Michel van Dyke - Disko Fox
Der große van Dyke gibt sich wieder die Ehre. Leider hat er ja schon mit dem letzten Album beschlossen, elektronischer zu werden, um gemeinsam mit seinem Sohn musizieren zu können. Vorweg: das macht er immer noch. Leider, möchte man sagen. Organische, möglichst retrobehaftete Sounds stehen Michel einfach klar besser.
Der Opener "Nicht das ich da vermisse" ist auch einfach doof, leichte Verärgerung macht sich beim Hörer (mir) breit, wo man doch eh schon zwischen Hoffen und Bangen war -weil die letzte Platte auch nur so halbgeil war und die Elektronik nervte.
Zum Glück macht er das mit dem nur von einem Stakkato-Streichquartett im Viva-la-vida Rhythmus begleiteten
Den Vögeln hinterher
sofort wieder wett. Kein Highlight, aber nett und schöner Text.
Ebenso mit Streichern, aber mit kompakter Band und Beat kommt
An dir vorbei
Hübsch, der Chorus catcht. Sowas schreibt Michel auch noch nach 12 Bier und 2 Stunden Schlaf stante Pede. So langsam nimmt die Sache die richtige Fahrt auf.
Dann der Titeltrack. Ach Menno, das ist wieder so anbiedernd elektronisch. Du sollst sowas nicht machen, Michel. Du bist nicht Peter Fox und schon gar nicht modern. Lass das.
Disko Fox
Nach de eher belanglosem "Am Ende der Geschichte" folgt
Marlies und Jan
Yes, baby! Große Melodie, tolles Bacharach-Arrangement. Haargenau so muss es sein. Toller, trauriger Text. Dazu ein ELO "Mr Blue sky" Zwischenpart, was will man mehr) 10/10, das wedre ich sehr lange sehr oft hören
Anschließend geht's in die Vollen:
Niemand liebt dich
geht auf Single-Release. Und es funktioniert. Mächtig düster, aber gut. Hat was von den neueren Neil Finn Sachen.
Das folgende "Weltuntergang" ist belangloses Geplänkel mit Sound-Experimenten. Brauch kein Mensch.
War zum Glück nur ein Zwischenspiel, mit
Deine Eltern
wird es wieder groß. Was für ein toller Text!! Chromatik, Dur-Moll Wechsel, Major 7er, Mellotron, Cellosolo, alles dabei. Und dann diese Refrainzeile:
"Doch ich lieb dich nicht mehr. Wir sind vorbei und lange her. Doch wird manchmal mein Herz ganz schwer - denn ich vermiss deine Eltern so sehr". Das ist großes van Dyke Kino 10/10.
Danach beginnt sich der Kreis zu schließen. " Durch den Wind" ist die sound-identische, dunkle Replik auf "Den Vögeln hinterher". "Ohne dich bin ich nichts" ist textlich stark, schöne Streicher, aber die Backing Tracks sind ein bisschen öde-belanglos.
Insgesamt ein schwieriges Album. Es hat klare Schwächen und die Produktion passt oft einfach nicht zu den Songs, klingt zu gewollt modern. Gleichzeitig aber gibt es absolute Highlights, die es auf jede van Dyke Best of schaffen werden und einen sehr dunklen, aber angenehmen fröstelnden Unterton, der, wen man "Disko Fox" wirklich als Album betrachtet, schon verfängt.
Eigentlich eine 7/10, aber "Marlies und Jan" und "Deine Eltern" sind so toll, dass ich ne 8 gebe.