Und ewig grüßt der mittelmäßige Saisonstart.
Ich glaube, ich würde einen Mittelweg wählen.
Meines Erachtens ist die Kaderplanung, wie Tony schon sagte, wahrscheinlich in diesem Jahr nicht so gelungen wie in den vergangenen. Damit möchte ich auch gar nicht den Stab über Schieber brechen, denn ich traue es ihm durchaus zu sich zu entwickeln. Man muss ihm die Zeit geben, wenn man ihn schon verpflichtet hat. Was man aber deutlich sagen muss, ist, dass die Situation mit der Causa Lewandowski vor zwei Jahren nicht mehr vergleichbar ist.
Das liegt erst mal an den mittlerweile höheren Ansprüchen und nun auch den deutlich verbesserten finanziellen Möglichkeiten. Man hat das Ziel, sich erneut für die Champions League zu qualifizieren und misst sich gleichzeitig mit der Crème de la Crème Europas. Das war anno 2010 noch anders.
Da geht es letztlich nicht darum, den Bayern permanent Paroli zu bieten oder jedes Meister zu werden, sondern sich in den Top Drei in der Bundesliga zu etablieren und ein paar Spuren in Europa zu hinterlassen. Das ist eine realistische Erwartungshaltung. Sowohl von den Verantwortlichen, als auch von den Fans. Für mich ist Bayern auch nicht der große Antagonist. Wegen meiner können die dieses Jahr mit dem tiefen Kader ihre Kreise alleine ziehen.
Das sind die Gründe dafür, dass man aus Lewandowski/Barrios/Zidan nicht ernsthaft Lewandowski/Schieber machen kann. Bei den momentanen Zielen muss ein zweiter Stürmer schon mal schneller zünden. Barrios hat sich nicht als toller Joker präsentiert, aber er hat zwei Jahre in der Startelf regelmäßig getroffen. Hätte der wieder in der ersten Elf in die Bresche springen müssen, hätte das auch wieder funktioniert. Zorc und Klopp haben sich für die letzten Jahre ein Eins mit Sternchen verdient, aber in Punkto Kaderplanung scheinen sie sich dieses Jahr zumindest leicht verzettelt zu haben. Nicht untypisch, wenn man gerade auf der Welle des Erfolges schwebt. Da passieren die meisten Fehler.
Man dachte, man kann weiter mit Peanuts um sich werfen und dann en passant die CL klar machen. Fällt jetzt aber ein Lewandowski aus, wird es zappenduster. Für ein paar Millionen mehr wäre ein adäquater Barrios-Ersatz rausgesprungen, stattdessen bezahlt man für Schieber zuviel.
Hinzu kommt, dass Reus nicht so gut in den Kader passt wie ein Kagawa. Man hatte damals mit Kagawa einen überragenden modernen Zehner. Aber auch einen Götze, der alle Positionen auf hohem Niveau spielen kann und Kagawa recht ähnlich ist, so dass auf der Zehn nie ein Vakuum entstand. Und man hatte eben einen Haufen ordentlicher bis sehr guter Flügelspieler. Nun ist es wirklich so, dass nur noch ein einziger Spieler vorhanden ist, der die 10 auf Top-Niveau spielen kann. Es ist nicht so, dass ein Reus das gar nicht kann, aber längst nicht so verdammt gut.
Strunz behauptet zwar vehement, Reus müsse auf die Zehn, weil er in Gladbach im Zentrum als hängende Spitze seine besten Leistungen lieferte, doch vergisst er zwei Aspekte komplett. Dortmund spielt erstens ein anderes System, das nicht so wie das gladbacher auf Konter angelegt ist, und zweitens stehen die BVB-Gegner tiefer. Das heißt, wir haben im Zentrum nicht den Platz, den Reus für sein Spiel braucht. Er ist verdammt schnell und hat einen überragenden Schuss, aber auf engem Raum hat er nicht die Technik und Kreativität eines Götze oder Kagawas. Da darf man keine Augenwischerei betreiben. Traue es ihm aber zu, auf den Flügeln eine große Qualität beizusteuern, wenn er erst mal ins System gefunden hat und die Laufwege sich eingespielt haben.
Verstehe allerdings auch nicht, wie man den halben Kader kleinreden kann. Wenn Gündogan/Bender sich wieder einspielen, sieht es da schon schnell anders aus. Kehl schwächelt, ohne Frage, aber er ist ein wunderbarer Backup. Bender wird die defensive Stabilität verbessern.
Jetzt kommt ein wichtiger Teil. Glaube, dass all das mit dem gestrigen Spiel wenig am Hut hat. Der HSV hat sich zwar gesteigert, ist aber, bei aller Liebe, alles andere als ein Top-Team.
Das gestern war zu viel Arroganz, zu viel Lässigkeit, zu viel Nachlässigkeit. Bei allen drei Gegentoren war man im Septemberschlaf. Vorne wurde bei den Torschüssen ein ums andere Mal herumdilettiert.
Wie gerade angedeutet: Ein Drama wie bei Shakespeare will ich auch nicht daraus machen. Das gestern ist wahrscheinlich das, was passiert, wenn man temporär zu den Unschlagbaren mutiert. Irgendwann hält man sich als Spieler wirklich unterbewusst für unbesiegbar. Da kann ein Trainer dann noch so oft mahnen und warnen. Wenn man so oft siegt und nicht verliert, ist es eine halbwegs normale Reaktion, wenn ein Spieler kurzfristig denkt: "Trainer, erzähl du mal, wir regeln das schon".
Darf nach den Erfolgen passieren. Man muss nur seine Lehren daraus ziehen. Man darf in Frankfurt einfach wieder Engagement, Konzentration und klitzekleines bisschen Demut einfordern. Das war's.