"Sprungkraft wie ein Toaster"
Frank Fahrenhorst vom VfL Bochum ist einer der besten deutschen Innenverteidiger, dennoch fand er im deutschen EM-Kader keine Berücksichtigung. Im Interview spricht der 26-Jährige über seinen Wechsel zu Werder Bremen, die Nationalelf und die Sprüche Peter Neururers.
Frank Fahrenhorst, Ihr Trainer beim VfL Bochum, Peter Neururer, bezeichnet seine Spieler gerne liebevoll als Eisverkäufer, Friseure oder gar Vollfriseure. In welche Kategorie haben Sie es bei ihm geschafft?
Frank Fahrenhorst: Ich bin bei Peter Neururer nicht in einer bestimmten Kategorie gelistet. Aber in den letzten Wochen der Saison musste ich mir fast täglich Sprüche von ihm anhören.
Die da wären?
Fahrenhorst: Er hat mich immer wegen meines Wechsels in den Norden hochgenommen. "Du hast wohl heute wieder Gräten in den Schuhen", solche Sätze bekam ich dann im Training zu hören. Aber ich weiß, wie er das meint, ich kann damit auf jeden Fall sehr gut leben.
Noch kurz vor Ende der letzten Saison hatten die Fans ein großes Plakat aufgehängt: "Labern ist Peter, Siegen ist Gold!" Und seine Sprüche aus früheren Jahren zieren heute jede Zitatesammlung. Nun aber, da er den VfL in lichte Höhen führt, wirkt er abgeklärter und reifer. Oder täuscht der Eindruck?
Fahrenhorst: Was früher war, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur: Seit er hier ist, hat er sehr viel für die Mannschaft und auch für den Verein getan. In der Öffentlichkeit redet er uns immer stark und nimmt fast alles auf sich, wenn es mal nicht so gut läuft. Er ist sehr offen und sagt auch, was er denkt, ohne zu Übertreiben. Das zeichnet ihn aus.
Nicht zu vergessen der sportliche Erfolg. Manch einer seiner Kritiker wird wohl auf den großen Einbruch gewartet haben, der kam aber einfach nicht. Wie groß ist der Anteil von Peter Neururer am Höhenflug des VfL Bochum?
Fahrenhorst: Er hat einen sehr großen Anteil. Er hat zusammen mit dem ganzen Trainergespann sowohl vor der Saison als auch in der Winterpause die Grundlagen für diesen Erfolg geschaffen. Zudem haben wir ein sehr gutes taktisches System und in der Mannschaft passt alles zusammen. Da ist einfach einer für den anderen da.
Kein Neid also auf Frank Fahrenhorst, weil der jetzt beim Deutschen Meister Werder Bremen in der Champions League kickt?
Fahrenhorst: Nein, dass Spieler den Verein wechseln, ist ein ganz normaler Vorgang. Und die Verantwortlichen beim VfL haben schon in den letzten beiden Jahren bewiesen, dass sie eine gute Einkaufspolitik betreiben. Als im letzten Jahr Christiansen gegangen ist, dachte auch jeder, jetzt geht es abwärts mit dem VfL.
Sie spielen seit zehn Jahren in Bochum, warum ausgerechnet jetzt der Wechsel zu Werder, da es bei Ihnen und im Verein so gut wie selten läuft?
Fahrenhorst: Die sportliche Perspektive ist trotzdem einfach die bessere. Bei Werder habe ich die Gewissheit, öfter international zu spielen als beim VfL. Es war aber auch so, dass ich nach zehn Jahren Bochum mal einen Tapetenwechsel brauchte. Der Prophet zählt im eigenen Lande nicht so viel wie anderswo.
Angesichts ihrer herausragenden Leistungen: Gab es auch noch Anfragen von anderen Clubs?
Fahrenhorst: Ja, zwei oder drei Anfragen gab es. Aber ich war mit Werder schnell einig. Das Umfeld in Bremen ist überaus seriös, Trainer Thomas Schaaf und Manager Klaus Allofs sind sehr kompetente Leute, die mich sofort überzeugt haben. Außerdem kann man das Umfeld und die Strukturen im Verein durchaus mit den Verhältnissen in Bochum vergleichen, es geht ruhiger als woanders zu. Ich denke, ich kann mich dort gut einleben.
Zehn Jahre Bochum sind eine lange Zeit. Was werden Sie in Bremen vermissen?
Fahrenhorst: Meine Freunde und meinen Bekanntenkreis auf jeden Fall. Aber mich erwartet eine neue Stadt und auch eine neue Mentalität. Ich hoffe, da werde ich mich auch menschlich weiterentwickeln.
Keine wehmütigen Gedanken beim Abschied vom Ruhrstadion, für viele eines der schönsten Stadien der Republik?
Fahrenhorst: Nein, es gibt ja mittlerweile so viele gute und schöne neue Stadien in der Bundesliga, da fühlt man sich auf dem Platz eigentlich überall wohl.
Welche Ziele haben Sie bei und mit Werder? Haben Sie nicht ein wenig geschluckt, als Ailton und Kristajic woanders unterschrieben haben?
Fahrenhorst: Nein, das war ja schon klar, als ich bei Werder unterzeichnet habe. Aber die Verantwortlichen in Bremen sind nicht eingeschlafen, die kriegen schon wieder eine gute Mannschaft zusammen. Die hatten in den letzten Jahren kaum Fehleinkäufe, sondern immer das richtige Näschen.
Und persönlich?
Fahrenhorst: Ich will mir auf jeden Fall einen Stammplatz erkämpfen. Mal sehen, was wir dann sportlich reißen können.
Werder spielt als Meister in der Königsklasse. Träumen Sie schon von Partien in der Champions League gegen Arsenal oder Milan?
Fahrenhorst: Ich hab mir schon einige Spiele angeschaut. Es ist ein schönes Gefühl, dass man weiß, gegen den oder den kann man in der nächsten Saison auch spielen. Das ist schon aufregend.
Ihr Coach Peter Neururer hält Sie für einen der besten Innenverteidiger Deutschlands. Sie hatten bereits sieben Spiele in der U21 absolviert und galten als großes Talent. Nun starten Sie aber erst mit 26 Jahren so richtig durch. Wieso?
Fahrenhorst: Es ist halt nicht immer nach Wunsch gelaufen. Ich hatte in den Jahren zuvor einige schwere Verletzungen am Innenband und am Meniskus, die mich zurückgeworfen haben. Auch mit dem VfL Bochum lief es nicht immer gut, wir haben zwischendurch auch mal in der zweiten Liga gespielt. Es war ein einziges Auf und Ab, erst in den letzten beiden Jahren ging es für mich und den Verein konstant aufwärts.
Es fällt auf, dass Sie in dieser Saison so torgefährlich waren wie nie zuvor. Haben Sie den Stürmer in sich entdeckt?
Fahrenhorst: Nun, wir hatten beim VfL einige kopfballstarke Spieler in unseren Reihen, die immer mit aufrückten, deshalb waren wir bei Standardsituationen nur sehr schwer auszurechnen. Dazu haben wir Eckbälle und Freistöße auch bis zum Erbrechen trainiert, das hat sich dann auch ausgezahlt.
Derzeit kommen Sie noch beim so genannten "Team 2006" zum Einsatz, einer Art B-Nationalelf. Wann sind Sie reif für die richtige Nationalelf?
Fahrenhorst: Man wird sehen. Ich muss weiterhin auf dem Platz eine gute Leistung zeigen, alles andere ergibt sich dann von selbst.
Bislang wird die Innenverteidigung im Nationalteam noch anderweitig besetzt. Wer ist denn Ihrer Meinung nach der beste auf dieser Position?
Fahrenhorst: Christian Wörns ist sicherlich die Nummer eins. Dahinter gibt es aber keine klare Reihenfolge. Deshalb hat mich Werder auch geholt. Die suchten einen guten deutschen Innenverteidiger, der auch noch ablösefrei ist. Und da ist die Auswahl in diesem Jahr nicht allzu groß.
Und die Frage mal auf die internationalen Verteidiger in der Bundesliga ausgeweitet?
Fahrenhorst: Dann kommt man um Lucio nicht herum. Der spielt wirklich einen exzellenten Ball.
Wenn Sie sich nun selbst beurteilen müssten: Ihre Stärken und Ihre Schwächen?
Fahrenhorst: Meine Stärken liegen sicherlich im Zweikampfverhalten und im Spiel in der Viererkette. Mein Aufbauspiel ist sicher noch verbesserungswürdig.
Was die Zweikämpfe angeht, gibt es einen Stürmer in der Bundesliga, der Ihnen den Schweiß auf die Stirn treibt, den sie besonders fürchten?
Fahrenhorst: Nein, eigentlich nicht. Es gibt halt Stürmer, mit deren Spielweise komme ich nicht so gut zurecht. Aber mir fällt jetzt keiner ein, gegen den ich generell schlecht aussehe.
Ein Ausblick: Wohin geht die Reise für den VfL Bochum ohne Sie? Zurück ins Mittelmaß oder...
Fahrenhorst: Ich denke, weiter nach oben. Es wird auf jeden Fall aufregend, den weiteren Weg des VfL zu beobachten.
Ihr neuer Trainer Thomas Schaaf raunzt allenfalls Journalisten launig an: "Du hast wohl einen nassen Helm auf". Das Repertoire ihres bisherigen Coaches ist da doch größer. Der beste Spruch von Peter Neururer, der Ihnen je zu Ohren gekommen ist?
Fahrenhorst: Das war mal vor einem Spiel, ich weiß nicht mal mehr gegen welchen Gegner. Aber da sagte er in der Mannschaftsbesprechung: "Leute, schießt aus allen Lagen aufs Tor. Der Torwart von denen hat "'ne Sprungkraft wie ein Toaster".
Das Interview führte Dirk Brichzi