Pflichte dir zum großen Teil bei, gebe aber zu bedenken, dass die Tür für Zverev in die Weltspitze sehr viel weiter offen steht als seinerzeit für Murray oder del Petro. Gegen Federer, Nadal und Djokovic in Prime-Form war es für die jungen Spieler schon sehr schwer, Land zu sehen. Klar waren Federer bei den AO und Nadal in RG beeindruckend, aber solche Leistungen rufen die in dem Alter auch nicht mehr an 52 Wochen im Jahr ab. Und so wie Murray und Djokovic momentan agieren, gäbe es da für die Youngsters schon Nischen, in die man stoßen kann.
Das stimmt. Das streite ich auch gar nicht ab. Es war ja meine Absicht, auch die Leistungen von Murray und Del Potro zu verteidigen, die es in der Tat sehr schwer hatten oder auch Spieler, die nie einen GS gewinnen konnten. Ich wollte auf die generelle Erwartungshaltung hinaus, dass mit 20 unbedingt überragende Grand Slam-Ergebnisse hermüssen. Es ist alles andere als dramatisch, wenn die bei Zverev erst 2018 oder 2019 kommen. Ob er nun einen Grand Slam-Titel gewinnt oder fünf, halte ich auch nicht für extrem wichtig, wie hier schon geschrieben wurde. In Deutschland und beim DTB sollte man generell froh sein, wieder so einen Spieler zu haben. Angeblich soll ein anderes Land massiv um Zverev gebuhlt haben. Er spielt aber dennoch für Deutschland.
Er ist mit großem Abstand der beste 20-jährige der Welt. Er liegt in seiner Entwicklung weit vor einem Haas oder Kiefer, die auch renommierte Top Ten-Spieler gewesen sind.
Federer, Nadal und Djokovic sind in ihrer Turnierplanung natürlich sehr ökonomisch. In diese Lücken bei den anderen Turnieren ist Zverev auch hineingestoßen, aber bei den großen Turnieren sind sie nicht so weit weg von ihrer Prime, obwohl es natürlich einen Unterschied gibt. In der Spitze gibt es bei den Herren Lücken, weil die Jahrgänge von 1988 bis 1994 nicht so geliefert haben, aber in der Breite ist das Feld sehr fordernd. Fordernder als vor 10 oder 20 Jahren, was auch ein Florian Mayer geäußert hat. Das kostet am Ende des Tages Energie. In Halle war es letztlich auch eine Frage der Kraft.
An Zverev gefallen mir sein druckvolles, stabiles Spiel von der Grundlinie und mittlerweile auch sein Aufschlag sehr gut. Für sein Alter sogar außerordentlich gut. Er bekommt halt große Probleme, wenn er seinen Gegner mal nicht von der Grundlinie abschießen kann. Stichwort „Variabilität“, die elpres schon angesprochen hat.
Richtig. Das habe ich auch schon kritisiert. Das sieht man vor allen Dingen dann, wenn die Bedingungen sehr langsam sind. Sein Rückhand-Stopp ist gut und er kann mit Winkeln spielen, aber er setzt das zu selten ein.
Richtig schlimm finde ich nach wie vor seine Volleys. Die Spiele gegen Bautista-Agut und Gasquet in Halle konnte ich sehen und da ist mir aufgefallen, dass Zverev zwar oft im richtigen Moment ans Netz kommt, aber dann den Volley trotzdem verlegt. Also er hat schon ein Gespür dafür, wann er vorkommen muss, aber ihm fehlt dann das Händchen. Und ich glaube, dass man den „Touch“ nur zum Teil erlernen kann, das hat schon viel mit Talent zu tun. Er muss ja kein Edberg oder Sampras werden, aber sollte dringend sein Netzspiel verbessern. Was nicht ist, kann ja noch werden. Nadal und Djokovic haben das Netz früher ja auch gemieden, wo sie konnten. Aber alleine, um ökonomischer durch kräftezehrende Best-of-Five-Matches bei einem GS-Turnier zu kommen, wäre der ein oder andere schnelle Serve-and-Volley-Punktgewinn Gold wert.
Die Probleme beim Netzspiel sehe ich eher umgekehrt, ogleich seine Volleys besser werden müssen. Sie sind m.E. einigermaßen okay, zumindest der Rückhandvolley, aber er geht oft nicht im richtigen Moment ans Netz. Dadurch kommt er in eine schwierige Postion für den Volley. Er muss dann den schwierigen Volley spielen, mit dem er dann heillos überfordert ist. Insbesondere gegen RBA hat er da einige Fehlentscheidungen getroffen. Gegen Gasquet fing er endlich an, sofort konsequent durchzulafen und schon wurde die Quote am Netz besser. Das war für seine Verhältnisse gut. Ein Volley spielt sich gleich deutlich einfacher, wenn man nahe am Netz und nicht irgendwo im Niemandsland steht.
Die gewählten Beispiele sind gut. Er muss heutzutage auch kein überragender Netzspieler werden, da selbst auf Rasen primär von der Grundlinie gespielt wird, aber ein solides Netzspiel muss er sich erarbeiten. Das Djokovic-Beispiel ist genau richtig. Der hatte in diesem Bereich mit 20 ebenfalls große Probleme, hat sich dann aber im Laufe der Jahre ein ordentlich Niveau erarbeitet. Das reicht völlig. Ich sehe keinen Grund, warum Zverev das nicht auch schaffen sollte.
Zverev hat noch drei Baustellen:
1. Seiner Physis fehlt noch ein Stück für zwei Wochen Best of-5. Für mich sogar sein größtes Problem bei den Grand Slam-Turnieren.
2. Das Netzspiel.
3. Es fehlen ein paar Variationen. Insbesondere bei langsamen Plätzen bekommt er hier Probleme.
Aufschlag, Vorhand, Rückhand und Return sind überragend. Seine Beinarbeit ist für seine Größe auch gut. In Sachen Bewegung kann er nicht mehr viel verbessern, da er einfach so groß ist.