dann erklär mal bitte: waren wilder (38 jahre und inaktiv) und zhang (40 jahre und übergewichtig) in top-form gegen parker?
Schon der Verweis auf das Alter ist in seiner Verallgemeinerung albern. Zhang ist in Top-Form angetreten. Kann man auch in Top-Form einen Kampf verlieren? Ja kann man. Zum Beispiel dann, wenn einem Boxer der Gegner nicht liegt. Das Zhang-Team hat sich gegen den verhältnismäßig slicken Parker dafür entschieden, Gewicht draufzumachen und ihn kurzrundig wegzupowern. Parker hat sich nach dem Kampf sehr anerkennend darüber geäußert, wie schnell und brutal hart Zhangs Konter kamen. Parker wiederum hat an Zhang geklebt - wie er es schon bei Wilder getan hat und bei Joshua vom Ringrichter her nicht tun dürfte (ein ganz wichtiger Punkt, dazu später mehr) - das ist Parkers Game gegen die großen Brocken und in diesem Punkt wurde er auch von Fury gegen Wilder beraten. Fury ist kein taktischer Haubentaucher. Er wusste genau, welche Schwächen Wilder hat. Zhangs Rechnung ist nicht aufgegangen und zwar sehr knapp nicht, denn er hatte Parker am Boden, war von seinem Ziel nicht weit entfernt. Zu Zhangs großen Schwächen gehören der überschaubare Jab und die auf dem Niveau schwache Kondition. Die hat er mit der Erhöhung des Kampfgewichts noch zusätzlich geschwächt und Zhang sagt dazu, dass ihm mit zunehmender Kampfdauer der Kampf entglitten ist, weil er nicht mehr die Kraft hatte. Parker ist kein Duracell-Hase wie Joyce ist aber konditionell klar besser als Zhang. Zhangs Team hätte sich vielleicht noch mehr den Grund für Ruiz Jr. Niederlage gegen Parker vergegenwärtigen müssen. Ruiz Jr. Infight-Game war besser als das von Parker, aber Ruiz Jr. Ist für seinen Stil zu fett, die Körner die er dabei verbraucht sind zu groß. Parkers Team wusste, dass Ruiz Jr. hintenraus die Luft ausgehen würde und das hat man wie bei Wilder und Zhang später in den taktischen Überlegungen eingepreist. Die Behauptung, dass Parker zwar ein guter Mann sei, den man aber nicht überhöhen solle, ist vor dem Hintergrund, wie gut Parker taktische Marschrouten umsetzen kann und wie diszipliniert er in einem Kampf abwarten kann, fachlich einfach unterirdisch.
Ortiz hätte niemals gegen Parker verloren? Auch diese Aussage ist plakativer Unfug. Ortiz war ein technisch sehr guter Boxer mit Dampf in den Fäusten, dessen große Schwäche die Kondition war. Da sollte doch im Hinblick auf Parker was klingeln. Wilder ist keine Mumie und auch das ist plakativer Unfug. Wilder boxt einen Stil, der Parker liegt. Technisch hat Wilder auf dem Niveau Schwächen, Infight-Wühlerei ist so gar nicht sein Ding. Er baut den Kampf seit Ortiz und den damaligen Erkenntnissen über Gegner, die aus der Halbdistanz und im Infight überlegen sind, über den Jab auf. Damit will sich Wilder möglichen Wirkungstreffern durch Gegner entziehen und ist bereit, dafür Punkte abzugeben. Im Prinzip ist Wilder ein Lauerjäger, der auf die Fehler der Gegner wartet, um dann seine Potshots anzubringen. Wenn man es taktisch so dämlich wie Helenius macht und die Deckung vernachlässigt, dann glänzt Wilder, wenn man unaufmerksam ist und Lücken anbietet, wie Fury im ersten und dritten Kampf, dann glänzt Wilder. Wenn man aber geschlossen bleibt und direkt am Mann agiert, wo Wilders ungünstige Hebelverhältnisse Probleme bereiten, dann hat Wilder ein Problem und genau das gab Fury an Parker weiter. Wilder hat zudem eine eher schwache Kondition und auch das dürfte einem im Hinblick auf Parker bekannt vorkommen. Einige Betrachter hier haben vor dem Kampf angemerkt, das Parker kein gutes Matchup für Wilder ist und ich habe das auch geschrieben. War Wilder nun in Top-Form? Wohl eher nicht. Lag es an dem langen Lay-Off? Malik Scott, Wilders Trainer sagt dazu: Nein, man sei davon ausgegangen das Wilder topvorbereitet in den Kampf geht, was aber nicht klar gewesen sei, wie sehr sich Wilders Drogenexperimente negativ auf seine Kampfstärke auswirken würden. So habe Wilder eine Droge ausprobiert, die seine Wahrnehmung schärfen würde, sie habe aber seine Aggressivität negativ beeinflusst. Mit dem Alter hat die Niederlage nichts zu tun, sondern mit Unprofessionalität zwischen den Kämpfen und einem grundsätzlich problematischen Matchup. Ein solches könnte auch Zhang für Wilder sein. Nach der Aussage von Zhangs Gegner ist Zhang unheimlich gut darin, in die Aktion des Gegners, das gilt insbesondere für Jabs, kurze präzise Haken von unglaublicher Wucht und Schnelligkeit reinzuschlagen. Wem dürfte das überhaupt nicht liegen? Ich kann mir die Annahme dieses Kampfes durch Wilder nur mit der Marktmacht der Saudis erklären, denn wenn es Gegner gibt, bei denen ich für Wilder von High Risk und Low Reward reden würde, dann gehörten der frühere Ruiz Jr., Usyk, Parker und Zhang definitiv dazu.
Zurück zu Joshua-Parker. Boxergebnisse sind auf den ersten Blick immer plakativ. der Verlierer wird in der Regel zur Pfeife erklärt, war zu alt, zu fett, zu dünn etc.. Wenn man dabei aber die Geschichte hinter der Geschichte ausblendet, dann misslingen Beurteilungen von Boxern so, wie Dir das gelegentlich passiert. Die Teams von Boxern, die zu Höherem berufen sein sollen, lieben es, sich andere Talente oder Gatekeeper der Gewichtsklasse ins Camp zu holen. In der Regel entstehen daraus im weiteren Karriereverlauf auch Kämpfe, da es ein unschätzbarer Vorteil ist, wenn man weiß, worauf man sich einlässt. Schon das alleine verzerrt die Aussagekraft von Kämpfen und führt zur Überhöhung von Boxern. Cherrypicking wird so manches mal leider ausgeblendet. Zudem - und Joshua-Parker war da ein abschreckendes Beispiel - darf man die Marktmacht großer Promotionen, Manager und erfolgreicher Boxer mit hohen Börsen nicht unterschätzen. Hearn hat Parker gegen Joshua konsequent übervorteilt, Outmatching betrieben. Der Ringrichter hat immer dann, wenn Parker in die Komfortzone von Joshua eindrang, Parkers Aktionen unterbrochen. Fairer Kampf? Nein. Ist Dirty Tactics zuzulassen fair? Wohl kaum. Wenn man Kämpfe immer nur auf das offizielle Ergebnis reduziert ohne das Wie und Warum zu betrachten, dann springt man regelmäßig zu kurz. Parkers Sieg gegen Wilder ist z.B. alleine schon deshalb höher einzuschätzen, als die von Fury, weil er mit fairen Mitteln gegen die Marktmacht der Saudis erboxt wurde, die einen anderen Sieger haben wollten.