Endlich hat das Leben wieder einen Sinn, die Snooker-WM steht an.
Coronabedingt fand diese im letzten Jahr erst im Sommer statt und musste teilweise ohne Zuschauer ausgetragen werden. Seinen sechsten WM-Titel musste Ronnie O'Sullivan aber zum Glück nicht vor leeren Rängen feiern - zumindest ein Teil der Plätze konnte genutzt werden. O'Sullivan schlug im Finale Kyren Wilson deutlich mit 18:8 und konnte so zu Steve Davis und Ray Reardon aufschließen. In der "modern era" (seit 1969 spricht man davon) steht damit nur noch Stephen Hendry vor The Rocket.
Während O'Sullivan das Unternehmen Titelverteidigung ab Samstag angeht, konnte sich Stephen Hendry, der vor wenigen Monaten sein Comeback nach neun Jahren Pause gegeben hat, keinen Startplatz erspielen. In der ersten Runde der Qualifikation konnte er im Duell der Legenden Jimmy White schlagen, aber in Runde 2 war gegen Xu Si Endstation. Alexander Ursenbacher, der im letzten Jahr erstmals bei der WM spielte, konnte sich ebenfalls nicht durchkämpfen und schaut sich das Turnier in der Schweiz vom Sofa aus an. Dabei greift er sicherlich auf den Heimatsender des Snookersports zurück. Seit gefühlt 1000 Jahren wird bei Eurosport durch Rolf Kalb bestens versorgt und kriegt auch diesmal Snooker satt serviert. Wer sich den genauen Sendeplan anschauen will, wird hier fündig...klick mich
Mit gut 2,4 Millionen Pfund bleibt das Preisgeld konstant. 500.000 Pfund wird der Sieger kassieren und sollte es nach 2020 auch in diesem Jahr ein Maximum geben, streicht der Spieler, dem dies gelingt, 40.000 Pfund ein. Im letzten Jahr gelang John Higgins in seiner Zweitrundenbegegnung gegen Kurt Maflin die 147, allerdings konnte er nicht das Aus gegen den Norweger verhindern. Mit 45 Jahren ist Higgins seitdem der älteste Spieler, der bei einem Profiturnier ein Maximum spielte.
Kommen wir jetzt zu den Favoriten auf den Gesamtsieg.
Natürlich ist in diesem Zusammenhang der Titelverteidiger Ronnie O'Sullivan zu nennen. Wenn einer weiß, wie man im Crucible Theatre erfolgreich ist, dann ist es Ronnie, der als Weltmeister traditionell an Nummer 1 gesetzt ins Turnier gehen und am Samstag vormittag um 11 Uhr das Turnier eröffnen wird. Für seine Verhätnisse spielte O'Sullivan in der Saison 2020/21 relativ viele Turniere. Wahrscheinlich, weil ihm in der Pandemie langweilig war und es eh keine anderen Dinge gab, die er machen konnte. In dieser Saison offenbarte O'Sullivan ungewohnte Schwächen in Finalspielen. Gleich bei fünf Turnieren konnte er ins Finale einziehen, aber keins davon gewinnen. Somit steht er weiter bei 37 Erfolgen bei Rankingturnieren - was selbstverständlich ein Rekord ist. Sein Erstrundengegner ist Mark Joyce, der erstmals bei einer WM dabei sein wird. Joyce konnte Ronnie in den bisherigen drei Duellen immerhin einmal schlagen, aber das liegt schon mehrere Jahre zurück und war über eine deutlich kürzere Distanz. Bei der Weltmeisterschaft bräuchte Joyce, den mit Mark Allen eine tiefe Abneigung verbindet, 10 Frames, um O'Sullivan rauszuhauen. Das wird nicht passieren und dann wartet der Sieger von McGill/Walden auf Ronnie. Auch im Viertelfinale wären mit Ding Junhui, Bingham oder Maguire keine Alptraumgegner, so dass Ronnies Weg ins Halbfinale nicht gerade furchteinflößend wirkt. Halbfinale sollte also das Minimum sein.
Dort könnte es dann zum Duell mit Mark Selby kommen.
The Jester from Leicester startete mit dem Turniersieg beim European Masters in die Saison und konnte dann im Dezember bei den Scottish Open nachlegen. Hier ließ er Ronnie im Finale keine Chance und gewann deutlich mit 9:3. Danach reichte es zwar nicht mehr zu einem dritten Titel, aber mit einem weiteren Finaleinzug (Shoot Out) und drei Halbfinals kann sich die Saison bisher mehr als sehen lassen. Selby ist wahrscheinlich der beste Spieler, wenn es darum geht, mit seinem b-Game erfolgreich zu sein. Ein Selby in guter Form ist sogar noch gefährlicher und so sollte man Selby auf dem Zettel haben. Mit Maflin hat er direkt einen happigen Auftakt vor der Brust, danach wartet vermutlich Mark Allen auf ihn. Allen hat bisher im Crucible keine besonders gute Bilanz und wenn Selby die Runde übersteht, könnte es zu einem Duell mit Willo oder Higgins kommen. Neben Ronnie ist Selby für mich der zweite Favorit in der oberen Turnierhälfte.
In der unteren Hälfte gibt es ebenfalls zwei Spieler, die zu den großen Favoriten gehören.
Neil Robertson ließ in der Pandemie die Matte wachsen. Dies tat seinem Spiel aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, sexy Neil konnte sich neben der UK Championship auch noch die Tour Championship Ende März sichern. Hier gewann er mit 10:4 gegen O'Sullivan und zeigte, dass mit ihm zu rechnen ist. In den letzten beiden Jahren kam er bei der WM jeweils ins Viertelfinale. Diesmal soll es auf jeden Fall weiter für den Weltmeister von 2010 gehen. Der Weg zu Titel Nr. 2 ist aber mit einigen Brocken gesät. Liang Wenbo in Runde 1, danach Lisowski oder Carter, dann Hawkins oder Kyren Wilson. Leicht ist anders und das wäre nur der Weg ins Halbfinale, wo der Typ warten könnte, auf den ich gleich näher eingehe.
Hoppla, falsches GIF. Natürlich spielt der orangene Trottel nicht mit. Der Typ, den ich meine, ist dieser hier...
Judd Trump ist der Überflieger der bisherigen Saison. Gleich fünf Titel konnte er sich holen und somit geht er mit einem riesigen Selbstvertrauen in die WM, bei der er WM-Titel Nr. 2 anstrebt. Bis zum Halbfinale sehe ich niemanden, der ihn auch nur ein bißchen gefährden kann. Gegen Highfield, Gilbert, Murphy oder Bingtao kann er sich eigentlich nur selbst schlagen. Danach kommen die Großkaliber, aber mit seiner Mischung aus "Naughty Snooker" und den mittlerweile sehr starken Safeties ist er zumindest mit jedem, der da kommen sollte, auf Augenhöhe und für mich sogar jeweils leichter Favorit. Der Titel geht hier nur über Judd Trump.
Players to watch:
Kyren Wilson - The Warrior musste in seinem ersten WM-Finale Lehrgeld zahlen, aber Wilson ist ein kommender Weltmeister, vielleicht noch nicht dieses Jahr, aber in den nächsten fünf Jahren wird er sich seinen Titel holen.
Jack Lisowski - Lisowski hat sich in diesem Jahr endgültig in der Weltspitze etabliert. Wenn sein Buddy Judd nicht dreimal im Finale im Weg gestanden hätte, hätte er in dieser Saison seinen ersten Titel bei einem Rankingturnier geholt. Hat alles für die großen Titel. Aber selbst, wenn es niemals mit einem solchen Titel klappen sollte, er hat den größten Sieg schon vor Jahren geholt, als er den Krebs (Hodgkin-Lymphom), der mit 16 Jahren diagnostiziert wurde, besiegen und seine Profikarriere starten konnte.