Es ist ein komisches Gefühl. Auf der einen Seite freue ich mich sehr über den Titel für das unglaublich junge Team, das Sam Presti akribisch über die Jahre aufgebaut hat. Auf der anderen Seite macht mich die Verletzung von Haliburton traurig, weil wir alle ein wenig um ein potenziell unvergessliches Game 7 gebracht worden sind und so spektakuläre Playoffs und die besten Finals seit Jahren so zu Ende gehen mussten. Zudem sind die Thunder um die Chance gebracht worden, zu zeigen, dass sie auch gegen ein Pacers-Team in Bestbesetzung die bessere Mannschaft sind. Insofern habe ich nach der Partie überlegt, ob es überhaupt ein Szenario gibt, wo sich der Titel "schlechter" anfühlt als das was nun mit der Verletzung von Haliburton passierte. Und das heißt nicht, dass sich der Titel schlecht anfühlt, natürlich nicht. Aber es ist irgendwie etwas "unrund", auch wenn die Thunder über die gesamte Saison gesehen die beste Mannschaft der Liga waren.
Aber nun gut: so ist der Sport. Verletzungen gehören dazu. Die Thunder hatten das "Glück", dass sie ihre zahlreichen Verletzungen (Chet verpasste 50 Spiele, Hartenstein 25, Caruso 28, Dort 11, J-Dub 13, Ajay Mitchell 46) während der RS hatten und in den Playoffs weitestgehend ohne Verletzungen auftreten konnten.
Über das Spiel braucht man gar nicht so viele Worte verlieren. Die Pacers warfen alles rein, was sie hatten. Die Thunder begannen bis auf Shai sehr nervös (zahlreiche freie 3er und Freiwürfe gingen daneben), so dass die Pacers Dank überragenden Shooting mit einem Punkt zur HZ führten. Im dritten Viertel übernahmen dann die Thunder auf die Art und Weise, die sie dieses Jahr so stark gemacht hat: Defense, gerade das Forcieren von Ballverlusten. Bei den Pacers gab es zu wenig Playmaking und - mangels Alternativen - zuviel "Heroball" von McConnell, was dann sehr ausrechenbar war. Die Thunder trafen ihre 3er besser und dies führte dann nach und nach zu einer 20-Punkte-Führung. Die Pacers steigerten nochmal ihre Intensität, kämpften sich Dank Mathurin auf 10-12 heran, aber das war am Ende zu viel.
Shai war der verdiente Finals-MVP. Seine Quoten waren letzte Nacht schlecht, aber sein Playmaking war überragend. Und da die anderen Spieler in der Offensive eher die Verantwortung verweigerten und wenig taten, musste er es eben auch manchmal forcieren, gerade im vierten Viertel, als die Thunder die hohe Führung nur noch verteidigen wollten. Insgesamt lieferte Shai eine 30/4/5 Serie. Und nach Shaq vor 25 Jahren ist er der erste Spieler, der Scoring-Champ, MVP und Finals-MVP in derselben Saison wurde.
Nach Shai muss man direkt Chet Holmgren nennen, dessen Defense in dieser Partie fast perfekt war. In der Offensive war er endlich mal effizient. J-Dub wiederum tat sich lange Zeit schwer, die zweite HZ war dann besser. Ansonsten war die Defense von allen eingesetzten Spielern wieder extrem gut. Diese historisch gute Defense generiert einfach einen verdammt hohen Floor für OKC, der es möglich macht, dass auch schwache Abende in der Offensive aufgefangen werden können.
Zum Schluss noch einmal paar persönliche Worte. Ich begleite das Team nun seit der letzten Saison in Seattle, d.h. seit 18 Jahren. Erst der superschnelle Turnaround um Durant/Westbrook/Harden/Ibaka, die extrem großen Erwartungen, dann die Tiefschläge wie die Verletzung von Russ (später dann noch KD), das Wegtraden von Harden. Das Comeback um Durant/Westbrook, als sie 2015/2016 mit einer 3:1 Führung fast die historischen Warriors rausgeworfen hatten. Dann der Abgang von KD ohne Gegenwert, der den leichten Weg über Golden State gehen wollte. Danach gelang es Sam Presti Paul George zu verpflichten und ihn sogar zu einer Verlängerung zu überreden, was erst den späteren Shai+100picks trade möglich gemacht hat. Das Team um Westbrook/George/Anthony war aber nicht gut genug, um ein Contender zu sein, also hat man alles eingerissen und nach der Übergangssaison mit Chris Paul, Gallinari, jungen Shai, usw. wieder ganz von vorn angefangen. Und jetzt ist man der jüngste NBA-Champion seit 47 Jahren.
Es fühlte sich insgesamt zwar wie eine Achterbahn an, aber eigentlich müssen wir OKC-Fans ziemlich glücklich und dankbar sein. Innerhalb von nur 17 Jahren in OKC hatten wir mehrere unterschiedliche Contender-Teams mit Spielern, die regelmäßig entweder selbst gedraftet wurden oder von den Thunder entwickelt wurden. In den 17 Jahren haben wir 12x die Playoffs geschaft, 2x Finals, insgesamt 7x mindstens die zweite Playoffrunde geschafft. Viele Anhänger anderer Teams müssen viel länger auf solchen Erfolg warten, wenn er denn überhaupt kommt. Insofern sollten wir diese Zeit genießen. Und in Anbetracht des Alters des Teams, das Teambuilding, die Assets und die Qualität des Front Office bzw. Coaching staff ist die Wahrscheinlichkeit nicht klein, dass OKC in den nächsten Jahren weiterhin ganz oben angreifen kann.
Insgesamt liest sich mein Beitrag wohl melancholischer, als es eigentlich beabsichtigt gewesen ist. Vielleicht legt sich dieses komische Gefühl bei mir noch. Nach diesen langen Playoffs ist jetzt auch bei mir etwas die Luft raus. Wie müssen sich da dann erstmal die Spieler und die Verantwortlichen fühlen?
Dann noch ein paar Worte generell zum Forum: auch wenn es vielleicht auch mal die ein oder andere unnötige Diskussion mit OKC-Bezug gab, fand ich hier die Stimmung und die Beiträge im Allgemeinen fair und die Atmosphäre gut. Ich habe hier gern während der Playoffs geschrieben. Dafür Danke an die Community und Dank an alle, die als neutrale Zuschauer ohne Thunder-Bezug hier die Spiele kommentiert haben!
EDIT:
Sorry für den langen Beitrag. War eigentlich nicht so geplant.