Gitche:
Aah! Endlich mal Barrichello Befürworter.
Naja, im Hinblick auf Barrichello bin ich weder ein großer Gegner, noch ein großer Befürworter. Ich tue mir halt nur immer sehr schwer, aus den ersten paar Rennen so weitreichende Schlüsse zu ziehen. Villeneuve hatte z.B.letztes Jahr gegenüber Massa in den ersten Rennen ähnliche Rückstände und hat dann trotzdem noch gute Ergebnisse geholt...
Womit ich mir ebenfalls ziemlich schwer tue sind solche Charakterisierungen wie "Flasche" für Fahrer wie Barrichello oder Berger, die natürlich nicht zu den ganz großen zählen, aber in ihrer Zeit schon zu den besseren. Wenn ich auf Ende 1999 zurückgehe, als Barrichello bei Ferrari verpflichtet wurde, gehörte er schon zu den 2-3 Leuten, denen ich eine Chance in einem besseren Auto gewünscht habe. Wie viele Fahrer in dieser Art, hat er einige ausgesprochene Stärken, aber auch einige recht deutliche Schwächen, die ihn erheblich einbremsen.
Zu seinen Stärken zählte, dass er zumindest damals einer der 3-4 besten Regenfahrer war. Das konnte man schon im Stewart einige Male sehen und ich erinnere mich immer noch gerne an seinen ersten Sieg 2000 in Hockenheim. In den letzten 10 Runden war die Strecke hinten nahezu trocken und im Motodrom schon reichlich nass. Häkkinen und Coulthard, die im Regen beide nicht besonders waren, wechselten die Reifen hin und her und verloren da eigentlich sichere Rennen glatt. Barrichello brachte das Auto auf Trockenreifen um den Kurs und gewann. Genau unter solchen wechselnden Bedingungen zeigen sich die guten Regenfahrer.
Zu seinen Schwächen zählt, dass er insgesamt nicht so gleichmäßig war, wie die besten und wohl auch länger braucht, um das Auto auf seine Bedürfnisse hinzubekommen. Das merkte man bei Ferrari immer, wenn der Wagen mal nicht so gut lief.
Eine andere Geschichte ist bei Barrichello das Linksbremsen. In den 90ern hat sich auch in der F1 die (aus dem Rallyesport kommende) Technik des Linksbremsens durchgesetzt, d.h. die Fahrer bremsen mit dem linken Fuß, damit sie in einigen Situationen Gas- und Bremspedal gleichzeitig bedienen können. Schumacher tut das recht oft, Alonso, wie man inzwischen in den Einblendungen sehen kann, sehr viel weniger.
Barrichello ist ein traditioneller Rechtsbremser und ist damit auch ziemlich schnell, trotzdem hat er in seiner Karriere mehrfach versucht, sich umzustellen, nur um bei Saisonmitte zu merken, dass er mit seine alten Technik doch besser zurechtkommt. Das erste Mal hat er die Umstellung schon 1995 bei Jordan versucht (wohl der Hauptgund, weshalb sein Teamkollege Irvine damals neben ihm gut aussah und den Platz bei Ferrari bekamt), später auch bei Ferrari wieder, z.B. 2003. Jetzt bei Honda muss er mit links bremsen, weil der Verlauf der Lenksäule das Umsetzen des rechten Fußes nicht erlaubt. Das ist jetzt eins seiner Probleme.
Barrichello war nie ein zweiter Senna oder Piquet, aber als er auftauchte doch ein ausgesprochen talentierter Fahrer, der so einige Teamkollegen in Rente geschickt hat. Und ich denke, dass er vor allem in den ersten 3 Jahren bei Ferrari ganz gute Leistungen abgeliefert hat. So bis 2002 wurden seine Leistungen immer besser, und 2002 war sicher der Höhepunkt, als er Schumacher in mehreren Rennen hätte schlagen können. 2003 war der Ferrari keineswegs durchgängig das beste Auto und das zeigte sich bei Barrichello sehr viel deutlicher als bei Schumacher. Barrichello brauchte sehr viel länger, um das Auto auf sich zuzuschneidern. Und die letzten beiden Jahre war ich von Barrichello bereits zunehmend enttäuscht. Wo 2005 ein Ferrari überhaupt eine auffällige Leistung hingekriegt hat, saß nicht Barrichello am Steuer.
Es kann natürlich sein, dass sich Barrichello mit der Zeit auf den Lorbeeren ausgeruht hat, vielleicht hat er auch schon angefangen, etwas von seinem Speed zu verlieren, obwohl er noch nicht wirklich alt ist. Er ist allerdings aus sehr jung eingestiegen. Vielleicht fühlt er sich subjektiv stark, weil er abgeklärter geworden ist und die Technik besser versteht, hat aber in Wirklichkeit schon nachgelassen.
Irgendwo hat er gemerkt, dass es so nicht weitergehen konnte und dass er von Ferrari aus nach 1-2 Jahren direkt in die Rente gefahren wäre, und versucht, seine Karriere bei Honda neu zu starten. Ob es klappt - hmmmm. Sein Rückstand auf Button wird nicht so groß bleiben wie jetzt und sich dieses Jahr auf 3-5 Zehntel einpendeln, ich glaube aber nicht, dass er dieses Jahr den Wagen wirklich auf sich zuschneidern kann. Und in den kommenden Jahren wird er Button wahrscheinlich trotzdem nicht schlagen können, auch eine Altersfrage.
Technisch könnte es aber sein, dass Honda trotzdem von Barrichello profitiert. Es gibt durchaus eine Chance, dass auch Button davon profitiert, wenn Honda Barrichellos Wünschen entgegenkommt, wobei man sowas von vornherein nie genau sagen kann. Aber manchmal profitieren Teams davon, wenn sie Fahrer mit verschiedenen Sichtweisen an Bord haben.
Die ganzen weitreichenden Rückschlüsse aus ein paar Rennen auf Gott und die Welt finde ich dagegen erheblich überzogen.
Edit: Noch ein paar Worte zu Montoya. Keine Frage, vom Speed und Talent her gehört er zu den besten. Die Probleme liegen eher wo anders. Das kleinere Problem ist, dass er sich bei 3-4 Rennen im Jahr seinen ganz persönlichen Wahnsinn leistet. Das größere Problem ist, dass seine Beiträge zur Entwicklung des Autos zu beschränkt sind. Das konnte man 2004 extrem deutlich sehen, als Ralf Schumacher (der vom Speed weniger gleichmäßig ist als Montoya) verletzt war. Montoya hat aus dem Auto zu Saisonmitte renovierten Auto einfach nichts rausgeholt, als Ralle wieder zurück war, wurde der Williams auf einmal konkurrenzfähig und gewann sogar das letzte Rennen (durch Montoya
).
Ich bin sicher, wenn Montoya, sagen wir mal 2003 zu Ferrari gekommen wäre, wie das Allen gern gehabt hätte, und gegen Schumacher unter den Bedingungen eines echten Team-Wars hätte bestehen müssen, wie etwa zwischen Prost und Senna, bei dem sich die Fahrer nicht mehr die Telemetriedaten zeigen und jeder das Auto getrennt abstimmt - Montoya wäre gnadenlos untergegangen. Montoya hat vom fahrerischen Talent sicher das Zeug um Weltmeister zu werden, aber er braucht einen sehr kongenialen Renningenieur und dazu einen versierten Testfahrer und am besten auch
Teamkollegen, der für die Weiterentwicklung die passenden Impulse gibt.