Hallo, ich melde mich auch mal wieder zu Wort.
Tja, wenn man mal von der Vorkriegszeit absieht, als GP-Rennen ohnehin sehr viel länger waren als heute, hat die Formel 1 die meiste Zeit eigentlich sehr gut ohne geplante Boxenstopps mit Nachtanken und Reifenwechsel gelebt. Ich kann nicht sagen, dass die Rennen dadurch sehr viel besser geworden sind. Möglich wurden diese Taktik ohnehin erst durch die Hochdrucktankanlagen und mit entsprechenden Sicherheitstanks, die das (einigermaßen) gefahrlos möglich machen.
Eingeführt wurden die geplanten Boxenstopps 1982 von Brabham-BMW, weil der Benzindurst des damaligen BMW-Turbos das Benzingewicht zum ernsten Problem machte. 1983 waren die Stopps Standard, verschwanden 84 aber mit der Einführung der Tankbegrenzungsformel (die übrigens sehr gute Meisterschaften hervorbrachte) wieder von der Bildfläche. Erst in den 90ern wurden sie wieder eingeführt und dann sogar als eine Art Showeinlage zur Pflicht gemacht, was ich immer als einen miesen Ersatz dafür empfand, dass es zunehmend weniger Überholvorgänge gab. Wobei es einem natürlich ein schönes „Durchblicker“-Gefühl verschafft, wenn man die Taktik eines Fahrers schneller errät, als die Mit-Seher...
Ich glaube nicht, dass es bei der neuen Reifenregel nur darum ging die Autos mit härteren Reifen einzubremsen. Es ging auch darum, die Rennen wieder interessanter zu machen, und das ist ja auch gelungen. In den letzten Rennen gab es durch den unterschiedlichen Reifenverschleiß zum Ende hin wieder spannende Szenen und Überholmanöver. In den letzten Jahren hätte man die Rennen nach dem letzten Boxenstopp oft abwinken können, weil sich danach eh nichts mehr tat. Der Rennsport ist auch wieder näher an den klassischen Motorsport, bei dem das Haushalten mit den Reifen immer zu den entscheidenden Dingen zählte
Aber sicher: häufige Reifenwechsel erhöhen natürlich tendenziell die Sicherheit, wobei man sich aber nicht täuschen sollte: Aufhängungsbrüche kommen auch sonst vor. Reifenschäden passieren auch immer wieder, typischerweise wenn man über ein Trümmerteil fährt, das auf der Strecke liegt. Wenn die Lauffläche abgefahren ist, geht der Reifen meistens noch nicht so leicht kaputt. Das Auto hat dann eben deutlich weniger Bodenhaftung. Die meisten Abflüge passieren nicht durch Reifenmängel. Natürlich wird die Sache dadurch etwas auf die Spitze getrieben, dass die selben Reifen auch im Rennen und Qualifying verwendet werden, was auch dazu zwingt, an die Grenze zu gehen. Es ist halt immer eine Abwägung. Wenn Überholmanöver nur noch in den Boxen stattfinden, ist das auch sicherer, aber will man das auch sehen?
Im Fall von Räikkönen muss man aber sagen, dass ein Reifenwechsel wegen des Bremsplatten zweifellos möglich gewesen wäre. Nur wäre dazu eben ein ZUSÄTZLICHER Stopp nötig gewesen, und dann hätte Kimi nur noch 3. oder 4. werden können. McLaren hat bewusst versucht, den Sieg nach Hause zu bringen, wie Karmakaze ja schon geschrieben hat, und soweit ich sehe, hat sich McLaren auch nicht über die Regeln beschwert. (Stoddard schon, aber der nimmt bekanntlich jede Gelegenheit wahr, um seine Feindschaft zu Mosley zu pflegen). Es ist auch bezeichnend, dass nicht der Reifen selbst kaputtgegangen ist, sondern die Radaufhängung. Aber eine leichte Risikoerhöhung bedeuten die Reifenregeln schon. Ich muss nur sagen, dass ich trotzdem wenig Lust auf die alten Reifenregeln habe. Von mir aus könnte man auch gerne die Hochdrucktankanlagen und damit die Tankstopps abschaffen...