Hab mir zumindest den Hauptkampf noch angeschaut.
War ja ein Klasse Fight. Linger ist eine Maschine. Scoby hat das eigentlich nicht schlecht gemacht, war teils gut auf den Beinen unterwegs, technisch doch ansprechend aber hat sich dann zu oft auf den Brawl eingelassen. Was ich nicht verstehe, wenn die Rechte gefühlt 100 mal immer und immer wieder einschlägt, warum schaffe ich es nicht meine Linke hoch zuhalten und mich zu decken?
Beide werde ich weiter beobachten, Linger wird kein grosser mehr, aber da könnte der ein oder andere Upset immer drin sein. Scoby ist an sich ja ein sehr solider Boxer, der noch einiges lernen muss. Für mich einer der es zumindest in die Top 50 schaffen kann.
Ich habe mir die Kämpfe von
Linger noch einmal angeschaut und glaube, dass es
nicht so einfach ist, sich
im Infight seiner Rechten zu entziehen. Dafür schlägt er die Rechte nicht gleichförmig und telegrafiert genug. Der Gegner weiß einfach nie, was von wo wie kommt, weil Linger nichts macht, wie man es im Training gelernt hat, aber die Schläge trotzdem sehr variabel kommen. Es ist halt nicht einfach nur immer die Rechte. Dazu kommt, dass Linger instinktiv im Infight genug Distanz hält, um Schläge abfeuern zu können. Er soll ja aus dem Strongman-Bereich kommen und scheinbar ist seine Core-Strength ziemlich gut. Weder Scoby noch Vargas konnten ihn im Infight abklammern. Wie "gut" Lingers Distanzgefühl im Infight ist, sieht man auch daran, dass Kopfstöße in den Kämpfen keine Rolle gespielt haben, obwohl seine Power nicht durch die Beinarbeit kommt, sondern wohl dadurch, dass er seinen Körper in die Schläge "wirft".
Mathi hingegen hatte die Kondition und den Ring, sich dem Infight komplett zu entziehen.
Ich finde
Linger faszinierend. Es gibt selten Boxer, die einen eigenen Stil haben, der allem zu widersprechen scheint, was man in den letzten 100 Jahren im Boxen gelernt hat und trotzdem Siege auf diesem Niveau schaffen. Dass man ihn unterschätzt, liegt vor allen Dingen auch an seiner Beinarbeit. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, habe ich sofort wegen der Beinarbeit nach 3 Sekunden gedacht: Mismatch, weil 99% der Boxer, die mit solcher Beinarbeit in den Ring kommen, keine Power entwickeln können und schwer KO gehen. Dadurch hat er natürlich auch extreme Nachteile bei den Punktrichtern und Kommentatoren, weil die einfach sofort denken: Der kann nicht boxen. Linger hat ja zum Beispiel auch noch zwei MDs gegen sich.
Die Kommentare von
Ak und Barak auf DAZN waren da auch bezeichnend. Linger hat Scoby komplett zerstört und alles, was sie gedacht haben, war: Scoby wegen so einem Nichtskönner die Null zu nehmen, ist nicht fair.
Genau das Gleiche hat der
Ringrichter beim Kampf gegen Vargas gedacht und zwar so lange, bis die Ärzte in den Ring springen mussten.
Mir fallen da im Moment eigentlich nur zwei Boxer ein, die ähnlich faszinierend waren:
Emanuel Augustus und Grzegorz Proksa: Spektakuläre, überraschende Siege oder sie wurden komplett dominiert und zerstört. Wenn es ein Boxer schafft, Linger hart abzufangen, geht dieser KO, aber wenn Linger Glück hat, kann er auch auf einen Boxer auf Elite-Niveau treffen, dessen Power er nehmen kann und der im Infight kein Mittel gegen ihn findet, weil man das im Training halt null trainieren kann. Am Wochenende hat Garcia ja zum Beispiel Haney einmal am Seil gestellt und extrem variabel auf Haney eingeschlagen und Haney wusste gar nicht, was er da machen sollte und ist zu Boden gegangen. Das hat mich schon ein bisschen an Linger erinnert.