschitz kann man auch kein Interview führen, ohne dass sie das Wort "Reifen" in den Mund nehmen ... da sind Webber und Horner weniger schlimm.
Dass man bei RedBull schon vor dem Rennen in Spanien davon sprach, dass einem der Kurs weniger liegt (weniger langsame Kurven, man kann die starke Traktion nicht so sehr ausspielen) und man trotzdem im Anschluss die Reifen als Hauptverantwortlichen für den eigenen Misserfolg sieht, spricht Bände.
Bei Lotus ist man zurecht stolz auf den eigenen Wagen. Man hat wenig im Vergleich zum Vorjahr geändert, sondern eher daran gearbeitet dem Wagen ein ... nunja ... wie soll mans nennen ... "breiteres Arbeitsfenster" zu geben.
Schließlich soll er Renner bei verschiedenen Zuständen gut funktionieren.
Im Qualifying auf weichen Reifen mit wenig Sprit schnell sein.
Im Rennen die harten Reifen auf Temperatur bringen.
Im Rennen die weichen Reifen nicht verheizen.
Und das im Rennen jeweils für ein Fahrzeug mit viel und mit wenig Sprit ... was die Belastung für die Reifen nochmal unterschiedlich aussehen lässt.
Lotus gelingt es dieses Jahr gut den Wagen so hinzubringen, dass man die Reifen zu den unterschiedlichen Phasen des Rennwochendes ins "Arbeitsfenster" bringt. Zum Teil kann man da ja auch im Rennen reagieren, beispielsweise über die Verstellung des Frontflügels.
Andere haben da schonmal Probleme.
Button kriegte in Barcelona seine harten Reifen am Rennstart nicht auf Temperatur und bekam Graining.
Die Mercedes kamen in Barcelona mit den weichen Reifen anfangs klar, bevor diese schnell abbauten ... mit den harten Reifen ging bei viel Sprit garnichts.
Die Situation ist für Pirelli nicht die einfachste.
Man hat diese Saison weichere Gummis bringen wollen, damit es regelmäßig 2-3 Stops pro Rennen gibt (abgesehen von Monaco). Der Image-Schaden durch die ganze negative Berichterstattung ist durchaus gegeben. Aus Image-Gründen hat man z.B. letzte Saison in den letzten Rennen gerne härtere Mischungen an die Rennstrecken gebracht, um sich aus der WM-Entscheidung "rauszuhalten" ... was RedBull entgegen kam (die auch 2012 einen höheren Reifenverschleiß hatten als Ferrari).
Nun hat man 3-4 Stops und ist auch nicht ganz glücklich damit. Paul Hembery meint übrigens, dass die 2013-Fahrzeuge deutlich schneller sind als die 2012-Pendants und auch dadurch die Reifen stärker belasten. So sehr auch moniert wird, dass man nun schon im Qualifying Reifen schonen muss fürs Rennen, stellt man dieses Jahr z.B. im Q2 die Vorjahres-Rundenzeiten klar in den Schatten.
Und Pirelli? Die testen mit einem 2010-Renault, welcher gut 4 oder 5 Sekunden langsamer ist als aktuelle Fahrzeuge. Kein Team will Pirelli ein ausgemustertes Vorjahresmodell geben, was es dem Reifenhersteller deutlich erleichtern würde den Reifenverschleiß der Mischungen abseits der Rennwochenenden zu untersuchen.
Auch schön, letztes Wochenende hat Pirelli jedem Fahrer einen Satz Experimental-Reifen gegeben, dessen Mischung härter ist, als die 4 bislang in dieser Saison im Einsatz befindlichen Mischungen.
Das Ergebnis? Kaum ein Fahrer hat diese Reifen getestet, es wurden nur 4 gezeitete Runden gefahren und von Button kam der Kommentar, dass jener Reifen viel zu hart sei.
So groß die Aufregung z.B. seitens RedBull und Mercedes über die Reifen ist, man hält sich doch sehr zurück, wenn es darum geht mit anzupacken, um die Situation zu verbessern ... abgesehen vom Rumheulen in jedem zweiten Interview.
Wie auch immer. Als nächstes kommt Monaco und der dortige Asphalt und die geringe Durchschnittsgeschwindigkeit verlangen wenige Boxenstops.
In Kanada will Pirelli dann wohl neue Reifen an den Start bringen, welche eine veränderte Konstruktion aufweisen. Ob die Gummimischungen verändert werden, ist noch unklar.
Reifenschäden wie bei Vergne in Barcelona soll es damit nicht geben. Die veränderten Reifen sollen Strategien im Bereich von 2-3 Stops fördern.
http://www.motorsport-total.com/f1/...ufs_Tempo_Neue_Reifen_ab_Kanada_13051412.html
Hier übrigens ein hübscher Kommentar zu RedBull und der Reifen-Situation:
http://www.auto-motor-und-sport.de/...red-bull-brille-mit-scheuklappen-7115473.html
Ich möchte Rennen sehen und keine Schleichfahrten. Das hat mit der Formel 1 nichts mehr zu tun.
Es gibt immer unterschiedliche Definitionen, was mit "Formel1" und "Motorsport" was zu tun hat ... und was nicht.
Zu weitaus früheren Zeiten der Formel1 hielten sich die Zweikämpfe zwischen den Fahrern auch in Grenzen. Man versuchte auch schonend zu fahren, um Motor, Getriebe, Aufhängung usw. nicht zu überstrapazieren.
Alain Prost äußerte sich z.B. jüngst in einem Interview, dass man in den Turbo-Zeiten als Fahrer deutlich mehr zu tun hatte. Man musste mit dem Sprit haus halten, man musste die Reifen schonen, man musste den Motor auch schonen ... denn die Turbo-Triebwerke hatten soviel Power, dass sie einem - würde man dauernd "voll fahren" - um die Ohren fliegen, den Sprit wegsaufen und die Reifen zerfressen.
Der Unterschied zu heute war damals jedoch, dass die Fahrer nicht im gleichen Maße einen Kommandostand im Rücken hatten, welcher die Positionen aller anderen Fahrer im Feld im Auge hat, um zu berechnen welche Rundenzeiten wann gefahren werden müssen, um zu bestimmten Zeiten hier und da im Feld zu landen.
Der Unterschied zu damals ist ganz einfach, dass der Fahrer permanent vorgegeben bekommt wann er wie Fahren muss.
Natürlich ist das was anderes als z.B. Anfang der 2000er, als ein Schumi von Brawn am Ferrari-Kommandostand gesagt bekommt, er solle nun 10 Qualifikations-Runden am Stück fahren.
Schumacher konnte das und dank nachtanken verhielt sich der Wagen auch ähnlich wie im Qualifying.
Die Reifen haben dies damals zugelassen, so dass man sie teilweise bei Tankstops garnicht wechselte, sondern lieber die angefahrenen und aufgeheizten "Holzreifen" weiter nutzte, als dass man frische kalte Reifen aufzog.
Letztlich war die Formel1 damals nach Schumi-Ferrari-Seriensiegen aber auch alles andere als spannend und die Einschaltquoten waren weltweit eingebrochen.