Dubois einzige Siegchance wäre es gewesen, wenn er Usyk von Beginn an überrollt hätte, ähnlich wie er es mit Joshua gemacht hat. Er hat weder die technischen bzw taktischen Fähigkeiten, noch die Kondition, um mit Usyk zwölf Runden lang mitzuboxen. Das wusste im Vorfeld jeder. Nun könnte man argumentieren, dass es Dubois offensichtlich nicht wusste, weil er eher verhalten agierte und kaum mehr als Einzelschläge brachte. Das stimmt aber nicht. Dubois boxte die ersten Sekunden des Kampfes genau so, wie er musste. Er kam aggressiv aus seiner Ringecke und versuchte sofort, Usyk seinen Kampf aufzudrücken. Aber Usyk konterte ihn innerhalb kürzester Zeit mit drei knallharten Jabs voll an die Kinnspitze ab. Nach diesen Treffern und dem ein oder anderen Konter mit der rechten Geraden war Dubois sofort klar, dass er Usyk nicht einfach so überrollen kann und er schaltete zwei Gänge zurück.
Nach diesen wenigen Sekunden gab fortan nur noch Usyk den Ton an: Extrem präziser und harter Jab, präzise und wuchtige Konter und exzellente Meidbewegungen, die Dubois unzählige Luftlöcher schlagen liesen. Dubois traute sich mit zunehmender Kampfdauer immer weniger und wirkte schon nach wenigen Runden erschöpft. Da Dubois nur noch Einzelhände schlug, fühlte sich Usyk in der vierten und fünten Runde derart sicher, dass er sogar proaktiv versuchte, Dubois in Konter reinzulocken, indem er sich absichtlich an die Ringseile stellte und auf Dubois Aktionen wartete. Das ist eine unfassbare Demonstration der boxerischen Überlegenheit!
Der Kampf wurde von beiden Seite absolut fair und gänzlich ohne Clinches geführt. Allerdings hätte ich mir direkt eine Ermahnung Dubois für den Tiefschlag gewünscht. Dass seine Körpertreffer, die er gerne nah am Mann abfeuert, den Unterleib treffen, nimmt er meiner Meinung nach mehr als billigend in Kauf, auch wenn es vielleicht nicht direkt Absicht ist.
Was bei Usyk extrem auffällig ist, ist die Tatsache, dass er aus dem ersten Kampf meist deutlich mehr lernt als sein Kontrahent. Sowohl gegen Fury als auch gegen Dubois tat sich Usyk im Rematch deutlich leichter als im ersten Aufeinandertreffen. Zum Beispiel traf Usyk Fury im ersten Kampf mehrfach kritisch mit dem linken Haken am Kinn. Folglich schützte Fury sein Kinn im Rematch ununterbrochen mit dem Handschuh. Aber Usyk zielte einfach wenige Zentimeter weiter nach oben, so dass er Fury eben an einer etwas weniger sensiblen Stelle traf - aber er traf immer und immer wieder. Er war also Fury wieder einen Schritt voraus.
Bei Usyk fehlen mir einfach die Worte. Er ist vielleicht sogar der beste Schwergewichtler aller Zeiten, gerade weil er körperlich gar kein Schwergewicht ist!. So viel wie er hat noch niemand erreicht. Ich muss mir seinen Kampfrekord immer wieder aktiv vor Augen führen, um nicht zu vergessen, wie krass seine Leistung ist: Huck, Briedis und Gassiev im Cruisergewicht geschlagen! Bellew, Chisora, zweimal(!) Prime Joshua, zweimal(!) Prime Fury und zweimal(!) Prime Dubois geschlagen! Mir fällt kein Schwergewichtler ein, der nicht massiv Probleme mit Usyk bekommen hätte. Er ist zu konterstark, als dass man ihn Überrollen könnte. Diese Konter tun auch noch richtig weh - sowohl Joshua als auch Fury hätte er neben Dubois ebenfalls beinahe gestoppt. Gerade Fury überstand diese kritische Phase nur durch Hilfe des Ringrichters. Außerdem ist er technisch zu stark und hat viel zu viel Kondition, als dass man es sich erlauben könnte, den Kampf ruhiger angehen zu lassen und über 12 Runden laufen zu lassen.
Das war heute eine absolute Meisterleistung von Usyk!!