Ultras sind die europäische Variante der Cheerleader. Mit dem Unterschied, dass sie martialische Kostümierung bevorzugen, häufiger Randale machen und nichtmal lustig tanzen können. Naja, und sie scheinen oft auch nicht zu verstehen, dass die Masse wegen dem Sport ins Stadion kommt und nicht wegen den Ultras.
Aus meiner Sicht sind diese Ultra Gruppierungen eine Katastrophe für die Stimmung im Stadion. Ich liebe echte Fußballatmosphäre. Aber die ergibt sich natürlich (!) durch die Emotion, Leidenschaft und Reaktion der Masse und nicht durch eine Gruppe von Hampelmännern auf dem Zaun die sich selbst in Szene setzen und unabhängig vom Spielgeschehen ihre Show abziehen wollen. Ich will Szenenapplaus für eine gute Balleroberung oder eine starke Grätsche und nicht dass man im Block beim KSC in einem spannenden Spiel irgendwelche Lieder über die Fanfreundschaft mit Straßburg oder Hertha singt.
Es stimmt natürlich, dass in Deutschland in vielen Stadien kaum "Stimmung" von den Haupttribünen kommt. Es hat sich so entwickelt, dass die Ultras ihre Show machen und der Rest mehr oder weniger schweigt. Ich finde die Entwicklung traurig.
Einerseits stören sich diese Witzbolde an zuviel Rahmenprogramm und zuviel "Show" die vom eigentlichen Spiel ablenkt. Klar, ich brauche auch keine Helene Fischer Halbzeitshow. Sie verstehen anscheinend nicht, dass sie selbst auch nur ein unwichtiger Baustein im Rahmenprogramm sind. Da sind sie dann allerdings top motiviert und wollen auch unbedingt riesige Choreos, gewaltige Fahnen und Spruchbänder und möglichst noch ganz viel Pyro Feuerwerk. Klar, logisch....
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Ich verstehe durchaus, dass es Spaß machen kann in einem Block mit den Kumpels anzufeuern, zu singen und zu feiern. Habe ich auch oft mitgemacht. Man kriegt halt nicht sehr viel vom Spielgeschehen mit aber es ist definitiv spaßig. Ich verstehe auch, dass die Gruppendynamik junge Leute anlockt und begeistert.
Außerdem gestehe ich gerne ein, dass nicht jeder meine Vorstellung von Fußballatmosphäre teilen muss... Ich mag die britische Variante. Reaktion auf das Spielgeschehen, spontane Gesänge. Mehr Beteiligung vom ganzen Stadion und nicht nur von einzelnen Gruppen/Blöcken. Keine peinlichen Vorsänger und keine Hierarchie. In Deutschland habe ich immer den Eindruck, dass ein Programm abgespult wird und die Gesänge sehr oft überhaupt keinen Bezug zum Geschehen auf dem Rasen haben. Aber ja... Ich akzeptiere, dass man hier auch eine andere Meinung haben kann.
An einem anderen Punkt habe ich aber überhaupt kein Verständnis und das ist das irrationale Selbstverständnis dieser Szene. Der Fußball braucht keine Ultras. Die Clubs profitieren mehr von einem Tourist (der sich ein Stadionheft und ein Trikot im Fanshop kauft) oder einer Familie (die die Kinder mit Fan Utensilien versorgen und 40 Euro an den Futterständen ausgeben) als von Ultra Gruppen die im Zweifelsfall mit ihren Pyro Aktionen eher noch Kosten verursachen.
Wenn die "Ultras" sich als die Stimme der Fans inszenieren... Das sind sie nicht. Sie sprechen für eine sehr kleine Minderheit. Die aktive Fan Szene hat ein Eigeninteresse an passenden Anstoßzeiten. Verstehe ich natürlich aber gilt nicht für mich und Millionen anderer Fans. Die wichtigste "Fan" Gruppe für die Bundesliga Clubs sind die Leute vor den TV Geräten denn die bringen das Geld. Und ich finde das Aufsplitten der Anstoßzeiten nicht negativ. Ich würde es auch nicht total ausdehnen und den Schwerpunkt auf 15.30 belassen. Aber ich bin froh, dass ich am Samstag Dortmund vs Frankfurt und Bayern vs Leipzig sehen kann weil nicht beide Spiele gleichzeitig laufen.
Immer wenn ich irgendwelche Ultras in den Medien sehe, nehmen sie sich viel zu wichtig. Die gehen anscheinend davon aus, dass sie elementar wichtig für diesen Sport sind. Dabei funktioniert das alles in den unteren Amateurklassen ohne Ultras und ganz oben regiert der Kommerz. Die Ultras sind dann ein mehr oder weniger lästiges oder nützliches Randprodukt welches entweder nervt oder aber für das eigene Marketing instrumentalisiert werden kann.
Ich habe kein Problem mit aktiven Fan Szenen. Im Gegenteil... Da gibt es viele positive Beispiele für soziales Engagement. Menschen die ihren Club mit viel Leidenschaft und Herzblut unterstützen. Und es ist auch wichtig, dass die Masse der Fans eine Stimme hat. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Ultras Interessen der Mehrheit vertreten. Die leben auf ihrem ganz eigenen Planeten.
Die sollen doch einfach eigene Cheerleader Wettbewerbe starten. Dann können sie ihre Plakate malen und ihre Lieder singen und sich so mit den anderen Gruppen messen. Die Halbstarken dürfen sich vermummen damit sie im Schutz ihrer Gruppe auch mal böse aussehen. Die ganz bösen Jungs können sich prügeln und natürlich finden wir auch einen Wettbewerb bei dem man sich gegenseitig die Fahnen klauen kann. Sowas Ähnliches machen ja auch die Pfadfinder. Aber bitte verschont doch einfach die Fußballfans mit diesem Mist. Die wollen nämlich zu großen Teilen ins Stadion weil sie Fußball sehen wollen.