In Sachen Spielniveau ein aktuelles Interview vom König:
Veröffentlicht am 21.09.2005 um 16:46 Uhr
Quelle: dpa
Cruyff prangert Entwicklung an: «Das ist nicht mein Fußball»
Der ehemalige Weltklassespieler Johan Cruyff hat
dem Fußball von heute ein vernichtendes Urteil ausgestellt.
«Technisch gesehen geht es mit dem Fußball seit Jahren bergab. Taktik
und Athletik bestimmen heute das Spiel. Konterfußball aus einer
massierten Abwehr heraus bedingt keine großartige Technik. Kondition,
Ordnung und solides Handwerk genügen dazu vollauf», sagte der
Niederländer in einem Interview mit dem «FIFA magazine», der Monats-
Zeitschrift des Fußball-Weltverbandes. «Das ist nicht mehr mein
Fußball. Tolle Spiele sind heute eine Seltenheit und deshalb ein
Medienereignis», fügte der frühere Mittelfeldstar hinzu.
Hauptursache für diese Entwicklung ist nach Ansicht des 58-
jährigen Cruyff der überladene Terminkalender. «Seit Jahren fordere
ich eine Beschränkung auf 60, höchstens 65 Partien pro Saison. Das
ist die absolute Obergrenze, von der wir heute weit entfernt sind.»
Deshalb plädiert Cruyff dafür, die nationalen Ligen auf 16 Teams zu
begrenzen, und das Format der Champions League zu ändern: «Sie muss
abspecken, bis sie wieder ihre alte Form erreicht: K.o.-System mit
Hin- und Rückspiel, und das von Anfang an.»
Für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland befürchtet Cruyff,
dass sie ähnlich wie die jüngsten Fußball-Großereignisse von
taktischen Zwängen und ausgelaugten Spielern geprägt wird. «Sind die
Spieler müde, bietet sich den Zuschauern ein tristes Bild. Denken wir
nur an die letzte WM zurück. Wie viele Tore wurden dort wirklich
herausgespielt?»
Als Titelfavorit nennt der Kapitän der niederländischen Vize-
Weltmeister von 1974 die brasilianische Mannschaft, doch auch dem
Gastgeber traut er einiges zu. «Mit den Deutschen muss man immer
rechnen, denn ihr Erfolg kommt nicht von ungefähr. Bei kurzen
Wettbewerben wie der WM sind sie immer stark.» Generell aber hält
Cruyff von der aktuellen deutschen Fußball-Qualität nicht sehr viel.
«Außerhalb Deutschlands sind praktisch nur Jürgen Klinsmann und
Michael Ballack ein Begriff. Das liegt daran, dass die Bundesliga wie
viele andere Ligen auch weitgehend von Ausländern dominiert wird».
Deshalb plädiert er dafür, die Clubs dazu zu verpflichten, «in jedem
Spiel mit mindestens fünf oder sechs einheimischen Akteuren
anzutreten».
Cruyff lebt heute in Barcelona, wo er 1996 nach acht Jahren als
«Barca»-Coach seine Trainerkarriere beendet hat. Eine Rückkehr auf
die Trainerbank ist für ihn ausgeschlossen, als am Job des
Nationaltrainers hat er kein Interesse. Viel lieber widmet er sich
heute dem Golfspiel und dem Skifahren.
Ich persönlich bezweifle allerdings, dass die Reduzierung der Ligen allein, das Niveau und die Spielkultur der deutschen Bundesliga verbessern würde. Aber darum geht es Cruyff ja sicherlich ohnehin nicht