Warum soll ein Spieler unbedingt versuchen, eine bestimmte Marke zu übertreffen, wenn das ziemlich bewiesenermaßen dem Team nicht mehr bringt? Soll man Wilt für seinen Ehrgeiz loben, dass er allen zeigen wollte, dass er 50ppg schaffen, auch als Jumpshooter scoren und die Liga bei den Assists anführen konnte? Das war alles Pillepalle. Spielerei. Erfolg gab es dann, als ihn sein Coach Alex Hannum schnappte und für diese eine Saison 1966/67 bei Wilt die Überzeugung durchsetzte, dass es nicht um persönliche Stats geht. Als Chamberlain ein Jahr später mit dem Assistwahn anfing, für den du ihn hier lobst, war das Team wieder schlechter als zuvor, und Hannum wurde danach gefeuert, während Wilt sich zu den Lakers traden liess.
Diese Statsleistungen sehen toll aus, aber waren sie ideal für seine Teams? Ich glaube nicht.
Ob Shaq jetzt der dominanteste aller Zeiten ist oder nicht, halte ich da gar nicht für so wichtig. Da gibt es sicher auch noch andere, wie Jordan, der in den Playoffs einige Male eine Schippe drauflegte und seine imposanten Stats aus der regulären Saison nochmal übertraf. Oder auf einer etwas anderen Ebene Bird, der sich ab und zu einen Spaß daraus machte, seine Gegner zu demütigen. Oder eben Russell, der die beste Titelserie und die meisten Championships aller NBA-Spieler überhaupt hat. Ich denke, alle diese hätten noch ganz anders für ihre persönlichen Stats spielen können, aber sie taten es nicht dauernd, und das tat ihren Teams gut.
Noch zum Scoring: Du vergisst dabei auch, dass ein Center nunmal am Korb steht und erst einmal angespielt werden muss. Da ist es gar nicht so leicht, auf die nötige Wurfanzahl zu kommen, während die Guards und Flügelspieler den Ball oft bereits an der Mittellinie bekommen und ständig für sich selbst kreieren. Ich erweitere hier übrigens noch: Nicht nur die Center haben seit bald 30 Jahren nie wieder 30ppg geschafft, sondern auch die PFs nicht mehr, mit Karl Malone als einziger Ausnahme, der 1989/90 einmal diese Marke übertraf. Es hat nicht viel mit persönlichem Unkönnen oder Unwillen zu tun, sondern schlichtweg damit, dass das langsamere Spiel und der erwähnte Umstand, dass diesen Spielern auch erst einmal entsprechend oft der Ball zugepasst werden muss, es kaum möglich machten, so viele Punkte zu erzielen.
Und auch hier nochmal die Frage: Ist es denn überhaupt erstrebenswert, dass ein Guard oder Flügelspieler unbedingt 30+ ppg auflegt? Guck dir mal die Teams an, bei denen das der Fall war:
Iversons Sixers kamen einmal in die NBA Finals, nachdem sie sich durch den schwachen Osten gekämpft hatten, und waren dort komplett chancenlos (der Überraschungserfolg im ersten Spiel hatte in meinen Augen mindestens ebensoviel mit Kobes schwachem Spiel - 15 Punkten bei 22 Wurfversuchen und 6 Turnovers - zu tun wie mit Iversons 48 Punkten, für die er 41 Würfe brauchte). Ansonsten waren die Sixers nie auch nur im Ansatz ein Contender. Ebensowenig die Magic, als T-Mac so viel scorte, oder Wades Heat 2009 oder die Lakers, als Bryant 35,4 und 31,6 ppg auflegte. Auch die Cavs waren dann eher besser, als LeBron nicht im Schnitt 30ppg auflegte, und das gleiche sieht gerade auch wieder so bei den Thunder aus, bei denen Durant in dieser Saison weniger scorte als im Vorjahr.
Platt gesagt spricht für mich das Vorhandensein eines Spielers, der so viele Punkte erzielt und entsprechend viele Würfe nehmen muss, eher für die fehlende Balance in diesen Teams als für sonst etwas. Die Jordan-Bulls sind ganz offensichtlich keine Blaupause, die sich unbedingt zu kopieren lohnt. Das mag fürs Marketing gut sein und Zuschauer anziehen, aber der sportliche Erfolg stellt sich damit eher nicht ein.