Die Wahl hier ist schon ziemlich abhängig vom Referenzpunkt. Ich dachte eher es geht um Leute, die im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser oder deutlich schlechter performt haben. Absolut betrachtet, ist Müller natürlich weiterhin ein Verlierer. Es ist vermutlich nicht vermessen zu sagen, dass er ein Top 3 Verdiener der gesamten Buli ist. Dafür ist sein Output schlicht ungenügend und das jetzt schon seit 22 Monaten. Es stimmt aber natürlich wiederum auch, dass er diese Saison deutlich besser ins Spiel eingebunden ist und jeder weiß, dass Kalle sich Müllers Rolle als Flaggschiff mit ein paar Zusatzmios erkauft hat, weil er irgendwann Schweinsteiger und Badstuber in die Wüste geschickt hat. Auch Bayern misst Müller nicht den sportlichen Wert zu, den sein Gehalt suggeriert. Da spielt mehr rein und ich finde es auch unfair Müller vorzuwerfen damit zu kokettieren und das finanziell auszunutzen. Er ist schließlich Profisportler.
Es gibt im modernen Fußball keine Spieler mehr, die Teams im Alleingang zu irgendwelchen Titeln schießen. Manche haben sicher Phasen, in denen sie ihr Team komplett tragen (Ronaldo dieses Jahr im Viertel- und Halbfinale zum Beispiel) aber da reden wir über absolute Ausnahmekönner. Müller gehört nicht dazu. 98 % aller anderen Championsleague-Spieler auch nicht. Der Rest profitiert wie alle im Teamsport von Synergieeffekten.
Hat Müller von Bayern profitiert? Ja. Von 2009 bis 2016 wurde ein System etabliert, das viel Ballbesitz im letzten Spieldrittel generiert hat, ohne dass Müller oftmals selbst dabei mit seinem (auf diesem Niveau) unzulänglichen Kombinationsspiel mithelfen musste. Hat Bayern in der Zeit von Müller profitiert? Ebenfalls ja. Bayern fehlte in der Zentrale immer die absolute technische Klasse sich vorne per One-Touch durch die Mitte zu zaubern und den Ball am Ende mit drei Mann im Liegen über die Linie zu köpfen. Stattdessen war das Spiel horizontal ausgerichtet, die beiden inversen Außen haben das Spiel bestimmt. Und da braucht man Halbstürmer, die zweite Bälle verwerten können oder gegen tiefstehende Gegner sofort zum Abschluss kommen. So wie jetzt beim 1:0 gegen Stuttgart. Gewinnt der Rest keine 1 vs 1 Duelle mehr und nimmt die Qualität des Passspiels ab, nimmt Müllers Wichtigkeit für das Bayernspiel überproportional ab. Er ist der letzte von Bayerns Offensivabteilung, der sowas dann ersetzen könnte.
Das Nationalmannschaftsargument kann man sich immer gerne so hinbiegen, wie man es gerne möchte. Trave betont in jedem Post über Ronaldo die Wichtigkeit von dessen EM-Titel mit Portugal, aber wenn Müller gegen sie 3x trifft sind sie nur ein "Vorrundengegner". In seiner Aufzählung waren die zwei einzig ausgesparten Tore ein 1:0 gegen Argentinien und Brasilien. Was für ein Zufall. Das 3:1 gegen England fiel ca 20 Sekunden, nachdem Lampard einen Freistoß zum möglichen 2:2 an die Latte geknallt hat. Keine Ahnung was es an einem 3:1 zu relativieren gibt. Was natürlich stimmt, ist dass es sich bei Müller um keine reine Vereinskrise handelt. Die Leistungen sind seit zwei Jahren ebenfalls schwach, die EM war ein Griff ins Klo. Aus meiner Sicht wäre sogar seine WM-Nominierung diskussionswürdig, ein Stammplatz ganz sicher. Stattdessen wird er wohl davon profitieren, dass mit Kimmich ein sehr offensivbegabter AV die rechte Seite übernimmt und er damit auf den Halbpositionen in der Mitte rumturnen kann, wo er sich eh deutlich wohler fühlt. Würde mich nicht wundern, wenn er bei der WM dann wieder fünf Tore macht. Fairerweise muss man allerdings auch sagen, dass sein Absturz durch den Referenzpunkt 2015/16 noch deutlich verstärkt wird. Das war nämlich seine mit Abstand beste Bundesligasaison, vor allem dank der überragenden Hinrunde. Im Endeffekt war es auch eher ein Ausreißer nach oben. Sonst war Müller immer ein 10-15 Tore Stürmer und keine Tormaschine, 2011/2012 waren es glaube ich auch nur sieben Tore oder so.