Ich weiß nicht, ob auf dem Land früher mehr Kinder gespielt haben. Da gab es ja auch damals mehr Kinder als heute. Aber in den Städten/Ballungsräumen ist eher das Gegenteil der Fall. Allein schon dadurch, dass die meisten Kinder heute früher in den Verein kommen und es mehr Altersklassen gibt. Als ich in den frühen 80er Jahren mal Vereinsfußball ausprobierte, waren die jüngsten Spieler in der D-Jugend. In der Grundschule waren Vereinsfußballer quasi nicht existent. 1995 habe ich bei meinem Kiezverein eine D-Jugend als Trainer übernommen. Da war unter uns noch eine E-Jugend und dann war Ende. Heute hat fast jeder Verein eine G-Jugend (da spielen die gerade eingeschulten Knirpse), viele schon eine 2.G (Kinder im letzten Kita-Jahr), und einige fangen jetzt an, darunter noch "Bambinis" zu, ja was eigentlich? Trainieren?
Was ich noch anmerken wollte, auch auf den Beitrag von
@le Tissier hin - Warum gibt die Allgemeinheit in Form von Bau und Unterhalt von Sportstätten, Bezahlung von Platzwarten, steuerliche Begünstigung von Aufwandsentschädigungen für Trainer, und einiges mehr, was mir gerade nicht einfällt, so viel Geld für den Vereinsfußball aus? Damit sich am Ende eine von x Mannschaften "Meister" nennen darf? Damit die Vereine möglichst viele kleine Messis ausbilden, die später für Millionen nach England verkauft werden können? Nein, das ist alles zweitrangig! Die Hauptaufgabe für einen Trainer im Jugendbereich ist, möglichst viele Kinder über möglichst viele Jahre hinweg zu motivieren, dreimal in der Woche für 2 Stunden das Smartphone oder das Tablet zur Seite zu legen, und an der frischen Luft Sport zu betreiben. Und da gilt (leider) - viele Wege führen nach Rom, aber es werden zu wenige angeboten.
Es gibt Kinder, die bringen von sich aus den Ehrgeiz mit, sich immer wieder verbessern zu wollen. Denen es nichts ausmacht, einen Ball stundenlang und täglich irgendwo gegen die Wand zu passen, rechts-links-Innenseite-Außenrist-Spann, um sich zu verbessern. Die ein ganzes Training damit verbringen können, bestimmte Schrittfolgen auf der Koordinationsleiter zu üben. Die sich beim Torschusstraining ärgern, wenn der 10.Schuss an den Pfosten geht, obwohl die 9 vorher unhaltbar geschossen waren, und die anderen aus der Mannschaft höchstens 5 Treffer geschafft haben. Für diese Kinder ist ein Spitzenverein genau richtig. Aber das ist nicht die Masse! Wer diesen Ehrgeiz nicht von sich aus hat, dem bringt es überhaupt nichts, wenn ihm so ein Mammutprogramm von außen aufgezwungen wird.
Bei 99% der Spieler ist es später völlig wumpe, ob sie eine gute Technik haben und Diagonalpässe über 60 Meter spielen und annehmen können. Es ist auch egal, ob sie beidfüßig schießen können. Wichtig ist, dass sie auch als Jugendliche (und Erwachsene) gerne zum Training kommen, und nicht sagen "Oh, nee, ich bleib lieber zu Hause". Als Trainer musst du das lesen können und auf die Spieler eingehen. Das eine Extrem sind die oben angesprochenen Trainingsformen. Das andere Extrem wäre ein Training, wo sich die Spieler auf dem Platz treffen, es wird ein Ball rausgeholt, 2 Mannschaften eingeteilt, und dann wird ohne jede Vorgabe gezockt. Auch das sieht man, aber eher im Erwachsenenbereich bei den Thekenmannschaften und älteren Herren. Es gilt den Mittelweg zu finden, und der liegt bei jeder Mannschaft anders. Was
@le Tissier angesprochen hat, kleine Felder, viele Spielformen, unterschiedliche Tore, maximal 4 gegen 4, usw. das ist das, was in der Trainingslehre heute als moderner Fußball verstanden wird. Das ist auch richtig und ich biete das auch viel im Training an. Ich mache aber immer wieder die Erfahrung, dass schon für die Kleinen "richtiger Fußball" bedeutet, mindestens Handballtore, draußen die 5-Meter-Tore, alle Spieler auf dem Feld (selbst wenn es 10 gegen 10 sein sollten). Ja, wenn ich so etwas mit einer F-Jugend mache, bedeutet das Chaos, Spielerknäuel auf dem Platz und Klopp-die-Kugel als Taktik. Die Spieler lernen dann nur sehr wenig. Aber wenn es dazu führt, dass alle glücklich vom Platz gehen, bricht mir denn ein Zacken aus der Krone, wenn ich die letzten 15 Minuten "groß" spielen lasse? Zumal dadurch auch im Hauptteil des Trainings viel motivierter mitgezogen wird, wenn die Kinder wissen, nachher kommt "das richtige Spiel".
Dasselbe gilt auch für andere Aspekte, die grundsätzlich richtig und vom DFB gefordert sind. Stichwort "Jeder soll alle Positionen spielen" - da fehlt mir ein DÜRFEN am Ende. Wenn ein Kind Angst vor dem Ball hat, werde ich es nicht zwingen als Torwart zu spielen, nur weil es die Position noch nicht gespielt hat. Manche Kinder fühlen sich in der Abwehr wohler, weil sie da das Spiel vor sich haben, und der Gegenspieler nur selten mitkommt, wenn sie nach vorne gehen. Andere wollen nur zum Tore schießen vorne sein. Von daher DARF bei mir jedes Kind auf jeder Position spielen, es muss aber nicht. Dasselbe gilt für Auswechselspieler. Jeder kommt rein, WENN ER SPIELEN MÖCHTE. Aber manchmal wollen die Kinder gerade nicht. Dann ist ihnen das Tempo gerade zu hoch oder (bei knappem Spielstand, die zählen auch dann genau mit, wenn man ihnen sagt, das Ergebnis wäre unwichtig) sie haben Schiss einen Fehler zu machen. Oder es sind ihnen in der anderen Mannschaft zu viele Grobiane auf dem Platz. Dann versuche ich natürlich, die Kinder davon zu überzeugen, dass sie mitspielen, aber wer nicht will, der bleibt eben bei mir an der Seite. Meistens ergibt sich eine Struktur in der Mannschaft dann von ganz alleine.
Wenn man nämlich die Kinder nicht da abholt, wo sie sind, sondern in das eine oder andere Schema zwingt, dann ist spätestens in der C-Jugend, wenn die Pubertät einsetzt, Schluss mit Fußball, und meistens dann auch mit Sport überhaupt. Mal wird offen rebelliert ("Du kannst mich mal, ich gehe nicht zum Training!"), häufiger wird sich im Training und Spiel aber so verhalten, dass der Trainer den Spieler nicht mehr berücksichtigt.