Ich persönlich mag auch das klassische Format lieber; wenn das High Five das ein oder andere Mal im Kalender auftaucht, hätte ich aber auch nichts dagegen - sofern man noch eine entscheidende Änderung vornimmt!
Grundsätzlich ist das High Five mit Blick auf den Finaleinzug ja eher fairer als beispielsweise das von der Tournee bekannte KO-System. Beim KO-System kommt es ja doch immer wieder mal vor, dass ein Springer mit einem richtig schwachen Sprung ins Finale einzieht - weil der Gegner eben noch schwächer war, weil er disqualifiziert wurde oder weil er gestürzt ist. Das kann beim High Five grundsätzlich auch passieren, ist aber viel unwahrscheinlicher, weil da ja gleich drei andere Springer richtig schlecht springen müssten.
Tatsächlich war es auch so, dass sich bei den Damen exakt die 20 Besten auch fürs Finale qualifiziert haben; bei den Herren gab es genau einen Springer, der es von der Punktzahl ins Finale geschafft hätte, der aber dann als sechstbester Loser ausgeschieden ist, nämlich Kristoffer Eriksen Sundal.
Ich sehe das High Five auch nicht als zu kompliziert an. Klar, wenn man alles ganz genau wissen will (wie setzen sich die Gruppen zusammen? Was passiert, wenn zwei Springer innerhalb einer Gruppe punktgleich auf Platz 2 liegen? In welcher Reihenfolge springen die Springer? Was passiert, wenn es zwei punktgleicher Loser auf Platz 5 gibt? Gilt die Sturzregel?) - so wie wir, dann muss man sich schon ein bisschen schlau machen. Aber für den Gelegenheitszuschauer reicht es eigentlich, wenn er weiß: Es gibt Fünfergruppen, und aus jeder qualifizieren sich die beiden Besten fürs Finale. Plus die fünf besten Verlierer. Selbst bei der Fußball-WM/EM gibt es ja am Anfang ein vergleichbares Prinzip: Es gibt Vierergruppen, und die beiden Besten pro Gruppe kommen weiter. Gab es da nicht sogar auch schon mal eine Art Lucky Loser? Also dass zusätzlich noch die besten Gruppendritten weitergekommen sind? Das kann man also schon kapieren!
Das große Manko für mich ist tatsächlich, dass nur der zweite Durchgang über das Endergebnis entscheidet. Quasi von Anbeginn der Zeit wurde ein Skisprungwettkampf in zwei Durchgängen entschieden. Wenn überhaupt, dann gab es bei einzelnen besonderen Veranstaltungen (Skiflug-WM o.ä.) auch mal mehr als zwei Durchgänge. Aber einen Wettkampf, bei dem nur ein Durchgang zählt, gab es eigentlich immer nur, wenn die Witterungsbedingungen nicht mehr als einen Durchgang zugelassen haben. Und das ist auch vernünftig, denn wir wissen ja alle, dass der Wind nunmal einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis ausübt. Bei zwei gewerteten Durchgängen gleicht sich das aber eher mal aus als bei nur einem.
Hinzu kommt: Man hat hier ja zwei Durchgänge. Man könnte völlig problemlos die Punkte aus dem ersten Durchgang mit ins Finale nehmen, so wie es in allen anderen Wettkämpfen auch ist. Bei mir persönlich hat das während dem Wettkampf dazu geführt, dass ich mich über sehr gute Sprünge im ersten Durchgang eher geärgert habe - nach dem Motto: So ein schöner Sprung, und dann zählt er eigentlich gar nicht!
Der FIS muss das ja eigentlich auch klar sein - und das lässt für mich eigentlich nur einen Schluss zu: Sie wollen das so! Sie wollen ein gewisses Zufallselement einbringen, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch mal jemand anderes gewinnt. Bei den Damen ist ihnen das gelungen; denn tatsächlich hat Nika Prevc dadurch den Sieg verpasst. Ich habe das mal analysiert: Die folgende Liste enthält die tatsächlichen Platzierungen im Damenwettkampf, dahinter steht in Klammer, wie viele Plätze die Springerin dadurch gewonnen oder verloren hat, dass nicht beide Durchgänge gezählt wurden. Die -4 bei Nika Prevc bedeutet also, dass sie dadurch 4 Plätze schlechter abgeschnitten hat; die 3 bei Selina Freitag bedeutet, dass sie dadurch 3 Plätze besser abgeschnitten hat:
1. Abigail Strate (1)
2. Selina Freitag (3)
3. Nozomi Maruyama (0)
4. Sara Takanashi (0)
5. Nika Prevc (-4)
6. Kurumi Ichinohe (0)
7. Yuka Seto (1)
8. Alexandria Loutitt (-1)
9. Anna Twardosz (0)
10. Juliane Seyfarth (4)
11. Yuzuki Sato (-1)
12. Emely Torazza (4)
13. Karolina Indrackova (0)
14. Haruka Iwasa (-3)
15. Frida Westman (-3)
16. Josephine Pagnier (-1)
17. Nicole Maurer (1)
18. Tinkara Komar (-1)
19. Anna Hollandt (0)
20. Alvine Holz (0)
Für die Herren habe ich eine solche Liste auch erstellt. Hier hätte sich auf den Plätzen 1 und 2 nichts geändert; insgesamt waren die Verschiebungen aber sogar noch größer. Größter Profiteur war neben Yanick Wasser natürlich Kamil Stoch, der dadurch seinen Sturz quasi ungeschehen machen konnte:
1. Niklas Bachlinger (0)
2. Philipp Raimund (0)
3. Luca Roth (2)
4. Marius Lindvik (4)
5. Johann Andre Forfang (-2)
6. Gregor Deschwanden (-2)
7. Naoki Nakamura (0)
8. Piotr Zyla (1)
9. Kamil Stoch (7)
10. Lovro Kos (2)
11. Felix Hoffmann (0)
12. Simon Ammann (-6)
13. Clemens Aigner (-3)
14. Danil Vassilyev (1)
15. Yanick Wasser (7)
16. Yukiya Sato (-3)
17. Hektor Kapustik (3)
18. Jonas Schuster (-4)
19. Dawid Kubacki (-2)
20. Zak Mogel (-2)
21. Killian Peier (-2)
22. Taku Takeuchi (1)
23. Andrew Urlaub (-2)
24. Roman Koudelka (0)
25. Pawel Wasek (0)
Fazit: Wenn die FIS den Modus dahingehend ändert, dass beide Durchgänge fürs Endergebnis zählen, dann akzeptiere ich das Ganze als sportlichen Wettkampf, ansonsten bleibt es für mich eher eine Juxveranstaltung.
Einen Punkt gibt es aber noch, der der FIS vielleicht wichtiger ist als mir: Dadurch, dass sich bei diesem Format im ersten Durchgang ständig starke und schwache Springer abwechseln, hat man letztlich zwei Möglichkeiten: Entweder, man schiebt ständig die Luke hin und her, damit auch die schwächeren Springerinnen auf eine gewisse Weite kommen - oder man lässt es und findet sich damit ab, dass es auch einige kürzere Sprünge gibt. Im Wesentlichen hat man sich hier für die zweite Variante entschieden. Bei den Herren ging das einigermaßen, weil da das Feld relativ eng beisammen war. Im zweiten Durchgang betrug der Unterschied zwischen Platz 1 und Platz 20 etwas über 20 Punkte. Bei den Damen waren die Abstände riesig; fast zwei Drittel des Feldes haben im ersten Durchgang nicht die 100-Meter-Marke erreicht, während die Besten trotzdem nicht weit unter der Hillsize geblieben sind; der Unterschied zwischen Platz 1 und Platz 20 betrug im ersten Durchgang fast 90 Punkte.
Aus meiner Sicht ist das Format für die Herren daher besser geeignet als für die Damen.