Stenmark war ein absoluter Ausnahmekönner unter den alpinen Ski-Athleten. Neben einer exzellenten Körperbeherrschung und einem extrem ausgeprägten intuitiven Ski- und Schnee-Gefühl zeichnete ihn eine phänomenale Balance aus. Gerade diese Eigenschaft war ausschlaggebend, dass er in den vielen von ihm souverän absolvierten Ski-Rennen so gut wie nie in Sturzgefahr geriet, geschweige denn gestürzt ist. Dieses hohe Niveau der Balance erreichte Stenmark bereits in seiner Kindheit in Nord-Schweden, indem er auf einem zwischen zwei Bäumen gespannten Seil zur Schulung des Gleichgewichtssinns stundenlang akrobatische Turnübungen ausführte. Der Südtiroler Ski-Experte Hermann Nogler erkannte als Erster das enorme Potential des jungen schwedischen Super-Talents und wurde in den Folgejahren Stenmarks Coach und Mentor.
Ingemar Stenmark war ein Sportler von großer Fairness und zeichnete sich durch ein hohes sportliches Ethos aus. Dies belegt folgendes Beispiel: Als Stenmark als schwedischer Nobody im alpinen Ski-Zirkus auftauchte, erhielt er von den renommierten Ski-Firmen keine Unterstützung, da man dort mit Schweden den nordischen Ski-Lauf assoziierte und mit einem schwedischen alpinen Skiläufer nichts Rechtes anzufangen wusste. Lediglich in der relativ unbekannten jugoslawischen Firma Elan fand Stenmark einen Ausrüster. Als Dank dafür blieb Stenmark vom Anfang bis zum Ende seiner beispiellosen Karriere dieser Firma treu und bestritt sämtliche seiner Rennen ausschließlich auf Elan-Skiern - obwohl er millionenschwere Angebote von den anderen Firmen erhielt, nachdem er zum Superstar aufgestiegen war. Im Grunde war Stenmark ein bescheidener Naturbursche geblieben, dem mammonistische Star-Allüren innerlich zuwider waren. Nicht zuletzt diese charakterlichen Eigenschaften sind der Grund dafür, dass Stenmark nach wie vor nicht nur das Sport-Idol des alpinen Skilaufs ist, sondern allgemein ein Vorbild für die sportlich interessierte Jugend darstellt - vornehmlich in Schweden.
Äußerer Ausdruck seines Charakters war seine legendäre, bewusst gepflegte Einsilbigkeit in Interviews, welche gerade die Zunft der aufdringlichen, sensationsheischenden Sport-Reporter abschrecken sollte. Daher beschränkte er sich zumeist auf lapidare, ausschließlich sachbezogene Antworten. Erst gegen Ende seiner Karriere ging er mehr aus sich heraus, ließ im Gespräch mitunter durch das eine oder andere Bonmot seinen durchaus vorhandenen Humor aufblitzen. Es entsprach Stenmarks Naturell, seiner Persönlichkeit durch Taten Ausdruck zu verleihen statt durch Worte. Gerade dieses Understatement, ohne Prahlerei, machte Stenmark in weiten, auch außersportlichen Kreisen sympathisch und populär.
Nja, für Lieblingssportler ist das Publikum hier dann schon zeitlich etwas zu weit weg.