Ich sehe den Prozess derzeit als eine Abfolge von einzelnen Optimierungen. Dieses Schritt-für-Schritt bringt das Forum aber mit einer wiederkehrenden Regelmäßigkeit auf die Palme.
Das Gute ist. Viele hier im Forum haben einen guten Blick auf das richtige Ziel. Aber sie vereinfachen den Weg dorthin und akzeptieren nicht, dass eine Vision immer Ergebnis von einzelnen Schritten ist und sich dieses Ziel am Ende auch leicht verändern lässt.
Favre baut den Laden von Grund auf neu auf. Erstes Ziel, weniger Gegentore. Dafür ist das robuste MF als Support der Viererkette essenziell. Da zum Konzept auch das verdichten vorm 16er gehört, sind viele Eckbälle des Gegners auch in Kauf genommene Konsequenz. Auch hier braucht man Masse. Bei diesem ersten großen Meilenstein spielt Delaney (und auch Witsel) eine sehr große Rolle.
Der Nebeneffekt ist, dass wir zwei, drei massiv talentierte, aber junge Defensiv-Spieler glänzen lassen können. Hier entsteht gerade wirklich Großes.
Das alles passiert(e) auf Kosten einer glanzvollen Kurzpass-Offensive. Unser MF darf häufig zum TW zurückpassen, um Druck des Pressings abzuleiten und gefährliche Ballverluste zu vermeiden. Delaney darf keine Khedira-Vorstöße wagen (auch wenn ihm diese eher liegen), sondern bleibt 25 Meter vor dem Tor stehen. Witsel sogar noch tiefer. Die AVs gehen nur situativ zu Beginn bis zur Grundlinie. Favre bevorzugt den kurzen Pass in die Mitte, zur Not die Halbfeld-Flanke. Absichern tun dann ja die beiden 6er. Resultat: es sind eigentlich immer 5 Mann hinterm Ball.
Dann gibt es die Zieharmonika, als Resultat des Wunsches wie viele Spieler hinter dem Ball sind. Die führt zu größeren Abständen in unserer Offensive und erschwert Konter. Brechen wir aber durch, dann brauchen wir Reus anstatt Dahoud auf der 10, weil dieser das Ding reinhauen kann. Dies ist konsequent in Favres Numbers-Game. Reus auf der 10 senkt die Anzahl an Chancen, aber erhöht die Abschlussqualität. Dahoud würde die Gleichung gegensätzlich beeinflussen. Niemand weiß ob dann mehr oder weniger Tore fallen würden. Favre hat jedoch den Output in eine Höhe geschraubt, die eine gegensätzliche Argumentation erschwert.
Der letzte Punkt ist eher eine Herausforderung des Alltags. Favre hatte mit Philipp einen MS, der auf der Position, insbesondere zu Beginn, als keiner der ersten Elf eingespielt war, sich völlig falsch bewegt hat. Alcácer brachte hier eine natürliche Eingebundenheit, die Kombinationen der (oft allein gelassenen) vorderen 4 erleichterte. Das wird jetzt hoffentlich besser, insbesondere, wenn der 8er auch mehr mit nach vorn darf und Favre aggressiveres Pressing gestattet (vorsichtige Prognose die gegen Konter-schwache Gegner demnächst ausprobiert wird).
Fazit: alle machen ihren Job und wenn einer "Schuld" an fehlender spielerischen Qualität hat, dann ist es Favre. Ich bin aber auf seiner Seite und finde den langsamen und vorsichtigen Aufbau unseres Spielstils gut.