Zwischen 2006 und 2014 landete der FC Everton achtmal in Folge auf einem Platz zwischen 5 und 8. Diese Konstanz ist einerseits beeindruckend, andererseits wird Geschäftsmann Farhad Moshiri vermutlich anderes im Sinn gehabt haben, als er den Verein im Jahr 2016 übernahm und viel Geld investierte, um die Toffees zu einer Top-Mannschaft zu formen. In den ersten drei Jahren unter seiner Führung landete man nun auf den Plätzen 7, 8 und 8 ... dementsprechend wird er sich heute vielleicht fragen, ob sein Geld im Nachhinein nicht anders anlegen können.
Aber immerhin, die abgelaufene Saison verlief um einiges ruhiger und stabiler als die vorherige. Denn in der Saison 2017/18 holte man sich unter Ronald Koeman früh mehrere derbe Klatschen ab, worauf der Holländer schon nach 9 Runden seine Koffer packen musste und von Sam Allardyce abgelöst wurde, der die Toffees dann langsam aus dem Keller führte und immerhin noch in die Top 10 schmuggelte. Letzten Sommer konnte man dann Wunschtrainer Marco Silva ebenso zu Everton lotsen wie auch dessen Musterschüler Richarlison, und so wollte man endlich in höhere Tabellenregionen vorstoßen. Dieses Vorhaben misslang aber wieder einmal, mit einem Top 6-Platz hatte man nie ernsthaft etwas zu tun und spätestens nach einer sehr schwachen Phase im Winter (8 Niederlagen in 11 Spielen) war klar, dass Everton mal wieder “nur” dort landen würde, wo sie jeder erwartet. Am Ende wurde es wieder Platz 8 - zwar mit mehr Punkten und einer deutlich besseren Tordifferenz als im Vorjahr, aber die Freude darüber dürfte sich in Grenzen halten. Denn obwohl sich die Top 6-Teams am Ende ein Schneckenrennen um die CL-Plätze lieferten, fehlten den Toffees ganze 12 Punkte auf den sechsten Platz.
Und so bricht Marco Silva in seiner zweiten Everton-Saison zu einer Mission auf, die man auf der blauen Seite Liverpools nur allzu gut kennt und die sich trotz vieler Investitionen mal wieder äußerst schwierig gestalten dürfte. Zumal man am Ende des Transferfensters an einer ganzen Reihe von Wunschspielern scheiterte: Wilfried Zaha, Abdoulaye Doucoure, Marcos Rojo - sie alle sollten noch kommen, bei keinem hat es geklappt. Aber immerhin, die Verpflichtung von Alex Iwobi für knapp 30 Millionen Euro drückte man am Ende noch durch. Und es ist ja nicht so, als hätte man in den Wochen zuvor keine großen Deals eingetütet: vor allem die Verpflichtung von Moise Kean hat aufhorchen lassen. Seit Romelu Lukakus Abgang vor zwei Jahren sehnte man sich nach einem starken Mittelstürmer, und dass man den 19-Jährigen für 27,5 Millionen Euro von Juventus holen konnte, ist ein absoluter Coup. Auch Monaco-Leihgabe Djibril Sidibe ist ein großer Name, und die Erwartungen an Jean-Philippe Gbamin sind ziemlich groß. Routinier Fabian Delph ist ebenfalls neu bei den Toffees, die bisherige Leihgabe Andre Gomes wurde fix verpflichtet. Dafür musste man auch einige gute Spieler ziehen lassen: Mittelfeldmotor Idrissa Gueye durfte nun doch zu PSG wechseln unter hinterlässt eine riesige Lücke im Mittelfeld, die Talente Ademola Lookman und Nikola Vlasic zogen ebenfalls weiter. Die Routiniers Phil Jagielka und James McCarthy durften innerhalb der Liga wechseln.
Zugänge:
Jean-Philippe Gbamin (Mainz), Moise Kean (Juventus), Alex Iwobi (Arsenal), Fabian Delph (Manchester City), Jonas Lössl (Huddersfield), Djibril Sidibe (Monaco/Leihe)
Abgänge:
Idrissa Gueye (PSG), Ademola Lookman (Leipzig), Nikola Vlasic (ZSKA Moskau), Phil Jagielka (Sheffield U.), James McCarthy (Crystal Palace), Brendan Galloway (Luton), Ashley Williams
Manager: Marco Silva
Der 42-Jährige war bereits Cupsieger in Portugal und Meister in Griechenland, ehe es in nach England verschlug. Seine erste Station war dort auch eine undankbare, denn als er bei Hull City das Zepter übernahm, waren die bereits auf Abstiegskurs - und auch, wenn Silva diesen nicht verhindern konnte, so wurden doch andere Vereine auf ihn aufmerksam. Der FC Watford griff zu, und mit ihm startete man sehr gut in die Saison 2017/18 - bis Everton anklopfte und die Beziehung zwischen Watford und Silva in die Brüche ging. Silva wurde entlassen und heuerte letzten Sommer dann tatsächlich bei den Toffees an. Platz 8 war letztlich nicht unbedingt das, was man sich erhofft hatte ... läuft es im zweiten Jahr nun besser?
Player to watch: Moise Kean
Immerhin 6 Tore konnte der Jungnationalspieler letzte Saison in 13 Serie A-Spielen für Juventus erzielen. Zu seinem Pech ist dort alles auf Cristiano Ronaldo ausgerichtet und die Konkurrenz auch sonst sehr stark, und so entschied sich der 19-Jährige, seinen Vertrag nach zu verlängern und sein Glück woanders zu suchen. Die Aussicht auf jede Menge Spielzeit brachte den FC Everton schließlich in die Pole Position, obwohl deutlich namhaftere Vereine sicher Schlange gestanden wären. Bei den Toffees sind die Erwartungen sehr hoch, nachdem man Stürmer wie Wayne Rooney, Cenk Tosun und Sandro Ramirez in den letzten Jahren enttäuscht haben. Kann er die Hoffnungen der Everton-Fans erfüllen?
X-Factor: das Mittelfeld
Schon im Januar wurde Idrissa Gueye heftigst von PSG umworben. Damals konnte Everton einem Wechsel noch einen Riegel vorschieben, im Sommer war es jetzt soweit. Gueye war Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld und absoluter Schlüsselspieler - ihn zu ersetzen wird eine Mammutaufgabe für den Ex-Mainzer Jean-Philippe Gbamin. Zumal sich ein Transfer von Abdoulaye Doucoure noch zerschlagen hat, der wäre als Partner sehr wichtig gewesen. Diese Aufgabe fällt nun wohl Andre Gomes zu, eventuell auch auf Fabian Delph oder Morgan Schneiderlin (wenn er nicht in die Türkei geht). In jedem Fall große Fußstapfen für Gbamin und das Mittelfeld generell.
Prognose: 7.
Der Abstand auf die Top 6 war letzte Saison sehr groß, und auch, wenn man mit Moise Kean den Angriff klar verstärken konnte, so hat man es am Ende durch das Scheitern einiger Deals doch verabschiedet, die Lücke zu schließen. Ich vermute, dass sich Everton mit Wolverhampton und Leicester um Platz 7 prügeln werden und in diesem Kampf gute Karten haben. Alles, was darüber hinaus geht, würde mich doch überraschen.