Ich fand die Strafe gegen Vettel hart ... aber vertretbar. Andererseits hätte ich es auch vertretbar gefunden, wenn es keine Strafe gegeben hätte.
Ich hätte vermutlich auf letzteres entschieden.
Man kann sich das alles natürlich für den eigenen Standpunkt zurechtlegen wie man will. Hatte Vettel keine hinreichende Kontrolle, dann kann er nicht verhindern, dass er über die Strecke rutscht. Klar ... er hat den Fehler gemacht, aber er wird ja dafür bestraft wie er auf die Strecke zurückkommt ... nicht dafür, dass er von der Strecke abkommt. Das Abkommen ist sein Fehler ... wie er zurückkommt ein Resultat dessen. Andererseits ändert das nichts an der Mercedes-Sicht, dass die Rückkehr "unsafe" war, wenn man attestiert, dass Vettel keine hinreichende Kontrolle aufgrund mangelnden Grips hatte.
Hatte Vettel genug Kontrolle, dann stellt sich die Frage, warum er nicht weiter innen geblieben ist. Er lenkt nach rechts gegen, als er auf die Strecke zurück kehrt (sein Heck bricht leicht aus, als er Rausbeschleunigen will) ... dadurch gerät er in Richtung Ideallinie ... mehr oder weniger absichtlich. Fraglich inwieweit das sein Verschulden war. Hat er zu viel beschleunigt? Hätte er weiter innen bleiben können?
Die Situation ist begrenzt vergleichbar mit Verstappen/Räikkönen letztes Jahr in Suzuka. Verstappen hatte die Kontrolle über seinen Boliden, weil er über lackierten Asphalt gefahren ist. Er ist absichtlich so auf die Strecke zurückgekommen, dass er Räikkönen in die Ideallinie fährt, um diesen hinter sich zu halten.
Inwiefern Vettel das gleiche bemüht hat, ist irgendwo Ermessensspielraum.
Ob Vettel gesehen hat wo Hamilton ist? Vielleicht nicht, im Gras guckt man seltener in den Rückspiegel. Aber er wird gewusst haben, dass Hamilton nahe an ihm dran ist. Dass dieser schon neben seinem rechten Hinterrad war, wusste Vettel vielleicht nicht ... sonst hätte er sich über Funk vermutlich nicht geäußert, dass Hamilton sich innen neben ihn hätte setzen können.
Wie auch immer. Streng nach dem Regeltext ist die Strafe durchaus vertretbar. Aber wie bei der Entscheidung auf Handspiel im Fußball oder bei Strafstößen, ist die jeweilige Situation dennoch durch die Stewards zu beurteilen. Hätte Vettel sich zwar hart verbremst , aber die Kurve noch - über die Curbs holpernd - bekommen und wäre Hamilton näher dran gewesen (so dass er sich dennoch am Kurvenausgang versucht hätte daneben zu setzen), dann hätte Vettel sich durchaus verteidigen dürfen (als vorne liegender am Kurvenausgang.
Ab wann zählt es noch als "Zurückkehren auf die Strecke" und ab wann ist es wieder der Zweikampf? Daher auch der schwierige Vergleich zu Hamilton/Ricciardo in Monaco. Dass Ricciardo neben Hamilton kommt ist ein Resultat von Hamiltons Ausritt ... aber Hamilton kommt im Prinzip vorher nicht gefährlich zurück auf die Strecke.
Naja ... die Strafe ist polarisierend. Genauso wie auch Hamilton und Vettel mit ihren Persönlichkeiten polarisieren.
Die anschließende Show, dass Vettel seinen Boliden rückwärts in der parc fermé schiebt anstatt zum Podium (entspricht nicht dem Protokoll, ist aber regelkonform) und die Schilder umstellt? Ich finds unterhaltsam.
Leclerc
Ich frage mich, was er gegen Ende für Answeisungen vom Team hatte. Durfte er noch versuchen Vettel zu kassieren? Immerhin hat er den Rückstand auf 6 Sekunden verkürzt ... es waren wenige Runden vorher noch 10.
Wenn er die Position halten sollte, warum hat man ihm dann nicht neue Reifen gegeben? Sein Abstand zu Bottas war groß ... und es war davon auszugehen, dass Bottas versuchen wird, die schnellste Runde zu holen.
Bottas
Läuft nicht so recht für Bottas. In Monaco siehts in Q1 und Q2 noch gut aus ... in zweiten Versuch im Q3 hat er beim Reifen-Aufwärmen Verkehr und verliert den Kampf um die Pole. Später zerstört ihm Verstappens Boxenampel ein besseres Resultat.
In Montreal läufts auch erst ordentlich ... aber nach dem Dreher im Q3 war die spätere "Hot Lap" nicht dolle.
Das Rennen begann mäßig, zumal er an Hülkenberg nicht vorbei kam. Man dachte mehr oder weniger, dass Hülkenberg ihn aufhält ... aber de facto kam Bottas nie bis zu einem Überholversuch an Hülkenberg heran. Jener kam mit den weichen Pneus auch gut aus der Haarnadel raus.
Erst später im Rennen war der Speed da, als Bottas mit deutlich frischeren Reifen an Ricciardo vorbei ging.
Es hätte auch schlechter laufen können für Bottas.
Verstappen
Lange recht einsames Rennen für Verstappen, erst gegen Ende konnte er aufdrehen, als er die besseren Reifen hatte.
Anfangs sah es noch so aus, als könne er Bottas gefährlich werden, als dieser noch hinter Hülkenberg lag. Aber später zog ihm jener doch ganz schön davon. Für Red Bull ging nicht sooo viel in Montreal.
Ricciardo
Starkes Qualifying. Der Zweikampf mit Bottas war durchaus interessant. Beim ersten Anlauf war Bottas noch überrascht, mit wieviel Geschwindigkeitsüberschuss er auf Ricciardo auflief. Er hatte sich noch garnicht richtig für eine Seite entschieden ... und musste lupfen. In den folgenden Runden kam Ricciardo mal das DRS (durch Russell-Überrundung) oder ein Verbremser Bottas' entgegen. Aber ewig konnt er sich nicht vorne halten. Das war dann etwas grenzwertig, dass Ricciardo erst links fuhr, bei dem kleinen Knick der Geraden nach rechts zieht, sich dann am Ausgang wieder nach links treiben lässt, um dann Bottas' Überholansatz rechts zu blocken. Ganz schönes Hin und Her...
Hülkenberg
Laut SkyUK hatte Hülkenberg auf den Soft-Reifen noch die gleichen Rundenzeiten drauf wie Ricciardo weiter hinten auf den frischen harten Reifen. Das war schon erstaunlich ... zumal die anderen Piloten auf Soft schon lange gewechselt hatten. Vermutlich hätte man ihn bei Renault noch länger draußen lassen können.
Seine ersten Runden auf Hart waren nicht der bringer, er hatte da über Funk auch durchgegeben, dass er Probleme mit den Getriebe hatte. Keine Ahnung inwiefern ihn das beeinträchtigt hat. Der Abstand auf den Teamkollegen wuchs afu gut 10 Sekunden an und somit ergab sich für Bottas eine Lücke durch einen Overcut an Hülkenberg vorbei zu kommen.
Ob sich das von selbst erledigt hat, oder ob man irgendwie an den richtigen Rädchen gedreht hat ... ich weiß es nicht, Hülkenberg war später deutlich flotter unterwegs, erhielt dann aber die Teamorder Ricciardo nicht anzugreifen.
Ein etwas späterer Boxenstop wäre möglich gewesen. Wäre Bottas hinter Hülkenberg rausgekommen wäre es interessant gewesen, wie's weiter geht. Hätte er ihn dann überholen können? Hülkenberg hätte sich mit seinen Reifen vielleicht noch besser wehren können als Ricciardo, der keine gute Traktion ausgangs der Haarnadel-Kurve hatte.
Gasly
Das ging gründlich in die Hose. Gasly kam - ebenso wie Ricciardo - früh in die Box. Aber während Ricciardo noch recht schnell an Stroll vorbei ziehen konnte, hing Gasly hinter diesem fest. Die Racing Point waren klar auf Top Speed abgestimmt ... und Gasly kam selbst nicht mit offenem DRS näher. Sein Red Bull überhitzte komplett hinter Stroll und er musste somit die Leistung zurück drehen.
Bottas, Hülkenberg und Verstappen konnten so schön gemütlich einen großen Abstand auf ihn rausfahren. Gasly konnte nurnoch zuschauen und war machtlos.
Stroll
Gutes Rennen für Stroll. Der Start brachte ihm drei Positionen (Albon und Räikkönen fielen nach ihrer Kollision zurück, Grosjean versuchte Trümmern auszuweichen). Ein paar Runden später kassierte er Giovinazzi.
Während Perez, Kvyat und Sainz Zeit verloren (sie fuhren hinter Giovinazzi und Grosjean, welche einen längeren ersten Stint einlegten), konnte Stroll sich ein Polster rausfahren. So ging es von 12 dann noch drei Plätze vor. Norris ausgeschieden, Kvyat verlor Zeit und Sainz fuhr zu lange auf den harten Reifen.
Ziemlich scharfzüngig der Kommentar von Ted Kravitz, Stroll würde seine Reifen so vorsichtig behandeln, als würde er sie selber bezahlen ... und was auch gewissermaßen der Fall wäre
Watch "Ted's Cheeky Report - 2019 Canadian GP" on Streamable.
streamable.com
Kvyat
Vielleicht wär mehr drin gewesen, wenn er nicht so lang hinter Grosjean gehangen hätte. Am Ende hatte er etwas Glück, dass er bei den Stroll-Sainz-Zweikampf noch mit durchhuschen konnte. Sein Reifenvorteil gegenüber Sainz war nämlich nicht so groß.
Günther Steiner
Steiner ist, glaube ich, einer der beliebtesten Protagonisten bei der Netflix-Doku "Drive To Survive" (irgendwann will ich mir die auch mal angucken). Ab und an wird er auch in die Übertragungen von SkyUK reingeschaltet und sein starker Dialekt stellt den von Toto Wolff in den Schatten.
Auch heute hatte er wieder mit eine Hauptrolle, als er Magnussen mit "Enough is enough" in die Schranken wies. Dieser beschwerte sich lautstark über Funk über seinen Boliden, welchen das Team nach dem Qualifying-Crash in aller Kürze zusammenbauen musste.
Am Rennende entschuldigte sich Magnussen dann reumütig über Funk.
Eigentlich wieder ein Wochenende zum Vergessen für Haas. Grosjean kann sein Glück wohl kaum fassen. Seine Q2-Runde wird nix, nachdem Magnussen knapp vor ihm in die Mauer kracht und beim Start sammelt er die Albon-Trümmer ein (einen davon muss er erstmal wegboxen, nachdem dieser sich im Halo verfängt).