Bagnaia ist ein mehr als würdiger Weltmeister. Er hat sich das Leben mit dem einen oder anderen unnötigen Ausfall schwerer gemacht als notwendig, aber er war über die Saison gesehen sicher der schnellste Mann im Feld. Danach hat es in den ersten Wochen noch nicht ausgesehen, aber im weiteren Saisonverlauf war das einfach sehr, sehr gut mit 7 Saisonsiegen. Erster italienischer Weltmeister seit 2009, der erste Ducati-Weltmeister seit 2007 - das gönne ich ihm und Ducati sehr
Quartararo hätte den Titel natürlich gerne verteidigt, aber ich denke, er kann mit seiner Saison sehr zufrieden sein. Letztendlich hat er gegen die Ducatis doch mit stumpfen Waffen gekämpft ... wenn man sich ansieht, wo die anderen Yamahas regelmäßig gelandet sind, muss man schon den Hut vor Fabio ziehen. Nen Tick konstanter und mit weniger Ausfällen als Pecco.
Bastianini mit 4 Saisonsiegen und Platz 3 in der WM ... Chapeau, wer diese fantastische Entwicklung vorgesehen hat
hätte ich definitiv nicht erwartet. Für ganz vorne hat noch ein bisschen die Konstanz gefehlt, aber eine Kunden-Ducati in diese Sphären zu fahren ist aller Ehren wert. Bin sehr gespannt, wie er sich nächste Saison auf der Werksmaschine neben Bagnaia schlagen wird.
A. Espargaro für mich wahrscheinlich der Fahrer der Saison. Einfach, weil ich die Entwicklung, die er mit Aprilia gemacht hat, sagenhaft finde und mich noch immer wieder mal zwicken muss, wenn ich sehe, dass Aprilia da vorne mitfahren kann. Dass er am Ende vom Podest rutscht, fühlt sich nicht ganz richtig an, aber die letzten Wochen waren halt auch nicht mehr ganz so gut. Aber trotzdem, Hut ab!
Miller hat gerade in der zweiten Saisonhälfte noch einmal gezeigt, dass er durchaus was auf dem Kasten hat. Klar, die Bilanz vom Teamkollegen kann er nicht vorweisen, und es sind dann eben auch immer wieder "Nuller" dabei - aber der Mann kann schon fahren, gerade im Regen. Bin sehr gespannt, wie es ihm nächstes Jahr bei KTM gehen wird ... ich hab irgendwie das Gefühl, das könnte gut werden.
B. Binder hat in den Rennen gegenüber den Qualifyings mehr Positionen gut gemacht als alle anderen Fahrer ... bei der Übertragung meinten sie irgendwas von über 90 Plätze. Wahnsinnig konstant, nur ein Ausfall, drei Podestplätze - das war sehr solide. Ein Sieg war ihm im Gegensatz zum Teamkollegen nicht vergönnt, aber das ist der einzige kleine Schönheitsfehler in einer sehr soliden Saison.
Rins mit zwei Siegen in den letzten drei Rennen ... das ändert leider nix daran, dass er und Suzuki eine sehr schwierige Saison hatten. Danach sah es in den ersten Wochen eigentlich noch nicht aus, aber quasi mit der Ausstiegsankündigung Suzukis schien es den Bach runterzugehen. Freut mich, dass er am Ende noch mal so aufzeigen hat können. Nächstes Jahr dann LCR Honda ...
Zarco und
Martin mit jeweils 4 Podestplätzen ... Pramac ist damit in der Team-WM nur knapp an den Top 3 vorbeigeschrammt. Für ein Satellitenteam ist das eine exzellente Bilanz, gefühlt hatten die jedes Wochenende einen Fahrer in den Top 5. Ich hätte das zweite Werksbike natürlich trotzdem Bastianini gegeben, von dem her wird man bei Pramac nicht unglücklich damit sein, mit der gleichen Fahrerpaarung in die nächste Saison zu gehen.
Oliveira hat zwei Saisonsiege feiern dürfen ... aber nur in drei weiteren Rennen konnte er sich in den Top 8 platzieren. Da zog er gegen Binder ziemlich klar den Kürzeren und von dem her finde ich es auch folgerichtig, dass man an Binder festhält, während Oliveira nächstes Jahr mit einem Aprilia-Kundenbike Vorlieb nehmen muss. Sehe Jack Miller da doch als klares Upgrade für KTM.
Vinales stand die ganze Saison im Schatten vom Teamkollegen. In der Mitte der Saison hatte ich dann durchaus das Gefühl, dass er langsam angekommen ist ... da waren immerhin drei Podestplätze drin. Trotzdem, mit Aleix konnte er eigentlich nie mithalten. Vinales hat noch zwei Jahre Vertrag bei Aprilia, mal sehen, ob er sich da nächstes Jahr noch ein bisschen steigern kann.
Marini und
Bezzecchi konnten gerade in der zweiten Saisonhälfte ein paar Nadelstiche setzen ... beide mit mehreren Top 5-Platzierungen, Bezzecchi mit einem zweiten Platz und einer Pole Position. Mehr als ordentlich für ein junges Team, auch, wenn man natürlich klar im Schatten anderer Ducatis stand. Aber die Richtung, in der man sich im Laufe der Saison entwickelt hat, sollte positiv stimmen.
M. Marquez hat verletzungsbedingt nur 12 Rennen bestritten ... bezeichnend, dass er trotzdem relativ klar der beste Honda-Pilot war. Eine Pole und ein zweiter Platz waren dabei, aber das wird seinen eigenen Ansprüchen wahrscheinlich nicht genügen. Der einstige Klassenprimus Honda ist mittlerweile halt auch zum reinen Mitläufer verkümmert, von dem her ist das für ihn keine leichte Situation. Gesund bleiben wäre wichtig.
Mir ist ohne Podestplatz geblieben ... drei vierte und drei sechste Plätze ist für einen früheren Weltmeister eine mehr als enttäuschende Bilanz. Viele Ausfälle, dann auch ein paar Rennen verletzungsbedingt verpasst - eine absolute Horrorsaison für ihn. Jetzt gehts zu Repsol Honda, bin gespannt, ob er dort wieder an frühere Erfolge anknüpfen kann. Eine leichte Aufgabe wird das nicht.
P. Esgargaro,
A. Marquez und
Nakagami bilden eine äußerst enttäuschende Honda-Trifecta im hinteren Mittelfeld. Pol hat noch mit einem Podestplatz eröffnet, aber danach wars wieder ein absoluter Alptraum ... jetzt gehts zurück zu KTM, zu GasGas. Für die beiden LCRs war jeweils Platz 7 das Höchste der Gefühle. Nakagami darf bleiben, Marquez wechselt zu Gresini und übernimmt das Bike von Bastianini.
Morbidelli einfach nur bodenlos. Ich weiß nicht, was da passiert ist, aber es wirkt anno 2022 surreal, dass der Mann mal Rennen gewonnen hat und Vizeweltmeister wurde. Platz 7 war sein Saisonhoch, heute mit Platz 10 noch ein zweites Mal in den Top 10 gelandet ... das wars. Umso beeindruckender, dass der Teamkollege bis zum Schluss um die WM fahren konnte. Morbidelli sitzt auch nächstes Jahr auf der Yamaha ... puh.
Di Giannantonio stand in Mugello sensationell auf der Pole Position ... aber das war das einzige Ausrufezeichen, das er setzen konnte. Während der Teamkollege Rennen gewann und WM-Dritter wurde, war der Rookie nur einmal in den Top 10 und insgesamt nur sechsmal in den Punkten. Er fährt auch nächste Saison noch für Gresini, da muss dann aber mehr kommen.
Dovizioso hat seine Karriere während der Saison beendet ... es war mit dem schwachen RNF-Gastspiel ein eher unwürdiges Ende einer großen, aber ungekrönten Karriere. Testfahrer
Crutchlow durfte ihn dann ersetzen, dem alten Mann ging es aber auch nicht wirklich besser. RNF-Stammfahrer
D. Binder fuhr nur dreimal in die Punkte und wechselt jetzt folgerichtig zurück in die Moto2. RNF wechselt jetzt von Ducati zu Aprilia, dabei bekommt man mit R. Fernandez und Oliveira zwei neue Piloten ... da darf man gespannt sein.
R. Fernandez und
Gardner fuhren mit der Kunden-KTM meist nur hinterher. Beide schafften es sechsmal in die Punkte, ein elfter Platz von Gardner war dabei das beste Resultat. Beide Piloten verlassen das Team: R. Fernandez wechselt zu RNF Aprilia, während Gardner in die Superbike geht. Das Team wird 2023 als GasGas antreten, mit Routinier P. Espargaro und Moto2-Weltmeister A. Fernandet gibts zwei neue Fahrer.
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joah, war unterm Strich wieder eine sehr nette Saison. Es ist ein bisschen schade, dass mit Yamaha und Honda zwei große Hersteller derart schwächeln - und gerade bei Yamaha glaube ich nicht, dass sich das groß ändern wird, nachdem man nächstes Jahr nur noch mit zwei Bikes antritt. Der Ausstieg von Suzuki ist sehr bitter, dafür ist der Aufstieg von Aprilia spannend zu beobachten und auch KTM darf man nicht vergessen. Die Dominanz von Ducati ist aber doch erdrückend, sowohl qualitativ als auch quantitativ (nächste Saison 8 Bikes in einem Feld von 22). Den neuen Sprintrennen stehe ich mehr als kritisch gegenüber, aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren
mit Indien und Kasachstan dann zwei neue Schauplätze, dafür kein Aragon ... dementsprechend 21 Rennen. Schade, dass Finnland erneut nicht auf dem Kalender aufscheint, aber es gibt ja immer "nächstes Jahr"