Technik im Motorsport


karmakaze

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Da ich endlich mal einen Tag frei habe, werde ich mal mein langgehegtes Vorhaben in die Tat umsetzen, einige interessante technische Innovationen dieser Formel 1-Saison beleuchten und bewerten. Der Text setzt einiges an Vorwissen voraus. Falls es Unklarheiten gibt, bitte nachfragen. :)

Das "Doppel-DRS"
Erstmals aufgetaucht bei: Mercedes, Testfahrten Jerez
Funktionsweise: Grundsätzlich führt DRS dazu, dass der Abtrieb auf dem Heckflügel deutlich gesenkt wird. Dies hat insbesondere im Qualifying einen Nachteil in schnellen Kurven: Der Bolide wird sehr unruhig und übersteuert. Um diesem Problem zu entgehen, hat Mercedes einen Kanal durch das gesamte Fahrzeug gezogen, der von hinten nach vorn Luft bläst. Das System funktioniert also umgekehrt – von hinten nach vorn. Startpunkt sind mehrere Eingänge hinter dem DRS-gesteuerten Flügel. Wird DRS aktiviert, werden diese Eingänge freigelegt und Luft strömt mit Hochdruck hinein, über die Seitenteile des Heckflügels, den Beamwing, die Gearbox und so weit nach vorn, wo die Luft vor dem Frontflügel entweicht und auf den Frontflügel bläst. Dadurch entsteht ein Strömungsabriss, so dass der Frontflügel weniger Anpressdruck produziert. Dies klingt zunächst kontraproduktiv. Bei aktiviertem DRS wird dadurch aber der Anpressdruck gleichmäßiger verteilt (auf beiden Flügelpaaren liegt weniger Strömung) und der Bolide besitzt eine bessere Balance. Dies kann zum früheren Drücken des DRS (Bilder in Hockenheim haben gezeigt, dass Mercedes-Fahrer etwa 1 Sekunde früher vor Start und Ziel auf den DRS-Button drücken können) oder für reine Balanceoptimierungen genutzt werden.
Bewertung: Da das System defacto nur im Qualifying sinnvoll einsetzbar ist, ist der Nutzen nur hier groß. Zwar ist das System schwer kopierbar, da der Luftkanal extrem aufwendig geplant werden muss, da er linear durch das Fahrzeug laufen muss, allerdings hat die FIA mittlerweile für die nächste Saison verboten.

Bild:
double-drs.jpg

(Quelle: Deskarati.com, http://deskarati.com/wp-content/uploads/2012/04/double-drs.jpg)

Der „L-Duct “ (auch „passiver F-Schacht“)
Erstmals aufgetaucht bei: Lotus, Ungarn-Grandprix (nur Trainings)
Funktionsweise: Das Prinzip des Doppel-DRS vereinfacht und umgekehrt hat Lotus. Dieses System geht auf den F-Schacht aus dem Jahr 2010 (erstmals bei McLaren) zurück. Ähnlich wie beim F-Schacht soll der Heckflügel unterschiedlich angeströmt werden. Ein Strömungsabriss ist auf Geraden wünschenswert, da so Abtrieb reduziert wird. Umgekehrt soll die Strömung ungestört durchlaufen werden, wenn der Pilot durch Kurven fährt. Da der F-Schacht einen mittlerweile verbotenen, aktiven Eingriff in die Aerodynamik darstellt, hat sich das Lotus-Engineering Team eine Alternative entschieden. Im Wesentlichen gibt es irgendwo im Chassis des Boliden, wahrscheinlich in der Nähe der Gearbox, ein Ventil, welches vermutlich gesteuert durch den Luftdruck, zwei Kanäle freigibt. Beide Kanäle beginnen oberhalb des Motors beim zentralen Einlass der Motorluftkühlung. Einer dieser Kanäle geht gerade aus und fließt auf den Beamwing („Central-Duct“), so wie bei jedem anderen Boliden auch. Der zweite Kanal führt L-förmig (daher „L-Duct“) vor dem Beamwing nach oben auf den Heckflügel zu und endet in kleinen Ausgängen. Wie auch immer Lotus die Steuerung des Ventils genau hinbekommen hat, Ziel ist folgendes: In Kurven wird ganz normal der Central-Duct genutzt. Auf der Geraden fließt die Luft jedoch durch den „L-Duct“ nach oben, tritt an den Öffnungen aus und stört die Luftströmung, welche von anderen Teilen des Boliden generiert auf den Heckflügel läuft. Dieser Strömungsabriss senkt den Abtrieb auf der Hinterachse enorm. Der Bolide beschleunigt besser.
Bewertung: Derzeit ist noch nicht bekannt, wie Lotus das System genau entwickelt hat. Fest steht, dass der Fahrer weder direkt („F-Duct“) noch indirekt aktiv darauf einwirkt („Doppel-DRS“). Damit ist das System völlig legal und nach aktuellem Stand auch die nächsten Jahre erlaubt. Da es zudem auch völlig unabhängig von DRS auf jeder Geraden funktioniert und einfacher zu implementieren ist (der Luftstrom beginn erst oberhalb des Motors und muss nicht erst durch den ganzen Boliden geführt werden), ist dies für die Zukunft für zahlreiche Teams interessant und von großem Nutzen.

Bild:
E20_DDRS_tags.jpg

(Quelle: ScarbsF1, http://scarbsf1.com/blog1/wp-content/uploads/2012/09/E20_DDRS_tags.jpg)

„Downwashed Exhausts“ – umgelenkte Auspuffgase
Erstmals aufgetaucht bei: Sauber, Testfahrten Jerez; McLaren, ebenda
Funktionsweise: Letzte Saison hat die FIA RedBull’s Geniestreich, die Auspuffgase durch Umpositionieren eben jener Auspuffe zum Anblasen des Diffusors zu nutzen, für dieses Jahr dadurch eingeschränkt, dass die Auspuffrohre nur in einem bestimmten Bereich und auch nur in einem positiven Winkel nach oben angebracht werden dürfen. Sauber und McLaren haben diese Anforderungen aber geschickt umgangen. Zwar erfüllt man auch hier diese Anforderungen, allerdings hat ja keiner gesagt, dass die so ausgestoßenen Auspuffgase nicht später umgelenkt werden können. Das Bodywork der Boliden und die Position ist so beschaffen, dass durch diverse Strömungseffekte (darunter der häufig genannte „Coanda-Effekt“) der Auspuffstrom doch wieder dorthin geht, wo man ihn haben will.
Bewertung: Dieses Umlenken hatten viele anfangs nicht für sehr effizient gehalten, ist es doch im Vergleich zum ursprünglichen „Blown-Diffusor“ nur ein laues Lüftchen, aber es scheint derart gut zu funktionieren, dass sich zahlreiche Teams der Idee angeschlossen haben (z.B. Ferrari, RedBull, Mercedes). Nachteilig an dem System ist, dass die Gase, wenn nicht 100% richtig gelenkt, auf die Hinterreifen blasen und dadurch zu Überhitzungen führen können (daher verzichtete man insbesondere bei Mercedes sehr lang darauf). Die Vorteile, einen ähnlich dauerhaften Effekt ohne zusätzliche Flügel wie beim klassischen angeströmten Diffusor zu erzielen, scheinen aber mittlerweile überzeugend. Nicht klar ist, was die FIA dagegen tun will.

Bild:
f2012_alt.jpg

(Quelle: ScarbsF1, http://scarbsf1.files.wordpress.com/2012/05/f2012_alt.jpg)

„Der Pull-Rod“
Erstmals aufgetaucht bei: Ferrari, Fahrzeugvorstellung
Funktionsweise: RedBull war es wieder, die 2010 als erste mit einem Pull-Rod (Zugstrebe) für die Heckaufhängung ankamen. Dieses Prinzip hat sich bei allen Teams mittlerweile durchgesetzt, sorgen die Streben im Vergleich zu den bis dato üblichen Schubstreben („Push-Rods“) doch für ein aufgeräumtes Heck und damit viel Platz für strömungsmechanische Optimierungen hin zum Diffusor. Ferrari setzte erstmals seit Jahren wieder auch in der Front auf dieses System. Der Vorteil ist ähnlich gelagert: Es ist möglich, die Aufhängung mit weniger Teilen zu realisieren. Bildlich gesprochen stehen weniger Streben im Wind, so dass eine bessere Anströmung und Aeroeffizienz möglich ist. Nachteilig daran ist die mechanische Arbeit, welche die Aufhängung zu erledigen hat: Zugstreben sind anfälliger für Schäden, verstellen sich leichter und die Abstimmung ist schwieriger als bei Schubstreben, da ja kaum ein Ingenieur das System für die Frontaufhängung kennt.
Bewertung: Trotz anfänglicher Probleme hat Ferrari diese Innovation offensichtlich mittlerweile im Griff. Wirklich sicher ist jedoch nicht, ob sie wegen oder trotz dieser Technologie mittlerweile konkurrenzfähig sind. Daher ist eine Fortsetzung der Entwicklung im nächsten Jahr auch bei Ferrari nicht garantiert. Sicher ist bis dato nur, dass das Prinzip den aktuellen Bestrebungen zu immer mehr Aeroeffizienz entgegen kommt.

Bild:
MP427-F2012.jpg

(Quelle: VivaF1, http://www.vivaf1.com/blog/wp-content/uploads/2012/02/MP427-F2012.jpg, Bild ausgetauscht. Hier sieht man besser den Unterschied - links McLaren mit Push-Rod, rechts Ferrari mit Pull-Rod.)

"Die verstellbare Bremsbelüftung"
Erstmals aufgetaucht bei: McLaren, Barcelona (womöglich aber schon früher unerkannt)
Funktionsweise: Bremsen sind ein zentrales Bauteil der Formel 1. Nicht nur, dass eine Überhitzung für Ausfälle sorgen kann oder „kalte“ Bremsen zu enorm langen Bremsphasen führen, nein, auch DRS ist von der Bremse abhängig. Je stärker die Bremsen „zupacken“, desto schneller füllt sich DRS. Außerdem wirken sich die Bremstemperaturen auch auf die Reifentemperaturen aus. McLaren hat ein System entwickelt, welches es erlaubt, während eines Boxenstopps und ohne Verletzung der Regeln die Bremsstärke und damit die Bremstemperaturen einzustellen. Über einen kleinen Regler kann ein Crewman während des Boxenstopps die Breite des Bremsschachts (Formel 1-Boliden fahren mit luftgekühlten Scheibenbremsen) einstellen. McLaren soll wohl mittlerweile Vorder- wie Heckbremsen auf diese Weise einstellen können.
Bewertung: Für die Rundenzeit ist dieses Feature an sich vollkommen irrelevant. Es hat jedoch sehr große Wirkung auf die veränderlichen Parameter während eines Rennens. Wenn die Bremsen infolge einer zu klein gewählten Kühlung im Rennen zunehmend überhitzen (z.B. weil das Team auf geringere Temperaturen spekuliert hat), dann kann dieses Problem nachhaltig behoben und ein Ausfall oder eine zusätzliche Erhitzung der Reifen verhindert werden. Daher ist das sehr nützlich. Im Gegensatz zu allen anderen hier vorgestellten Innovationen hat die FIA meines Wissens nach nichts gegen diese Technologie. Im Gegenteil, der Sicherheitsaspekt, einem Unfall durch Bruch der überhitzenden Bremsscheiben, entgegen zu wirken, ist Charlie Whiting sehr willkommen.

Bild:
mac_ductopen.jpg

(Quelle: ScarbsF1, http://scarbsf1.files.wordpress.com/2012/05/mac_ductopen.jpg)
 
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desl

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Soweit ich weiß, ändert sich zu 2014 nicht nur die Höhe der Nase, sondern das Chassis muss im Bereich der Aufhangung 10cm tiefer ausfallen als bisher. Das ist für eine Zugstreben-Aufhängung vielleicht ungünstig.
 
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