Kann sein, dass Helenius zu sehr gehypt wurde. Aber er hat immerhin das souverän erledigt, woran Price zweimal kläglich gescheitert ist. Nämlich past prime und nicht optimal trainierte Ex-Top-Leute klar zu besiegen. Wenn du den Unterschied nicht siehts, kann ich dir auch nicht mehr helfen.
Ist das so? Thompson wird immer an seinen Niederlagen gegen Wladimir gemessen und ist im Ansehen vieler Betrachter spätestens nach dem zweiten Kampf in die Kategorie "alter Opa, der es nicht mehr bringt" gerutscht. Klar, er war vor Price I unzweifelhaft nicht optimal trainiert - man merkte aber auch, dass in den Tagen vor dem Kampf noch einiges Feuer in ihm loderte, vielleicht der Tatsache geschuldet, dass man ihn eben auch als "alten Opa, der es nicht mehr bringt" behandelt hat. Von diesem Feuer war Samuel Peter nach den beiden Klitschko-Niederlagen weit entfernt, insbesondere das Vitali-Desaster hat seine tiefen Spuren bei Peter hinterlassen. Man darf davon ausgehen, dass das dem Züngler ebenso bekannt war, wie der Trainingsstand von Liakhovich nach dessen Briggs-Desaster (insbesondere dessen Zustand im Valuev-Kampf, einen der peinlichsten Auftritte eines Ex-WM der letzten Jahre). Man kann Thompson mit den beiden EX-WMs in einen Topf werfen, macht sich dann aber nicht unbedingt glaubwürdiger.
Natürlich, der Grat ist schmal - Für Thompson gab es in beiden Price-Kämpfen Momente, wo er der Niederlage näher war als dem Sieg - entsprechende Reaktionen bei einer Niederlage wären ihm sicher gewesen. In den Augen vieler Betrachter ist ein Boxer immer nur so gut wie sein letzter Kampf, je nach Präferenzen auch wie seine schlimmste Niederlage.
Du weißt doch selber, dass Helenius den Kampf 10 Runden lang "einarmig" bestreiten musste und wegen der schweren Schulterverletzung danach fast ein Jahr ausgefallen ist. Wie man bei einer solchen Konstellation von "total exposed" sprechen kann, ist mir ein Rätsel.
Boxerisch wurde er von der ersten Runde an exposed - wann wie schlimm die Verletzung nun auftrat oder nicht - das bleibt Spekulation. Viel wesentlicher ist, dass seine bisherigen Auftritte gegen ehemalige Größen/brauchbare Boxer eben meist nicht souverän wirkten. Das Ergebnis mag oftmals gestimmt haben, der Weg dorthin war mit der Demonstration von Schwächen gepflastert. Seine Auftritte gegen Williams und Sprott gingen dann sogar in Richtung panik:
Nein, Thompson hat mich nicht überrascht. Ich hab nie behauptet, dass er fertig ist. Aber es wird doch keiner bestreiten, dass er nicht mehr in seiner prime ist. Und wenn er dann noch beide Male gegen Price mit Rekordgewicht in den Ring steigt, spricht das auch nicht gerade für 100%ige körperliche Fitness.
Ja, richtig. Allerdings: Wirklich austrainiert war eher voher auch nicht - Luft nach oben durchaus gegeben.
Das einzige, was man Helenius wirklich zugute halten kann, ist die Art und Weise, wie er die Kämpfe beendet hat - das davor war in meinen Augen mehr Kampf auf Leben und Tod als klar und souverän.
:thumb: - Er verträgt auch unzweifelhaft mehr als Price.
In gewisser Weise wurde der Hypejob im großen Stil entlarvt - und ich frage mich bis heute, warum der Junge so krass überschätzt worden ist? Wann lernen die Leute endlich, dass man den Boxern mit überzogenen Erwartungshaltungen keinen Gefallen tut? Der Kampfrekord und seine Kämpfe gaben dergleichen nicht her, da müssen in andere Faktoren entscheidend reingespielt haben, z.B. der Amateur-Background oder der Umstand, dass Price groß, trainiert und weiß ist.
Ach naja. Es wurde schon während seines Aufstiegs von kundiger Seite angemerkt, dass er schon in seiner Amateur-Zeit nicht viel vertragen kann. In seinen Profikämpfen vor Thompson I hatte er neben guten Aktionen und ansehnlicher Technik auch einigen Murks geboxt und Kämpfe glanzlos gewonnen. Aufstrebende große Leute mit Punch und brauchbarer Technik werden immer als WM-Kandidaten gehandelt, insbesondere dann wenn ein professionell agierendes Management die Karriere durchgeplant hat. In der Vergangenheit ist das öfter in die Hose gegangen, man denke da nur an an das Jahrhunderttalent Dimitrenko (Don Kohl wurde nicht müde zu behaupten, dass der zum damaligen Zeitpunkt schon besser als die Klitschkos sei - Ergebnis bekannt).
Man hat halt bei Price das Potenzial gesehen, die nächste Stufe auf der Karriere-Leiter zu erklimmen und hat Thompson - wie so viele andere Experten unterschätzt/abgeschrieben. Ohne die ein oder andere Provokation in Richtung Thompson wäre diese Nummer vielleicht auch noch gut gegangen.
Das Matchmaking wurde jedenfalls nicht an die Lernkurve von Price angeglichen: Der war im Kopf und in der boxerischen Anlage nicht mal ansatzweise reif für so einen Kampf; der Eindruck beispielsweise, dass dort immer noch der Amateur bei ihm durchgeht, kommt ja nicht von ungefähr, und das hätte man auch ohne die Thompson-Kämpfe wissen können. Aber gut, Mut und Dummheit liegen oft nah beinander.
Hinterher und von außen lässt sich sowas immer gut nach dem Motto "Hab ich doch schon immer gewusst!" sagen. Wenn man bedenkt, wie eng Sieg und Niederlage in beiden Kämpfen beieinander lagen, finde ich das mit dem "nicht mal ansatzweise" etwas überzogen, auch wenn das Ergebnis Dir da Recht gibt.
Man wird nicht betreiten können, dass es Beurteilungsfehler bei der Lageanalyse gegeben hat. Anderseits: Wie sehr ist das Don Kohl/Klitschko-Lager angegriffen worden, weil es weder gegen Puritty noch gegen Sanders umgehende Rückkämpfe gegeben hat? Es dürfte sicherlich interne Analysen dazu gegeben haben, wie mit der Thompson I-Niederlage umzugehen sei. Dass es Argumente dafür gibt, diese Scharte sofort auszuwetzen, kann kaum jemand bestreiten (ebenso wie umgekehrt). Letztlich war die Entscheidung trotz erheblicher Anstrengungen zu Korrekturen bei Price dann falsch und dann bietet es sich für alle Betrachter, die diese Entscheidung schon voher kritisiert hatten, natürlich geradezu an, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und entweder Häme oder beissende Kritik in Richtung Price-Lager abzulassen - nachvollziehbar und folgerichtig.
Ich gehe auch davon aus, dass man nun gelernt hat und jetzt in Ruhe versucht wird, Price die mentalen, taktischen und technischen Schwächen abzugewöhnen/zu minimieren oder irgendwann diese Mission als aussichtslos zu betrachten. Es spricht derzeit in der Tat trotz gegenteiliger Bekundungen vieles für Letzteres.