Was ihn berechtigt? Er war drei Mal Weltmeister im Mittelgewicht und hat seinen Titel in einem Vereinigungskampf verloren. Da ist es nun wirklich alles andere als unüblich, dass er danach hoch in der Rangliste steht und der Verband bei einem passenden Gegner einen Ausscheidungskampf sanktioniert. Der Gegner war Soliman, die Nummer eins der IBF. Der hat dem Kampf zugestimmt, die IBF hat folgerichtig den Kampf zwischen #1 und #3 als Ausscheidungskampf deklariert. Das ist auch aus Solimans Sicht nachzuvollziehen, denn erstens gab es eine hohe Börse und zweitens hat Geale nur zwei Tage vorher geboxt und Soliman konnte so aktiv bleiben. Wenn man hier Sturm durch einen x-beliebigen Boxer ersetzt (oder das Forum wechselt), dann stört das niemanden.
Nun war Soliman nach seinem Sieg aber gedopt. Folgerichtig bekommt Sturm seine Position zurück und erneut die Chance, die er im annullierten Kampf hatte. Ist auch alles andere als ungewöhnlich bei Doping-Vergehen. Dass Soliman auf der eins geblieben ist, war eine absichernde Entscheidung der IBF, da das Einspruchsverfahren von Soliman beim BDB noch nicht abschließend geklärt worden ist. Gestern bei der Pressekonferenz hat Thomas Pütz übrigens erklärt, dass nach Prüfung der Sachlage die Sperre für Soliman bestehen bleibt, was er als "juristisch einwandfrei" bezeichnet hat, da er nunmal gegen die Doping-Richtlinien von BDB (Aufsicht-führender Verband) und NADA (Doping-Agentur, der beide Lager zugestimmt haben) verstoßen hat - und das ohne wenn und aber.
Nun bekommt Sturm also einen weiteren Ausscheidungskampf, was so weit in Ordnung ist. Die IBF verfügt dabei, gegen den am höchsten gerankten Gegner zu boxen - ist ja logisch. Das ist bei der IBF Radosevic. Warum er das ist, muss die IBF beantworten. Daran kann man sicher zweifeln. Aber Sturm da zu unterstellen, für die Position verantwortlich zu sein, ist doch lachhaft. Radosevic war bei der IBF schon hoch im Kurs, da war von Sturm vs. Geale noch nicht die Rede. Wie hier schon geschrieben wurde, wenn jemand bei der Platzierung nachgeholfen hat, dann eher die Jungs aus Australien. Für Sturm war dieses Szenario überhaupt nicht absehbar. Das er jetzt die Chance ergreift und über einen vermeintlich schwächeren Gegner einen sicheren WM-Kampf bekommen könnte ist vielleicht für den Fan ärgerlich, aber alles in allem mehr als legitim. Wenn so eine Gelegenheit auf dem Silbertablett liegt, dann wäre man schön dumm, sie nicht wahrzunehmen.
Jetzt werden hier an dieser Stelle schon die lustigsten Verschwörungstheorien gezüchtet. Ist ja klar, alles der böse Felix schuld. Dabei gibt es hier aus neutraler Sicht (wie gesagt: man ersetze Felix Sturm mit einem x-beliebigen Boxer) absolut keinen Grund für Aufregung. Wenn überhaupt in Richtung IBF, die für die Ranglisten-Position von Radosevic verantwortlich sind. Aber leider Gottes gehen hier bei vielen beim Thema Felix Sturm die Lampen aus. Man muss ihn nun wirklich nicht loben und darf ihn auch konstruktiv für seine Leistungen im Ring oder Dinge außerhalb des Rings kritisieren. Aber was hier passiert ist schlicht lächerlich, allen voran, wenn man sich mal die Zeit nimmt und ein paar Minuten die oben geschilderte Situation durchgeht und versteht. Da gibt es nichts zu kritisieren, ganz einfach. Wenn, wie gesagt, bitte die IBF anfeinden. Hier passt das Sprichwort "don't hate the player, hate the game" mal wieder perfekt.
Und jetzt zu den Aussagen auf der Pressekonferenz. Sturm muss als Promoter, Veranstalter und Boxer natürlich Tickets verkaufen. Wenn er sich hinstellt und sagt: "Ja, danke, IBF! Das ihr diese Pfeife so hoch in der Rangliste habt, ist der Wahnsinn! Ich freue mich über dieses Geschenk!" Dann wäre er doch ein unglaublicher Vollidiot. Ob es jetzt so sein mag, oder nicht. Er muss doch von einem konzentrierten und motiviertem Gegner (das wird nichtmal gelogen sein) sprechen, sonst kommt schließlich keiner. Aber um sein Ziel zu verfolgen, muss er nunmal auch den von der IBF vorgeschriebenen Gegner boxen. Kleine Zwickmühle, aber auch hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Bei anderen wird vielleicht auch der Gegner kritisiert, aber anerkannt, dass die Sprüche normal sind und in so einem Fall Boxer A einfach keine andere Wahl hatte, wenn er denn vernünftig handelt, als besagten Gegner zu boxen.
Weiter spricht er von Felix Sturm 2.0. Na gut, das muss man nicht mögen, aber es besagt im Grunde ja nur, dass er sich weiterentwickeln will. Den kurz zuvor spricht er noch davon, dass er den Fehler gemacht hat, sich auf einem Talent auszuruhen und nicht mit der richtigen Professionalität zwischen den Kämpfen gelebt hat. Er zeigt sich also sogar selbstkritisch (eine Eigenschaft, die ihm hier ja sehr viele grundsätzlich aberkennen) und gelobt für diesen Kampf endlich Besserung (eben jenen Felix Sturm 2.0). Natürlich kann er das anders ausdrücken, zum Beispiel sagen: "Ich habe viele Fehler in letzter Zeit gemacht, aber ich will sie verbessern und mich wieder in besserer Form präsentieren." Da fehlt dann das "reißerische" mit der 2.0, aber die Aussage ist im Kern ein und dieselbe.
Alles in allem sollte man hier vielleicht auch bei Felix Sturm etwas neutraler urteilen. Das dass vielen Nutzern hier möglich ist, zeigen die anderen Themen. Aber beim Thema Sturm bekomme ich manchmal den Eindruck, dass der Boxsachverstand innerhalb von Sekunden abgeschaltet und durch blinde Antipathie ersetzt wird.