Beste Komponisten?


twinpeaks

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Naja, die meisten Dirigenten haben schon ihre persönliche Note, der sie nicht entfliehen können. Da läuft man dann als Hörer doch Gefahr, den Stil eines einzelnen Dirigenten zu sehr mit der Absicht des Komponisten gleichzusetzen. Von Karajan habe ich schon mehrfach gehört, dass er Werke derart gängelt. Bei Günter Wand ist es ähnlich: Dieselbe Art, die Brahms' Sinfonien begreifbar macht, nimmt ihnen jedoch auch das Feuer. So ergibt sich ein "typischer Wand", der aber kein "typischer Brahms" ist, wie der Vergleich mit Abbado oder Kleiber zeigt.

Karajan ist da wohl auch ein Extrembeispiel, denn eigentlich sollte sich der Dirigent/Interpret ja bemühen, das, was der Komponist notiert hat, möglichst werkgetreu umzusetzen - der Interpretationsspielraum ist da auch ohne persönliche Manierismen groß genug.

Ich habe mir vorhin mal wieder die Vierte von Brahms in der Aufnahme von Wand und NDR-Sinfonieorchester angehört. Schon eine gute Einspielung, nüchtern und klar - aber etwas schwelgerischer darf es bei Brahms dann doch sein, wie ich finde.

Ich habe übrigens in letzter Zeit öfter die späten Streichquartette von Beethoven gehört. Sicherlich nichts, was einfach zu verdauen wäre, aber Strawinskis Ausspruch über die "Große Fuge", dass sie immer modern bleiben würde, gilt eigentlich für alle diese Werke. Auch heute noch ist es erstaunlich, wie kühn Beethoven hier formal und tonsprachlich komponiert hat. Gerade die thematische Verknüpfung innerhalb der Werke weist schon voraus auf Liszt (Monothematik) oder Wagner (Leitmotivik).

Wenn jemand mal einen Eindruck gewinnen möchte, hier die "Große Fuge" (ursprünglich als letzter Satz des Quartetts op. 130 geplant):

Erster Teil
Zweiter Teil
 

Devil

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ja, bei Karajan sagen ja Kritiker, dass er sich des Komponisten bedient anstatt dass er dem Komponisten dient und er sei ein "Selbstdarsteller". Wobei ich die wenigen Interprationen, die ich bei youtube geshen habe eigentlich perfekt fand. Er muss natürlich auch seine guten Seiten haben. Ich glaube von seinen Aufnahmen wurden angeblich weltweit 200 millionen Tonträger verkauft.
 

Gast00

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Ohne Frage; viele Hörer schwören auf Karajan, besonders wenn es um Barock und Wiener Klassik geht. Ich selbst habe Aufnahmen unter seiner Regie (Mozarts Requiem und Vivaldis Vier Jahreszeiten), die vielleicht erst durch ihn und seine Sicht der Dinge wirkliche Klangkraft erhielten. Ob ihn das jedoch im selben Maße befähigte, eine Brahms-Sinfonie umzusetzen, die unter Umständen eine moderatere Gangart erfordert, steht auf einem anderen Blatt.

Allerdings gilt diese Aussage
eigentlich sollte sich der Dirigent/Interpret ja bemühen, das, was der Komponist notiert hat, möglichst werkgetreu umzusetzen
nur bedingt, denn man kann darüber diskutieren, ob es die eine, richtige Version eines Werkes überhaupt gibt. Sicherlich setzen manche Komponisten strikte Vorgaben - wiederum sind Bruckner und Mahler zu nennen, deren Partituren mit handschriftlichen Bemerkungen geradezu übersät waren -, aber selbst von einem strengen Prinzipienreiter wie Brahms ist bekannt, dass er mal eine seiner Sinfonien hörte und anschließend dem Dirigenten gratulierte, obwohl dessen Interpretation nicht seinen persönlichen Vorstellungen entsprach.

Ich habe mir vorhin mal wieder die Vierte von Brahms in der Aufnahme von Wand und NDR-Sinfonieorchester angehört. Schon eine gute Einspielung, nüchtern und klar - aber etwas schwelgerischer darf es bei Brahms dann doch sein, wie ich finde.
Und gerade weil ich das ebenso sehe, greife ich in solchen Momenten zu Carlos Kleiber (dem hier), den es zum Glück auch online gibt, allerdings zu einem deutlich späteren Zeitpunkt und mit einem anderen Orchester (mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich darum).
 

twinpeaks

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Allerdings gilt diese Aussage nur bedingt, denn man kann darüber diskutieren, ob es die eine, richtige Version eines Werkes überhaupt gibt.

Die gibt es sicherlich nicht, das liegt schon in der Natur der Sache. Noch so exakte Angaben wie bei Mahler (der da sicherlich auch aus eigener leidvoller Dirigentenerfahrung heraus so verfuhr) oder noch extremer wie etwa bei serieller Musik, wo im äußersten Fall jeder Note dann gleich auch noch eine gewisse Lautstärke usw. zugeordnet wird, bleiben eben doch immer relativ und werden nie immer gleich ausgeführt werden können. Aber das wollte ich ja auch ausdrücken, indem ich vom großen Interpretationsspielraum sprach. Es ist ja auch eine interessante Frage, ob z.B. die Aufnahmen der Rachmaninow'schen Klavierkonzerte, die vom Komponisten selbst stammen, besser oder werkgetreuer sein müssen als die von Horowitz, Ashkenazy oder sonstigen Leuten, die diesen Werken musikalisch und technisch gewachsen sind. In diese Richtung ging ja auch dein Brahms-Beispiel.


Und gerade weil ich das ebenso sehe, greife ich in solchen Momenten zu Carlos Kleiber (dem hier), den es zum Glück auch online gibt, allerdings zu einem deutlich späteren Zeitpunkt und mit einem anderen Orchester (mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich darum).

Danke für den Tipp; die Aufnahmen von Kleiber kenne ich nicht. Empfehlen kann ich auf jeden Fall auch noch die Einspielung mit Eugen Jochum und den Berliner Philharmonikern.
 

Gast00

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Lustig, dass du Rachmaninow erwähnst, denn an genau den musste ich auch denken. Viele schwärmen für seine Einspielungen, aber ich kenne keine, die mir gefällt. Rachmaninow, der Rachmaninow spielt, klingt für meine Ohren grob, zackig und abgehackt; gerade die Feinheiten des 1. Klavierkonzerts werden von ihm regelrecht plattgewalzt. Überhaupt rast er durch seine eigenen Werke, wie es heute nicht (mehr?) üblich ist. Vielleicht soll es so sein - mit dem Komponisten debattiere ich nicht -, und vielleicht gibt es da technische Details, die ich als Laie einfach nicht zu würdigen verstehe, aber ganz banal gesagt: Mir gefällt's nicht. :)
 

Gast00

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Für mich darf es weiterhin Bruckner sein; ich habe da einen Ohrwurm (im 2. Satz der 4. Sinfonie), den ich gern zu teilen bereit bin:

http://www.youtube.com/watch?v=vgsovPTP1jQ

Die Aufnahme ist nicht betitelt, aber ich würde schwören, dass es sich um Eugen Jochum und die Berliner Philharmoniker anno 1967 handelt.

Auf jeden Fall sind es die letzten rund vier Minuten dieses Satzes, die mir keine Ruhe lassen - typisch Bruckner'sche Steigerungswellen, die mich zurzeit überallhin begleiten.
 

twinpeaks

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Bitte, bitte bei klassischer Musik nur dann von "Lied" sprechen, wenn es sich auch wirklich um ein Lied handelt (also z.B. "Im wunderschönen Monat Mai" von Schumann) - ansonsten kann man Begriffe wie "Werk" oder "Stück" verwenden, aber NIEMALS "Lied". ;)

Die "Coriolan"-Ouvertüre finde ich übrigens auch toll.
 

Devil

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Ja, das ist ein sehr schönes "werk" ;) . Ich hab letzte NAcht auch Beethoven gehört, auch seine hochgepriesenen Bagatellen op 126, aber damit kann ich irgendwie noch nix anfangen.
 

vinz

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twinpeaks und Devil, was sind denn eure Lieblingswerke von Beethoven?
Ich glaub ich brauch neue Ware von ihm.
 

Devil

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Sinfonien 5, 6 und 9
Klavierkonzerte 4 und vor allem 5
Sonaten op 101, 106 , 109, 110 , 111 und auch die Mondscheinsonate
Für Elise
Streichquartett nr 13 op 130, aber da eigentlich nur der sehr schön 5te Satz
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Also, mit seinen Klavier-Sonaten und Bagatellen komm ich nicht immer wirklich zurecht, genauso seine Steichquartette. Aber die 3 geanannten Sinfonien gehören schon zu meinen Lieblingsmusikstücken, auch das fünfte Klavierkonzert , in das ich mich erstmal reinhören musste ( allerdings nicht in den 2. Satz, den fand ich sofort super). Ich hab mir auch seine anderen Sinfonien schon mal angehört , aber bisher noch ohen große Begeisterung, abgesehen von der 7ten, die mir auch teilweise gefällt. Beethoven ist halt manchmal schwere Kost, wenn du aber keine Lsut auf langes reinhören hast, lege ich dir vor allem die 6te Sinfonie ans Herz. Die ist einfach nur schön und zumindest ich musste mich da garnicht reinhören. Das sind jetzt ja nur meine Privaten Favouriten, aber ich kann ja nochmal aus meinem Lexikon zitieren, was ich auch schon zu Beginn des Threads getan habe worauf aber leider keiner eingegangen ist:

"Für Soloklavier schrieb er seine letztten 5 Sonaten- op 101, 106, 109, 110 und 111, die Bagatellen op 119 und op 126 und die Variationen über ein Thema von Diabelli. Für Streichquartett komponierte er op 127-135, gleichsam als musikalisches Testament während der letzten 2 Jahre seines Lebens. Diese letzten Werke gehören zu den höchsten kulturellen Errungenschaften der Menschheit!"

Ich hab mir diese Sonaten angehört und häre , sie , wie bereits geschrieben , sehr gerne. Aber von alleine würde ich jetzt nicht gerade auf die Idee kommen sie als eine der größten Errungenschaften der Menschheit zu bezeichnen. Bei den anderen dort genannten WErken blicke ich noch weniger durch. Wenn du also Lust auf was Neues hast, höre dir doch mal diese WErke an und sag mir dann wie du die Sache siehts ( sofern du sie noch nicht kennst) ;):thumb:

hab diese nacht die vierte sinfonie gehört und die hat mir echt gut gefallen. wie sie so langsam und behebig anfängt und dann langsam fahrt aufnimmt. ich war positiv überrascht. zeitwise kam es mir vor wie eine eher fröhliche version der 5ten
 
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vinz

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Danke für die Infos, Devil, hört sich gut an.
Steht bei mir jezt die Überlegung an ob ichs mir einfach bei youtube anhöre, irgendwo runterlade, oder kaufe, denn ich finde derartige Musik ist in youtube-Qualität nicht wirklich zu genießen.
 

PhilIvey

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an klaviermusik ist auch die pathetique sonate opus 13, appassionata sonate opus 57 bekannt. empfehlen kann ich auch das violinkonzert, eines der schwierigsten und besten violinkonzerte die es gibt. von den klavierkonzerten sind auch bei mir nr. 4 und 5 die favoriten.
nicht zu vergessen auch die egmont-ouvertüre.
 

Devil

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Danke für die Infos, Devil, hört sich gut an.
Steht bei mir jezt die Überlegung an ob ichs mir einfach bei youtube anhöre, irgendwo runterlade, oder kaufe, denn ich finde derartige Musik ist in youtube-Qualität nicht wirklich zu genießen.

Kauf dir einfach die komplette Sammlung. Ich hab sie ja für 69,90 bekommen. Das lohnt sich schon.
 

Gast00

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hab diese nacht die vierte sinfonie gehört und die hat mir echt gut gefallen.
Ja, die ist ganz nett, wenn auch natürlich in der Rückbetrachtung ein wenig kurz. Wer sie nicht kennt, findet sie hier komplett mit Karajan.

Steht bei mir jezt die Überlegung an ob ichs mir einfach bei youtube anhöre, irgendwo runterlade, oder kaufe, denn ich finde derartige Musik ist in youtube-Qualität nicht wirklich zu genießen.
Das stimmt wohl; youtube kann lediglich dazu dienen, mal in eine Komposition reinzuschnuppern. Ansonsten geht unter CD-Qualität gar nichts, und das Nonplusultra bleibt natürlich der persönliche Konzertbesuch.
_____________

Wer sich in Sachen Beethoven die volle Breitseite geben will, dürfte übrigens einmal mehr bei Zweitausendeins richtig sein:

http://www.zweitausendeins.de/artikel/cds/klassik/?ArticleFocus=0&show=690525
 
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