Der Knackpunkt bei Merckx ist halt, dass er nie so am körperlichen Limit fahren musste wie Armstrong
Woran machst Du das fest?
Wie war das bei Armstrong? Er hatte die beste Mannschaft der Tourgeschichte, die ihn in 9 von 10 Fällen bis in den letzten Berg reinfuhren, damit er auf den letzten 10 KM ein Bergzeitfahren veranstalten konnte.
Weder Anquetil, noch Merckx, noch Hinault, noch Indurain hatten eine ähnlich überlegene Mannschaft bzw. den vlt. besten sportlichen Leiter der Tourgeschichte an ihrer Seite (Bruyneel).
Gehen wir das mal schematisch durch:
Zeitfahren:
Hier beweist der Stundenweltrekord wie stark Merckx war.
Seine von ihm 1972 in Mexiko erreichte Zeit, wurde erst 2000 vom Zeitfahrspeziallist Christopher Boardman übertroffen, und das gerade um lächerliche 10 Meter.
2005 übertraf der amtierende Rekordhalter Ondrej Sosenka Boardman um 259 Meter.
Fazit: Merckx war 1972 in der Lage so schnell gegen die Uhr zu fahren, dass ein Spezialist wie Boardman 28 Jahre später ihn gerade um 10 Meter distanzierte (10 Meter sind in nem EZF vlt. 3 Sekunden).
Sosenka bereitete sich Jahrelang nur auf EZF bzw. den Weltrekord vor, anders als Boardman, Merckx oder auch Armstrong und Ullrich, die stets große Rundfahrten bestritten und ihr Hauptaugenmerk nicht nur auf EZF legten.
Bergfahren:
Merckx hatte hier einige Allzeitgrößen als Gegner, besonders den 6facher Sieger der Bergwertung, Lucien Van Impe. Dazu noch den spanische Bergflog Luis Ocana, und Kandidaten wie Joop Zoetemelk und Raymond Poulidor.
Man kann die Fahrer von ihrer Qualität durchaus mit denen von heute vergleichen:
Van Impe = Virenque
Ocana = Basso oder Rasmussen
Poulidor = Beloki
Zoetemelk = Ullrich
Sprinten:
Das selbe wie in den Bergen. Seine Gegner waren die besten Sprinter ihrer Zeit:
Jan Jansen, Walter Godefroot, Marino Basso, Gerben Karstens, Rudi Altig, Patrick Sercu, RIck van Linden, alles ausgewiesene Sprintexperten.
Aber trotzdem konnte er sich immer wieder gegen sie durchsetzen und Massensprints + Sprintwertungen gewinnen.
Das wichtigste Kriterium einen Topsprinter auszumachen ist die Endgeschwindigkeit (Cipollini hält da glaub ich bis heute den Rekord), und da gehörte Merckx zu den besten seiner Zeit, anders als Coppi, Anquetil, Indurain, Armstrong und der Rest.
Zum Abschluss noch eine sehr unterschätze Fähigkeit, die besonders Klassikerfahrern und Wasserträger zugute kommt. Ich nannte sie immer „Rouleur“, aber da die meisten Radsportfans darunter Zeitfahrer verstehen, nenn ich s mal Verfolger oder Solist.
Definition: Fahrer, die sehr weite Strecken (weit über 100 Kilometer) allein und ohne Windschatten in nem sehr hohen Tempo zurücklegen können. Jens Voigt ist der Inbegriff für so einen Fahrer..
Beispiel: Jan Ullrich ist ein besserer Zeitfahrer als Jens Voigt, aber Voigt ist ein besserer Solist/Verfolger als Ullrich, hat man 2004 sehr gut gesehen, als Voigt den ausgerissenen Ulle im Alleingang zurückholte, und dann von deutschen Medien als Judas beschimpft wurde.
Diese Solist/Verfolger Skills hatte Merckx auch, der Beleg dafür sind seine zurückgelegten Solostrecken bei Rundfahrten und Klassikern, sowie das Gewinnen der Kombinationswertung (heute rote Rückennummer) bei Tour, Giro und Vuelta.
Bei den Klassikern haben viele solcher Fahrtypen besser Chancen als Zeitfahrer, Kletterer oder Sprinter. Konnte man ja auch an Leuten wie Michael Boogerd und Erik Dekker sehen, die Armstrong 2000 und 2001 bei den Klassikern schmerzhafteNiederlagen beibrachten.
Armstrongs Kollege Hincapie war der beste Verfolger/Solist des US Postal Teams, daher ruhten bei allen Klassiker die Hoffnung auf ihm. Sogar Armstrong fuhr hin und wieder führ ihn, da er sich selbst weniger Siegchancen einräumte.
Merckx: Topzeitfahrer + Topsprinter + Topkletterer + Topsolist/verfolger
Heutzutage könnte er sicher nicht mehr alle 3 Wertungen in einem Jahr gewinnen. Aber in Topform wäre ihm am ehsten von allen zuzutrauen, dass er:
- Zeitfahrspeziallisten im Zeitfahren schlägt oder neutralisiert
- Bergspeziallisten in den Bergen schlägt oder neutralisiert
- Sprintspeziallisten in Sprints schlägt oder neutralisiert
- jederzeit in der Lage ist, eine lange Strecke als Solist durchzuziehen (wie Voigt)
Und daher steht er wohl auch bei allen ATG Listen im Radsport auf Platz 1.